„Mädi“und die Gaspistole am Würstelstand
Prozess um gefährliche Drohung in Wien-Favoriten: Für den Angeklagten war es Notwehr
Wien – „Auch wenn es sich jetzt blöd anhört, aber ich war wieder auf dem richtigen Weg. Ich hatte einen Job und Aussicht auf eine Wohnung. Aber der Alkohol macht aus mir einen anderen Menschen“, verrät Gernot B. dem Richter Thomas Kreuter. Am 30. Oktober hatte B. zwei Promille und war folglich ein anderer Mensch, was dem sechsfach Vorbestraften einen Prozess wegen gefährlicher Drohung und Verstoßes gegen das Waffengesetz eingebracht hat.
Der Tatort ist ein Würstelstand beim Reumannplatz in Wien-Favoriten. Der 46-jährige Angeklagte hatte dort am Abend einen Zwischenstopp eingelegt. „Ich war auf dem Weg zur Donauinsel, um die Waffe zu entsorgen“, hört Kreuter. Die Waffe, eine Gaspistole, habe ihm ein Freund zerlegt mit der Bitte um Reparatur übergeben. Sie sei aber hinüber gewesen, beteuert der Angeklagte.
B. plauderte jedenfalls mit der Würstelstandchefin und zwei anderen Kunden, als er zunächst Hundegebell und dann einen Stupser gegen das Knie erhielt. Auslöser dafür war „Mädi“, die Hündin von Erika M. und Rudolf S., die das Tier mit Beißkorb ausführten.
„Wir wollten auf ein Abendessen gehen“, sagt Zeugin M., 47 Jahre alt und Pensionistin. „Auf a poa Haaße“, formuliert es ihr 52jähriger Partner, ebenfalls im Ruhestand. „Ich habe gesagt, sie sollen den Hund kürzer an die Leine nehmen, da hat der Mann zu schimpfen begonnen“, schildert B. Es entstand ein Wortgefecht, S. soll mehrmals „I stich di o!“gesagt haben – das letzte Mal, als das Paar schon um die Ecke war.
„Ich bin nachgegangen und habe gesagt, dass er mich auf die Entfernung nicht stechen kann. Da ist er umgedreht.“Das machte dem Angeklagten Angst, daher habe er die Pistole aus seiner Tasche gezogen und sie in die Höhe gehalten. „War Ihnen bewusst, dass Sie ein Waffenverbot haben?“, will Kreuter wissen. „Ja. Für die Blödheit gehöre ich sowieso bestraft“, lautet die Antwort.
Zeuge S. berichtet, der Angeklagte habe behauptet, „Mädi“habe ihn gebissen, und sich aufgeregt. An die Wortwahl kann er sich nicht mehr erinnern. „Wie ma so schimpfen tuat, waast eh“, schlägt er gegenüber dem Richter einen vertrauten Ton an. Kreuter demonstriert, dass er sich auf seine Zielgruppe sprachlich einstellen kann: „Also der motschgert und redet deppad. Was ist dann passiert?“Der Zeuge sagt, er und seine Freundin seien um die Ecke gebogen, B. sei ihnen gefolgt.
Bezüglich des Zeitpunkts, wann B. die Waffe gezogen hat, macht S. widersprüchliche Angaben. Ebenso, ob der Angeklagte ihm mit „Du wirst scho segn!“gedroht hat, wie der Zeuge bei der Polizei sagte, oder mit „I werd eich daschiaßn“, wie er nun behauptet. „Sicha bin i ma do ned“, muss er auf Nachfrage schließlich konzedieren.
Er sei jedenfalls stehen geblieben, habe sich umgedreht und gesagt: „I hob ka Aungst!“Doch als B. mit der Waffe fuchtelte, rief das Paar die Polizei. Frau M. schwächt diese Darstellung allerdings ab. Sie sagt, ihr Partner sei ein, zwei Schritte auf den Angeklagten zugegangen, erst dann habe der die Waffe gezogen.
In seinem Schlusswort bittet der Angeklagte um Entschuldigung und um eine „letzte, allerletzte Chance“. Für den Besitz der Gaspistole verurteilt Kreuter ihn zu drei Monaten Gefängnis, vom Vorwurf der gefährlichen Drohung spricht er ihn dagegen frei. Der Richter glaubt ihm, dass er Angst hatte, und geht daher von einer sogenannten Putativnotwehr aus.