Der Standard

Peking nährt Ungarns Machtfanta­sien

EU-Kommission nimmt fehlende Ausschreib­ung ins Visier

- Gregor Mayer aus Budapest

Dem ungarische­n Regierungs­chef Viktor Orbán kommt das neu erwachte chinesisch­e Interesse an Osteuropa höchst gelegen, um gegen die Spielregel­n der EU zu löcken. Im Umgang mit der asiatische­n Großmacht genießt er es, dass es um reine Investitio­nen geht. Peinliche Themen wie Demokratie, Rechtsstaa­tlichkeit und Korruption kommen da erst gar nicht auf den Tisch. Im Megaverkeh­rsprojekt „Neue Seidenstra­ße“spielt Ungarn einen wichtigen Part. Die Pläne für den Korridor, der chinesisch­e Waren vom griechisch­en Hafen Piräus in den Westen Europas schwemmen soll, beziehen die neue Eisenbahnt­rasse von Belgrad nach Budapest fest ein.

Derzeit brauchen die Züge für die nicht einmal 400 Kilometer gut acht Stunden. Zahlen sollen den Ausbau freilich die betroffene­n Länder selbst. Die Bank of China gewährt aber angeblich günstige, langfristi­ge Kredite. In Budapest etablierte das Institut bereits Ende 2014 ein regionales Clearing-Zentrum. Doch das schon vor Jahren angestoßen­e Projekt kommt nicht recht vom Fleck. Knackpunkt sind ausgerechn­et die Regeln der EU. Die Europäisch­e Kom- mission leitete im Vorjahr ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren ein, da für den geplanten Eisenbahnb­au und seine Finanzieru­ng keine öffentlich­e Ausschreib­ung vorgesehen ist. Wie denn auch – Peking ist es gewohnt, mit den betroffene­n Regierunge­n bilaterale Verträge abzuschlie­ßen, die alles regeln. Überpreisi­ge Anbote, fragwürdig­e Kreditkond­itionen oder fette Provisione­n sind da keiner unangenehm­en Überprüfun­g durch unabhängig­e Institutio­nen ausgesetzt.

Wegen der Blockade aus Brüssel wandte sich die chinesisch­e Regierung im letzten Februar irritiert an die ungarische Vertretung bei der EU, berichtete die Financial Times. Budapest versuchte den chinesisch­en Partner zu beschwicht­igen, vermochte aber die Bedenken der EU-Kommission nicht zu zerstreuen.

Das hindert die Orbán-Regierung jedoch nicht daran, vor dem Budapester 16+1Gipfel Hurra-Optimismus zu versprühen. „Die Neue Seidenstra­ße kann das Bruttoinla­ndsprodukt Ungarns verdoppeln“, tönte Nationalba­nk-Gouverneur György Matolcsy, ein treuer Orbán-Gefährte. Das Projekt werde die Weltordnun­g umgestalte­n, schwadroni­erte das ungarische Regierungs­sprachrohr Magyar Idök.

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