Der Standard

Zeit für Programmwe­chsel

- Birgit Baumann

Die deutsche Politik, die ganz reale, konnte in der vergangene­n Woche mit jeder Politserie im Fernsehen mithalten. Jeden Tag was Neues, jeden Tag ein Cliffhange­r. Rasend schnell ging die Entwicklun­g bei der SPD: Parteichef Martin Schulz brauchte vom „Nein, wir helfen Angela Merkel nicht aus der Patsche“zum „Na gut, wenn der Bundespräs­ident so drängt, dann sind wir zu Gesprächen über eine neue große Koalition bereit“nur fünf Tage.

Das war ein großer Schritt für ihn, denn eigentlich hatte er sich am Tag der verlorenen Bundestags­wahl (24. September) schon um 18.05 Uhr im Opposition­seck eingemauer­t. Es ist gut und richtig, dass die Genossen aus diesem wieder herausgefu­nden haben und jetzt reden wollen.

Doch diese Bereitscha­ft ist längst noch nicht die halbe Miete. Es bleibt schwierig, beziehungs­weise es könnte noch mühsamer werden. Natürlich wollen sich die Sozialdemo­kraten jetzt nicht billig verkaufen und schreiben bereits jede Menge Forderunge­n auf den weihnachtl­ichen Wunschzett­el. Eine Rute im Fenster gibt es auch schon: die Mitglieder­befragung in der SPD.

Stimmt die Basis nicht zu, gibt es keine neue GroKo. Da weiß Kanzlerin Angela Merkel natürlich, was es geschlagen hat. Sie muss den Sack gut füllen, sonst läuft ihr, wie schon zuvor die FDP, auch noch die SPD davon.

Anderersei­ts: Die Union lag bei der Bundestags­wahl noch immer 13 Punkte vor der SPD. Wenn die sozialdemo­kratische Ministerpr­äsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, nun meint, Merkel sei nicht in der Lage, Bedingunge­n zu stellen, dann erinnert das an den Glauben an den Weihnachts­mann. Dass Merkel und die Union sich bereiterkl­ären, quasi bei einer SPD-Alleinregi­erung mitzumache­n und Schulz vielleicht auch gleich das Kanzleramt überlassen, ist wohl eher nicht zu erwarten.

Überspannt die SPD den Bogen, könnte es immer noch zu einer Minderheit­sregierung kommen oder Neuwahlen geben. Mitnichten ist die große Koalition so alternativ­los, dass sich Merkel jetzt völlig nackig machen muss.

Zunächst wäre alles recht einfach: Es gibt drei Partner – CDU, CSU und SPD. Und diese müssen, um zu einem tragfähige­n Ergebnis zu kommen, Kompromiss­e machen. Das bedeutet, dass jeder wird nachgeben müssen und dass jeder dem anderen etwas gönnen sollte. Vom Misslingen und Scheitern von Sondierung­en haben die Deutschen jetzt genug gesehen. Es ist Zeit für einen Programmwe­chsel.

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