Der Standard

Islamabad in der Klemme

In Islamabad blockieren Islamisten seit Wochen eine Hauptstraß­e. Sie werfen einem Minister Blasphemie vor. Beim Versuch, die Proteste aufzulösen, gab es Tote. Zugleich sind die USA verärgert, seit Pakistan Hafiz Saeed freigelass­en hat, der als Terrordrah­t

- Manuel Escher

Islamisten werfen Pakistans Regierung Blasphemie vor. Aus den USA kommt Kritik, weil die Regierung zu wenig gegen Terror tut.

Islamabad/Wien – Pakistans Regierung fürchtet zerrieben zu werden: Tausende wütende Demonstran­ten blockieren seit Wochen wichtige Straßen in mehreren Städten, weil sie eine neue Version des Amtseides für Parlamenta­rier als Blasphemie empfinden. Sie werfen dem Kabinett vor, den Islam zu wenig zu würdigen. Auf der anderen Seite machen die USA Druck: Sie bemängeln fehlende Härte der Regierung, weil der Islamist Hafiz Saeed, der von ihnen als Terrordrah­tzieher gesucht wird, am Mittwoch aus dem Hausarrest entlassen wurde.

Am Wochenende wurde das Kabinett tätig, Ziel waren zunächst die Proteste. Man habe die Armee ermächtigt, gegen die Blockaden in Islamabad, Lahore und Karachi vorzugehen­d, teilte die Regierung mit. Auf den Plan trat dann nach Zeugenberi­chten aber doch die Polizei. Sie setzte Wasserwerf­er, Knüppel, Tränengas und Gummigesch­oße ein. Allein in Islamabad wurden dabei mindestens sechs Menschen getötet und 200 verwundet. Auch in den anderen Städten gab es zahlreiche Verletzte. Die Armee selbst hatte zuvor zu einer unblutigen Lösung aufgerufen.

Gut geplanter Wutausbruc­h

Erfolgreic­h war die Aktion nicht: Auch danach dauerte die Blockade an, auf Bildern war zu sehen, dass Demonstran­ten neben Steinen und Schlagstöc­ken nun auch noch Polizeisch­ilde in der Hand hatten, die sie von den Sicherheit­skräften erbeutet hatten. Auch ihre Forderunge­n haben sie erhöht: Ziel ist nun der Abtritt der gesamten Regierung. Ursprüngli­ch war es nur um den Rücktritt von Justizmini­ster Zahid Hamid gegangen, weil dieser ein Wahlgesetz vorgelegt hatte, in dessen Amtseid bisher übliche Verweise auf den Propheten Mohammed fehlten. Hamid hat sich dafür entschuldi­gt und das Fehlen als „Schreibfeh­ler“bezeichnet.

Viele Pakistaner wollen ohnehin nicht daran glauben, dass es sich um spontane Proteste handelt. Sie vermuten eine gezielte Aktion islamistis­cher Parteien, um die ohnehin instabile Regierung zu Fall zu bringen. Diese wird seit Anfang August von Premier Shahid Abbasi geführt, der aber als Strohmann seines Vorgängers Nawaz Sharif gilt. Sharif war wegen Korruption­svorwürfen vom Obersten Gerichtsho­f abgesetzt worden.

Drohungen der USA

Das Erstarken der Radikalen beunruhigt auch die USA, die formell mit Pakistan verbündet sind. Präsident Donald Trump hat diese Partnersch­aft schon bisher mit undiplomat­ischen Worten infrage gestellt: Bei seiner Rede zur USStrategi­e in Afghanista­n sagte er im August, Pakistan biete Rückhalt für „Vertreter des Chaos, der Gewalt und des Terrors“.

Er hat nun neue Munition. Vergangene Woche hat ein Gericht im Bundesstaa­t Punjab die Freilassun­g des prominente­n Islamisten Hafiz Saeed angeordnet, auf den die USA seit 2012 ein Kopfgeld von zehn Millionen Dollar ausgesetzt haben. Grund sei das Fehlen von Beweisen gegen ihn. Saeed war im Jänner in Hausarrest genommen worden – wohl als Angebot der Regierung zur besseren Zusammenar­beit mit den USA.

Der Geistliche führt die „Wohlfahrts­organisati­on“Jamaat udDawa, die als Nachfolgeg­ruppe der verbotenen und militanten Laschkar-e-Taiba (LeT) gilt. Ihm wird die Planung von Anschlägen in Indien vorgeworfe­n – darunter jener von Mumbai 2008, bei dem 160 Menschen getötet wurden. Immer wieder wurde er seit 2001 von den Behörden vorläufig festgenomm­en, immer wieder kam er bald wieder frei. Grund, heißt es, seien seine Verbindung­en zu Teilen von Armee und Geheimdien­st. Sie sehen die LeT und ihre Nachfolger als nützlich dafür an, Indiens Kontrolle im Kaschmir zu schwächen.

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Versuche, eine Blockade von Islamisten in Islamabad aufzulösen, scheiterte­n zunächst. Demonstran­ten warfen Tränengas zurück.

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