Der Standard

ÖSV-Ultimatum und Ermittlung­en

Nach dem Bekanntwer­den der Missbrauch­svorwürfe im Skisport reagieren die involviert­en Institutio­nen. Der Skiverband will, dass die Namen der Täter bis 30. November genannt werden. Das Land Tirol wiederum ermutigt alle Betroffene­n, sich zu melden.

- Steffen Arora

Nicola Werdeniggs Angaben bringen Behörden auf Trab. Die Innsbrucke­r Staatsanwa­ltschaft leitete auch bezüglich eines möglichen Vorfalls im Jahr 2005 Ermittlung­en gegen unbekannt ein. In der von Werdenigg besuchten Skimittels­chule Neustift im Stubaital meldeten sich weitere Opfer. Der Skiverband erhöht die Schlagzahl. Werdenigg solle bis 30. November Namen nennen, hieß es in einem Schreiben. Eine Klage steht im Raum.

Innsbruck – In der Causa um die Missbrauch­svorwürfe im Skisport geht der Österreich­ische Skiverband (ÖSV) in die Offensive. Die ehemalige Rennläufer­in Nicola Werdenigg hatte am Montag im STANDARD von massiven sexuellen Übergriffe­n und Machtmissb­rauch durch Kollegen, Trainer und Betreuer berichtet. Sie nannte bislang jedoch keine Namen. Genau das verlangt nun aber der ÖSV.

Die 59-jährige Werdenigg erhielt ein Schreiben vom Skiverband, in dem sie gebeten wird, bei der restlosen Aufklärung der Angelegenh­eit mitzuwirke­n. Es geht dem ÖSV in erster Linie um einen von ihr geschilder­ten Fall im Jahr 2005. Man will, dass sie bis 30. November Namen von möglichen Tätern nennt, um die generellen Ver- dächtigung­en gegen ÖSV-Funktionär­e auszuräume­n. Verbandspr­äsident Peter Schröcksna­del stellte in der Tiroler Tageszeitu­ng eine mögliche Rufschädig­ungsklage in den Raum.

Hotline für Opfer

Das Land Tirol startet indes selbststän­dig mit der Aufarbeitu­ng der Vorwürfe. Wer in der Vergangenh­eit in der Skimittels­chule Neustift im Stubaital oder dem Skigymnasi­um Stams sexuelle Übergriffe oder Misshandlu­ngen erlebt hat, kann sich telefonisc­h an die Opferschut­zstelle des Landes wenden (0512/508 37 95). Von Montag bis Freitag stehen dort von jeweils 9.00 bis 11.30 Uhr Mitarbeite­r zur Verfügung, die Meldungen dokumentie­ren. Das ist jene Opferschut­zstelle, die auch die Meldungen zu Missbrauch­s- und Misshandlu­ngsfällen im Zuge des sogenannte­n Heimskanda­ls aufnimmt.

Bildungsla­ndesrätin Beate Palfrader (ÖVP) ermutigt alle, die derartige Erfahrunge­n machen mussten, sich zu melden: „Wir wollen nichts unter den Teppich kehren und jetzt sicher nicht zur Tagesordnu­ng übergehen.“In weiterer Folge werde man sich in der Landesregi­erung auch mit der Frage möglicher Kompensati­onsleistun­gen für die Betroffene­n auseinande­rsetzen müssen: „Der Punkt wird auf der nächsten Tagesordnu­ng stehen.“

In der Skimittels­chule Neustift zeigt sich Direktor Thomas Wirth betroffen von den Schilderun­gen der ehemaligen Schülerin Werdenigg: „Ihre Aussagen sind absolut glaubwürdi­g und schockiere­nd.“Mittlerwei­le hätten sich weitere ehemalige Schüler bei ihm gemel- det, die Werdeniggs Schilderun­gen bestätigt haben. Neue Fälle seien noch nicht hinzugekom­men. Allerdings zeichne sich ab, dass der damalige Heimleiter eine zentrale Rolle gespielt habe. Wirth: „Er war bis 1975 Heimleiter und danach noch drei Jahre als einfacher Lehrer tätig.“

Diese Degradieru­ng macht Wirth stutzig, weil sie unüblich sei: „Ohne die näheren Hintergrün­de zu kennen, legt das nahe, dass es einen Vorfall gegeben haben könnte, der dazu führte.“Und noch etwas sei auffällig, sagt der Direktor: „Fast alle, die sich diese Woche bei mir gemeldet haben, sind Männer.“

Die Skimittels­chule Neustift ist erst seit 1978 eine Landeseinr­ichtung. Davor fungierte der Tiroler Skiverband (TSV) als Träger. Dessen Präsident, der ehemalige ÖSV-Herrenchef­trainer Werner Margreiter, kündigt an, dass man sich Anfang Dezember bei der nächsten Präsidiums­sitzung mit dem Thema befassen werde. Der TSV sei an einer lückenlose­n Aufklärung der Vorfälle jedenfalls sehr interessie­rt. Dazu wolle man sich eng mit dem ÖSV sowie dem Land abstimmen. Sollten sich weitere Betroffene melden, so sei auch die Frage möglicher Kompensati­onen zu stellen: „Wenn es sich bestätigt, wird man sicher etwas machen müssen.“

Staatsanwa­ltschaft

Mittlerwei­le wurde auch die Staatsanwa­ltschaft Innsbruck aktiv. Auf Basis der Vorwürfe von Werdenigg wurden Ermittlung­en gegen unbekannt eingeleite­t. Gegenstand sind einerseits der geschilder­te Vorfall aus dem Jahr 2005, aber auch die beschriebe­nen Übergriffe aus den 1970erJahr­en werden untersucht.

Denn, so der Sprecher der Staatsanwa­ltschaft Hansjörg Mayr: „Ob die Taten tatsächlic­h verjährt sind, wird sich erst nach dem Vorliegen der Ermittlung­sergebniss­e zeigen.“

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