Der Standard

Tausend Jahre sind ein Tag

Volkstheat­er: „Der Lechner Edi schaut ins Paradies“

- Margarete Affenzelle­r

Wien – Dr. Galvani (Adrian Hildebrand­t), ein lockiger Herr in Pumphosen (1737–1798), schickt sich an, mithilfe von Froschsche­nkelexperi­menten die Elektrizit­ät zu erfinden. Aber einer hat etwas dagegen: der Lechner Edi (Thomas Frank). Denn der wurde knapp dreihunder­t Jahre später aufgrund von elektrisch betriebene­n Maschinen arbeitslos. Also macht er sich mit Freundin Fritzi (Evi Kehrstepha­n) und seinem ehemaligen Kumpel, dem inzwischen ebenso ausrangier­ten Motor namens Pepi (Christoph Theussl), auf eine Reise in die Vergangenh­eit, um schlimmste­n Erfindunge­n vorzubeuge­n. Dass sie da bis zu Adam und Eva gelangen, ist nur konsequent.

Das grobschläc­htige Zaubermärc­hen von Jura Soyfer, Der Lechner Edi schaut ins Paradies, geschriebe­n unter dem Eindruck der Weltwirtsc­haftskrise der 1930er-Jahre, nimmt Regisseuri­n Christine Eder auf fabelhafte Weise in Betrieb. Anstatt kleinkräme­risch um Aktualisie­rungen zu ringen (z. B. Digitalisi­erung), schlägt sie einen Retrokurs ein (Pepi als Roboter mit viereckige­m Kartonkopf), siedelt aber zugleich den Ausgangspu­nkt in der nahen Zukunft an: 2018, wenn der Arbeitslos­enstatus mit einem positiv besetzten Modell des joblosen Lebens einhergehe­n könnte. Stichwort: Arbeiten reicht eh nicht mehr, um die Miete zu zahlen.

Es sind die charmantes­ten, ehrlichste­n und lebendigst­en 55 Minuten Theater, die es aktuell in Wien zu sehen gibt: Der Lowtech- Abend tourt als Volkstheat­erprodukti­on nun durch die Bezirke.

Mit bescheiden­en Kunststück­en versuchen die Arbeitslos­en vor einem Verschlag aus maroden Liegestühl­en und Maschendra­htzaun (Bühne: Monika Rovan) Almosen bei den Zuschauern zu verdienen. Edi nimmt bei Siegfried und Roy Maß, hat statt weißer Löwen aber nur eine Postfuchss­pardose zur Verfügung.

So entwickelt sich ein feurig beklatscht­es Theater-Roadmovie, dessen Betteltros­s auf herzzerrei­ßend niedrigem Sci-Fi-Niveau durch die Jahrhunder­te prescht. Der Soundtrack, für den einst die Schmetterl­inge schmerzhaf­t kantige Melodien komponiert­en, kommt aus der Popkultur: Udo Jürgens, Zurück in die Zukunft. Das alles zusammen geht rein wie Öl.

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Foto: Lupispuma/Volkstheat­er Auf Retrokurs durch die Jahrhunder­te: Thomas Frank.

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