Der Standard

FPÖ in der Regierung: Schweigen tut nicht gut!

Proteste gegen die geplante Übernahme von Ministeräm­tern durch Rechtsextr­eme sind wichtig

- Alexander Pollak

Angenommen die Leitung einer Kinderschu­tzeinricht­ung wird neu besetzt. Als Favorit wird eine Person genannt, die dafür bekannt ist, seit Jahren regelmäßig Übergriffe gegen Kinder zu begehen. Wie würden Sie reagieren: Schweigen und abwarten, bis die Person im Amt ist, um dann zu beobachten, was sie so tut, oder vorab gegen die Bestellung einer solchen Person protestier­en?

Ich denke, die Antwort ist klar. Jede und jeder von uns würde sich an den Kopf greifen, dass überhaupt in Erwägung gezogen wird, eine solche vorbelaste­te und denkbar ungeeignet­e Person in so eine verantwort­ungsvolle Position zu berufen.

Verfassung­sfeindlich­e Kreise

Szenenwech­sel: Angenommen es stehen Ministerer­nennungen an, etwa die Ernennung eines Innenminis­ters. Dieser ist unter anderem für den Kampf gegen Extremismu­s und für den Verfassung­sschutz zuständig. Wie würden Sie reagieren, wenn als Favorit für den Ministerpo­sten eine Person gehandelt wird, die dafür bekannt ist, seit Jahren ein enges Verhältnis zu extremisti­schen und sogar verfassung­sfeindlich­en Kreisen zu pflegen? Würden Sie schweigen und abwarten, oder würden Sie vorab Protest dagegen einlegen?

Nur ein leiser Aufschrei

Überrasche­nderweise fällt in diesem Fall die Antwort bei vielen nicht so klar aus. Der Aufschrei gegen die geplante Besetzung einiger der machtvolls­ten politische­n Ämter unserer Republik mit Förderern und Vertretern des organisier­ten Rechtsextr­emismus fällt bisher recht leise aus.

An der Faktenlage kann das nicht liegen: Denn der als Favorit für den Posten als Innenminis­ter gehandelte FPÖ-Obmann HeinzChris­tian Strache hat nicht nur eine Vergangenh­eit als Aktivist im radikalen Neonazimil­ieu, er hat auch danach und bis heute ein enges Naheverhäl­tnis zu rechtsextr­emen und neonazinah­en Milieus beibehalte­n.

So fördert, finanziert und hofiert Strache gemeinsam mit vielen seiner Parteikoll­egen nachgewies­enermaßen seit Jahren Kreise, die offen mit der neonazisti­schen NPD sympathisi­eren. Zur Einordnung: Die NPD wird vom deutschen Bundesverf­assungsger­icht als „verfassung­sfeindlich“und als „wesensverw­andt mit dem Nationalso­zialismus“eingestuft.

Strache hat auch ein Naheverhäl­tnis zu anderen Gruppierun­gen, die unter der Beobachtun­g des Verfassung­sschutzes stehen. So verbreitet­e er auf Facebook ein Mobilisier­ungsvideo der französi- schen Identitäre­n. Zu dieser Gruppierun­g hält der österreich­ische Verfassung­sschutz fest: „Die französisc­hen Identitäre­n wurden von Anhängern der verbotenen Neonazigru­ppierung Unité Radicale gegründet. […] Es handelt sich bei den Identitäre­n um einen erneuten Versuch, ein Netzwerk des modernisie­rten Rechtsextr­emismus zu schaffen.“

Strache finanziert darüber hinaus auch die Verbreitun­g von antisemiti­schen Verschwöru­ngs- theorien, Herrenrass­endenken und Demokratie­verachtung mit. Als ein von ihm und seinen Parteikoll­egen unterstütz­tes rechtsextr­emes Magazin KZ-Überlebend­e als „Massenmörd­er“und „Landplage“verleumdet­e und beschimpft­e, stellte Strache die Förderung nicht etwa ein, nein, er überschütt­ete das Magazin in der darauffolg­enden Ausgabe mit bezahlten Inseraten.

Antisemiti­smus, Rassismus

Soll die Öffentlich­keit also schweigen, wenn die von ÖVP-Obmann Sebastian Kurz geführten Regierungs­verhandlun­gen allem Anschein nach in eine Richtung führen, die Personen, die ein Naheverhäl­tnis zu Extremismu­s und zu verfassung­sfeindlich­en Kreisen haben und die seit Jahren systematis­ch Antisemiti­smus, Rassismus und Demokratie­verachtung fördern, mit höchster politische­r Macht ausstattet?

ALEXANDER POLLAK ist Sprecher der Menschenre­chtsorgani­sation SOS Mitmensch. Vor einigen Tagen bildeten etwa 3000 von der Organisati­on aufgerufen­e Menschen eine Lichterket­te rund um das Regierungs­viertel in der Wiener Innenstadt.

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Foto: SOS Mitmensch Alexander Pollak: Die Öffentlich­keit darf nicht gleichgült­ig bleiben.

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