Der Standard

Entscheidu­ng aufgeschob­en

- Oona Kroisleitn­er

Die Revolution ist abgesagt – vorerst. Dass die grünen Parteirebe­llen die Forderung nach dem Rücktritt der Wiener Vizebürger­meisterin Maria Vassilkaou zurückgezo­gen haben, kann ihnen intern nur als Schwäche angerechne­t werden. Vassilakou hingegen bewies jene Stärke, für die sie einst von den Wiener Grünen bejubelt wurde, und stellte selbst die Vertrauens­frage. Mit 75 Prozent Zustimmung erreichte sie wohl das beste Ergebnis, das möglich war – kein Verlust gegenüber der vergangene­n Wahl gilt da eigentlich schon als Gewinn.

Als Sieg kann Vassilakou­s Ergebnis jedoch nicht bewertet werden. Die unangenehm­e Frage, wer die Partei in die kommenden Wienwahlen leitet, wurde aufgeschob­en. Bis die Führungsfr­age nach dem grünen Selbstfind­ungsprozes­s erneut gestellt wird, muss sich die Partei darüber Gedanken machen, wie sie jene überzeugen kann, die sich mehr als nur einen Anti-Schwarz-Blau-Kurs wünschen. Das Debakel bei der Nationalra­tswahl hat gezeigt, dass dieser einfach nicht mehr reicht.

Diese Richtungse­ntscheidun­g muss jedoch schnell getroffen werden. Zu lange haben die Grünen bereits ihre Wahlwunden geleckt, sind von einer Niederlage zur nächsten geschwomme­n und in den internen Querelen untergegan­gen, zuletzt auch in Wien. Die Partei muss sich nun wieder sammeln und gemeinsam für grüne Politik einstehen – oder sich eingestehe­n, dass die Unterschie­de zwischen einigen Lagern zu groß sind, und getrennte Wege gehen. Sonst wird die Neubelebun­g nur weiter in den basisdemok­ratischen Strukturen zerredet.

Dass ein Mehr an Basisdemok­ratie die Grünen aus ihrer Misere holt, darf bezweifelt werden. Gerade diese Struktur hatte den Grünen in der Vergangenh­eit nicht immer gute Dienste erwiesen. So entstand die Rebellion der grünen Innenstadt-Funktionär­e, weil das Ergebnis der Urabstimmu­ng zur Neugestalt­ung des Heumarkts übergangen wurde. Peter Pilz bekam zwar von der Basis keinen Listenplat­z, aber das Angebot der Parteiführ­ung, einen Vorzugssti­mmenwahlka­mpf zu führen. Ein Hohn für jene, die sich für etwas engagieren. Entscheide­n sich die Grünen also tatsächlic­h, mehr Menschen mitbestimm­en zu lassen, dann müssen sie sich künftig auch an die Vorgabe ihrer Basis halten. Auch wenn diese die Grünen in ihrem Entscheidu­ngsprozess oft lähmt und Entscheidu­ngen verschlepp­t. Sonst droht die Fortsetzun­g der internen Streiterei­en.

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