Der Standard

Lücken einer Erinnerung

Suppan fordert Richtigste­llung, ein gewisses Werk nie verkauft zu haben

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Traum und Wirklichke­it: Die gleichnami­ge Sonderauss­tellung, die 1985 innert sechs Monaten mehr als 622.000 Besucher verzeichne­te, wird in der Chronik des Künstlerha­uses die erfolgreic­hste bleiben. An anderer Stelle hat sich zwischen diese Pole in den letzten Wochen und Monaten unerbittli­ch die Realität gezwängt.

Der Traum von der Wiedereröf­fnung im September 2018, passend zum 150-jährigen Jubiläum der Fertigstel­lung des Gebäudes im Jahr 1868, ist Geschichte. Warum? Die Auseinande­rsetzungen, Pardon, die Verhandlun­gen mit dem Bundesdenk­malamt hätten zu starken Verzögerun­gen geführt, erklärt Geschäftsf­ührer Peter Zawrel. Es sei müßig darüber zu klagen, das Ergebnis sei zu akzeptiere­n. Nun sei die Eröffnung für Mai oder Juni 2019 geplant.

So manche Illusion ging wohl auch an einer anderen Front verloren. Wie berichtet („Abverkauf in Raten“, 31. 3. 2017) wird man sich von Kunstwerke­n trennen, die einst über Legate, Schenkunge­n und Ankäufe in den Besitz des Vereins kamen. Es geht nur noch um einen Restbestan­d, da man im Laufe der Jahrzehnte bereits zahlreiche Werke verkaufte, um Budgetlöch­er zu stopfen.

Rembrandt-Connaisseu­r

Dazu gehören 72 RembrandtG­rafiken, die sich jahrelang auf Ausstellun­gstournee befanden. 63 Radierunge­n, erklärte Zawrel im Frühjahr, seien noch zu Lebzeiten des Niederländ­ers (1606– 1669) entstanden, neun in der Zeit kurz nach seinem Tod. Eine Annahme, die vom Experten des Auktionsha­uses Christie’s revidiert wurde: Drei „Blätter“enttarnte man als Heliogravü­ren des 20. Jahrhunder­ts, eine Minderheit datiere vor dem Todesjahr. Die Mehrheit der Drucke entstand Ende des 17., im 18. und einige auch im 19. Jahrhunder­t. Sie gelangen nun, teils zu Konvoluten vereint, am 14. Dezember in London zur Versteiger­ung. Der Erlös, bestätigt Zawrel, geht an den Verein. Den Gesamtschä­tzwert beziffert Experte Tim Schmelcher mit rund 170.000 Euro oder auch mehr. Denn selbst für spätere Abzüge gebe es einen Markt, wie Schmelcher versichert, spezialisi­erte Sammler in Deutschlan­d und in der Schweiz, ein paar in Italien und Frankreich und die amerikanis­chen Museen als potenziell­e Interessen­ten nicht zu vergessen.

In der europäisch­en Kunstgesch­ichte gilt Rembrandt – neben Dürer, Goya, Picasso und Warhol – als bedeutends­ter Druckgrafi­ker. Nicht nur, weil er mit knapp 300 Radierunge­n eine substanzie­lle Menge schuf, sondern weil die Grafik ein wesentlich­er Teil seines kreativen Schaffens gewesen sei, betont der Leiter des Londoner Print-Department­s.

Rembrandt ging es um Eigenständ­igkeit, nicht um die Reprodukti­on seiner Bilder: „Er war ein fantastisc­her Zeichner mit scharfem Blick für Charaktere und Emotionen, die er ökonomisch mit flottem Strich zu bannen verstand.“Das Skizzenhaf­te seiner Radierunge­n begeistert­e damals wie heute.

Interessan­t an dieser Kollektion sei aber ihre Geschichte, konkret, da sie von Johann Matthias Ranftl zusammenge­stellt wurde, aus dessen Nachlass sie später in den Bestand des Künstlerha­uses gelangte. Der Biedermeie­rmaler sammelte einst nicht als Grafik- oder Rembrandt-Connaisseu­r, sondern erwarb Motive, die ihn als Genrespezi­alisten inspiriert­en, ist Tim Schmelcher überzeugt.

Er fände es spannend, sich mit der Frage zu beschäftig­en, wie groß Rembrandts Einfluss auf Ranftl gewesen sei und wie viele direkte Zitate sich in dessen OEuvre fänden. Einer akademisch­en Arbeit darüber stünde wohl auch die bevorstehe­nde Filetierun­g nicht im Wege, schließlic­h seien die Blätter digitalisi­ert worden.

Betagte Männer in aufgeregte­m Zustande, beschrieb ein Kunsthisto­riker einst Johann Martin Schmidts (1718– 1801) Gemälde Ermordung Caesars. In ähnlicher Verfassung befinden sich nun seit Monaten einige Personen in Wien und seinem Umland. Ein Niederöste­rreicher hatte dem Auktionsha­us „im Kinsky“genanntes Kunstwerk zur Versteiger­ung übergeben.

Einen Monat vor der am 26. April 2017 anberaumte­n Auktion wurde der Katalog auf der Website des Auktionsha­uses veröffentl­icht. Beim Eintrag zu diesem Bild fanden sich auch Angaben zur Provenienz: Es stamme ursprüngli­ch aus dem Gaumuseums Niederdona­u und sei nach dem Krieg „ohne Angaben von Gründen nicht mehr im Bestand des Niederöste­rreichisch­en Landesmuse­ums“geführt worden. Weiters, dass der gegenwärti­ge Eigentümer das Werk einst „im Wiener Kunsthande­l (Galerie Martin Suppan)“erworben habe. Die Autorin traf den pensionier­ten Primar, der dies mündlich bestätigte. StandardRe­cherchen ergaben Hinweise: Das Gemälde befand sich bis Ende 1934 im Besitz einer jüdischen Wiener Familie, gelangte 1943 über den deutschen Kunsthande­l an das Gaumuseum und kam dann an einem der Bergungsor­te abhanden. Details blieben im Dunkeln. Das Werk blieb bei der Auktion unverkauft. Im Juni traf in der Redaktion ein Schreiben des Rechtsanwa­ltes von Suppan ein, der eine Richtigste­llung einfordert­e, da sein Mandant genanntes Gemälde entgegen den Angaben nie verkauft habe. Infolge der Artikel sei „der nicht zutreffend­e Verdacht“entstanden, „er habe mit Raubkunst gehandelt“, was „den Ruf meines Mandanten schädigen kann“. Die Autorin verwies an das Auktionsha­us. Jüngst meldete sich der pensionier­te Primar, der nach wochenlang­er Diskussion mit dem Anwalt der Galerie und einer drohenden Klage nun bat, wie folgt richtigzus­tellen. Seiner Erinnerung nach habe Martin Suppan ihm das Gemälde zwar nach Hause geliefert, aber nicht verkauft. Eine Rechnung, die Auskunft über den Verkäufer geben könnte, habe er nicht. (kron)

 ?? Foto: Christie‘s ?? „Diana im Bade“schuf Rembrandt ca. 1631, der Abzug stammt aus dem 17. Jahrhunder­t. Die Radierung war einst in der Sammlung des österreich­ischen Biedermeie­rmalers Johann Matthias Ranftl beheimatet und gelangte aus dem Nachlass ins Künstlerha­us.
Foto: Christie‘s „Diana im Bade“schuf Rembrandt ca. 1631, der Abzug stammt aus dem 17. Jahrhunder­t. Die Radierung war einst in der Sammlung des österreich­ischen Biedermeie­rmalers Johann Matthias Ranftl beheimatet und gelangte aus dem Nachlass ins Künstlerha­us.

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