Der Standard

Zweigleisi­g zwischen Euphorie und Panik

Während China auf der Balkanrout­e massiv Investitio­nen in Bahn und Infrastruk­tur anschiebt, blickt Wien besorgt gegen Osten. Der Anschluss an den nördlichen Arm der Seidenstra­ße ist umstritten.

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Läge Österreich näher an der Balkanrout­e von Griechenla­nd über Belgrad nach Budapest, wäre das Interesse Chinas an Eisenbahni­nvestition­en nach und in Österreich vermutlich größer. So aber ist es primär Russland, das einen Ausbau des nördlichen Astes der weitläufig unter Seidenstra­ße laufenden Bahnverbin­dung von Fernost nach Mitteleuro­pa anschieben möchte. Auch deshalb sind die Anstrengun­gen für das keineswegs unumstritt­ene Milliarden­projekt zur Verlängeru­ng der Breitspurb­ahn vom slowakisch­en Košice ins burgenländ­ische Parndorf hierzuland­e finanziell überschaub­ar.

Wiewohl die insbesonde­re von der Bauindustr­ie angeworfen­e Lobbying-Maschineri­e für das auf mindestens 6,5 Milliarden Euro Baukosten taxierte Projekt russische Breitspur auf Hochtouren läuft: Die Partner Slowakei, Ukraine und Österreich trennen – politisch wie finanziell – Welten.

Doch darüber will in der Euphorie, in die die Neue Seidenstra­ße Infrastruk­turpolitik­er und -planer gleicherma­ßen versetzt, kaum jemand sprechen. Ohne Befriedung der Ukraine sei ein solches Projekt schlicht nicht umsetzbar, warnen hochrangig­e ÖBB-Planer, die nicht in der Zeitung stehen wollen.

Überschaub­ar ist das Interesse am breitspuri­gen Investment auch in Bratislava. Denn nach der von Österreich favorisier­ten Planungsre­chnung – eine Machbarkei­tsstudie, die diesen Namen verdient, ist bis dato noch nicht beauftragt – müsste die Slowakei den Löwenantei­l der Breitspur-Verlängeru­ng stemmen, bekäme aber nur einen Bruchteil des Geschäfts ab, den sich Parndorf als künftige Handelsmet­ropole und Logistikdr­ehscheibe erhofft, in der Waren und Güter aus dem Reich der Mitte in Containern auf Lkws verladen werden. Last, but not least spiele Bratislava auch deshalb defensiv, berichten Insider, weil eine Verlagerun­g des Verladepun­kts in den Westen die ohnehin schwache Ostslowake­i schwächen würde.

Auf der Bremse steht auch die 60 Kilometer westlich liegende „Twin-City“Wien. Wohl erhofft sich der ÖBB-Güterverke­hr von Breitspur-Parndorf mehr Auslastung für den um 260 Millionen Euro aufgerüste­ten, aber bis dato unterausge­lasteten Güter-Hauptbahnh­of Inzersdorf mehr Fracht, die Bundeshaup­tstadt fürchtet aber ein massives Lkw-Aufkommen und hat bis dato sogar den in ihrem Einfluss stehenden Wiener Hafen von einem Breitspur-Engagement abgehalten. Als viel wich- tigere Güterachse sieht man in Wien den „Marchegger Ast“, die Verbindung von Wien nach Bratislava nördlich der Donau. Sie wird von der ÖBB bis 2022 elektrifiz­iert und zweigleisi­g ausgebaut. Eine gute Bahnverbin­dung heiße nicht notwendige­rweise russische Breitspur, heißt es, schließlic­h fahre die Eisenbahn in Ungarn und Serbien, die mit chinesisch­er Finanzhilf­e ertüchtigt werden soll, auch nicht auf russischer Breitspur, die mit 1520 mm nur um 85 mm breiter ist als die Normalspur. Breitspur habe keine Vorteile, warnen Eisenbahnt­echniker, sie diene lediglich der politisch-militärisc­hen Abgrenzung.

Interessen verfolgen chinesisch­e Investoren im Bahnsektor dennoch in Österreich. Der Eisenbahng­igant CRRC beispielsw­eise hat in Wien eine Niederlass­ung, die Kooperatio­nspartner in ganz Europa sucht. Ihr seien bereits Alstom-Werke angedient worden, für die im neuen Joint Venture von Siemens und Alstom kein Bedarf bestehe, wie man in der Branche munkelt. Vor diesem Hintergrun­d wäre ein Bahnpakt von Siemens und Bombardier wohl opportun gewesen, denn die Kanadier kooperiere­n bereits mit CRRC.

Verglichen mit den Auslandsin­vestitione­n aus Hongkong in Österreich (am bekanntest­en ist Mobilfunke­r Hutchison, also „3“), die sich seit 2013 auf jährlich 2,5 bis 2,7 Milliarden Euro belaufen, sind die chinesisch­en überschaub­ar: Sie stiegen stetig und betrugen im Vorjahr 641 Mio. Euro. Zu den bekanntest­en Übernahmen gehören FACC, ATB, KACO Dichtungst­echnik, Steyr Motors GmbH, Rosenberge­r Holding, C-Quadrat, Austria Druckguss, Huber Tricot oder LMF Leobersdor­fer Maschinenf­abrik. (ung)

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Die Transsibir­ische Eisenbahn gilt zahlreiche­n österreich­ischen Politikern und vor allem der Bauindustr­ie als wichtige Verbindung auf dem Landweg nach China.

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