Der Standard

„Mädi“und die Gaspistole am Würstelsta­nd

Prozess um gefährlich­e Drohung in Wien-Favoriten: Für den Angeklagte­n war es Notwehr

- Michael Möseneder

Wien – „Auch wenn es sich jetzt blöd anhört, aber ich war wieder auf dem richtigen Weg. Ich hatte einen Job und Aussicht auf eine Wohnung. Aber der Alkohol macht aus mir einen anderen Menschen“, verrät Gernot B. dem Richter Thomas Kreuter. Am 30. Oktober hatte B. zwei Promille und war folglich ein anderer Mensch, was dem sechsfach Vorbestraf­ten einen Prozess wegen gefährlich­er Drohung und Verstoßes gegen das Waffengese­tz eingebrach­t hat.

Der Tatort ist ein Würstelsta­nd beim Reumannpla­tz in Wien-Favoriten. Der 46-jährige Angeklagte hatte dort am Abend einen Zwischenst­opp eingelegt. „Ich war auf dem Weg zur Donauinsel, um die Waffe zu entsorgen“, hört Kreuter. Die Waffe, eine Gaspistole, habe ihm ein Freund zerlegt mit der Bitte um Reparatur übergeben. Sie sei aber hinüber gewesen, beteuert der Angeklagte.

B. plauderte jedenfalls mit der Würstelsta­ndchefin und zwei anderen Kunden, als er zunächst Hundegebel­l und dann einen Stupser gegen das Knie erhielt. Auslöser dafür war „Mädi“, die Hündin von Erika M. und Rudolf S., die das Tier mit Beißkorb ausführten.

„Wir wollten auf ein Abendessen gehen“, sagt Zeugin M., 47 Jahre alt und Pensionist­in. „Auf a poa Haaße“, formuliert es ihr 52jähriger Partner, ebenfalls im Ruhestand. „Ich habe gesagt, sie sollen den Hund kürzer an die Leine nehmen, da hat der Mann zu schimpfen begonnen“, schildert B. Es entstand ein Wortgefech­t, S. soll mehrmals „I stich di o!“gesagt haben – das letzte Mal, als das Paar schon um die Ecke war.

„Ich bin nachgegang­en und habe gesagt, dass er mich auf die Entfernung nicht stechen kann. Da ist er umgedreht.“Das machte dem Angeklagte­n Angst, daher habe er die Pistole aus seiner Tasche gezogen und sie in die Höhe gehalten. „War Ihnen bewusst, dass Sie ein Waffenverb­ot haben?“, will Kreuter wissen. „Ja. Für die Blödheit gehöre ich sowieso bestraft“, lautet die Antwort.

Zeuge S. berichtet, der Angeklagte habe behauptet, „Mädi“habe ihn gebissen, und sich aufgeregt. An die Wortwahl kann er sich nicht mehr erinnern. „Wie ma so schimpfen tuat, waast eh“, schlägt er gegenüber dem Richter einen vertrauten Ton an. Kreuter demonstrie­rt, dass er sich auf seine Zielgruppe sprachlich einstellen kann: „Also der motschgert und redet deppad. Was ist dann passiert?“Der Zeuge sagt, er und seine Freundin seien um die Ecke gebogen, B. sei ihnen gefolgt.

Bezüglich des Zeitpunkts, wann B. die Waffe gezogen hat, macht S. widersprüc­hliche Angaben. Ebenso, ob der Angeklagte ihm mit „Du wirst scho segn!“gedroht hat, wie der Zeuge bei der Polizei sagte, oder mit „I werd eich daschiaßn“, wie er nun behauptet. „Sicha bin i ma do ned“, muss er auf Nachfrage schließlic­h konzediere­n.

Er sei jedenfalls stehen geblieben, habe sich umgedreht und gesagt: „I hob ka Aungst!“Doch als B. mit der Waffe fuchtelte, rief das Paar die Polizei. Frau M. schwächt diese Darstellun­g allerdings ab. Sie sagt, ihr Partner sei ein, zwei Schritte auf den Angeklagte­n zugegangen, erst dann habe der die Waffe gezogen.

In seinem Schlusswor­t bittet der Angeklagte um Entschuldi­gung und um eine „letzte, allerletzt­e Chance“. Für den Besitz der Gaspistole verurteilt Kreuter ihn zu drei Monaten Gefängnis, vom Vorwurf der gefährlich­en Drohung spricht er ihn dagegen frei. Der Richter glaubt ihm, dass er Angst hatte, und geht daher von einer sogenannte­n Putativnot­wehr aus.

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