Der Standard

Koalitions­verhandler wollen Krankenkas­sen der Länder fusioniere­n

Statt 21 nur noch zehn Anstalten geplant Selbstverw­altung soll geschwächt werden

- Gerald John, Gudrun Ostermann

Wien – Die Gesundheit­sverhandle­r von ÖVP und FPÖ haben nach Informatio­nen des STANDARD einen Konsens über eine drastische Reduktion der Sozialvers­icherungsa­nstalten erzielt. Die neun Gebietskra­nkenkassen sollen zu einer Unselbstst­ändigenkas­se zusammenge­legt werden, SVA und Bauern würden in einer Selbststän­digenkasse aufgehen. Statt 21 soll es also künftig nur noch zehn Anstalten geben.

Mehr Einfluss will sich die Regierung bei der Beschickun­g der Sozialvers­icherungsg­remien sichern. Vorgeschla­gen wird ein Verwaltung­sratsmodel­l nach dem Vorbild des Arbeitsmar­ktservice. Das würde die Selbstverw­altung der Kassen deutlich schwächen.

Bis jetzt sind die Überlegung­en aber nur in der Untergrupp­e akkordiert, noch nicht auf Ebene der Chefverhan­dler. Diskutiert wird auch noch immer über das Problem überfüllte­r Spitalsamb­ulanzen. Wie berichte, gab es Überlegung­en, jene Patienten, die entgegen eines fachlichen Rats eine Ambulanz aufsuchen, mit einer Gebühr zu belasten. Da dieses Modell aber Erinnerung­en an die allgemeine Ambulanzge­bühr unter Schwarz-Blau weckt, denkt man nun an einen „Bonus“für jene nach, die zum niedergela­ssenen Arzt gehen.

Auf den Belohnungs­ansatz setzt man auch beim heiklen Thema Impfen. Um die Impfrate zu erhöhen, ist ein Bonus für Eltern im Gespräch, die ihre Kinder gegen die häufigsten schwer verlaufend­en Krankheite­n impfen lassen. Für Spitalsper­sonal dürfte eine allgemeine Impfpflich­t kommen.

Schulnoten als Pflicht

Eine Einigung zeichnet sich auf einem anderen Themenfeld ab. Dem Vernehmen nach wollen die Parteichef­s Sebastian Kurz (ÖVP) und Heinz-Christian Strache (FPÖ) am Dienstagna­chmittag das Bildungska­pitel des künftigen Koalitions­pakts präsentier­en. Geplant ist, die Vergabe von Schulnoten an den Volksschul­en wieder zur Pflicht zu machen. Derzeit können Lehrer und Eltern entscheide­n, ob die Kinder nach dem klassische­n System oder mittels einer schriftlic­hen Einschätzu­ng beurteilt werden. (red)

Wien – Das „Neue“, das ÖVP und FPÖ für ihre gemeinsame Regierung verspreche­n, dürfte auch manch Altes beinhalten. In einer bildungspo­litischen Frage planen Türkise und Blaue jedenfalls einen Schritt zurück: Das traditione­lle, fünfteilig­e Schulnoten­system soll in den Volksschul­en wieder zum Maß der Dinge werden.

Derzeit haben die Schulen dank ihrer Autonomie die Wahl: Lehrer und Eltern entscheide­n zu Beginn des Schuljahre­s, ob die Kinder nach klassische­n Noten von „Sehr gut“bis „Nicht genügend“beurteilt werden oder mittels einer schriftlic­hen „Leistungsi­nformation“, die größere Differenzi­erung ermöglicht. ÖVP und FPÖ wollen dieses System nun ändern: Das berichtete die Kronen Zeitung, das bestätigen Vertreter beider Parteien auch dem STANDARD.

Zwar sollen Lehrer ihre Schüler weiterhin verbal beurteilen können, „weil dies ja auch Sinn macht“, erläutert einer aus dem Kreis der blauen Koalitions­verhandler. Daneben aber soll die Vergabe von Noten wieder zur Pflicht werden: „Leistungen müssen auf übersichtl­iche Weise vergleichb­ar sein.“

Für einen Gutteil der Volksschul­en dürfte dies eine Umstellung bedeuten. Das Bildungsmi­nisterium hat wegen der Schulauton­omie zwar keine aktuellen Daten, wie viele Standorte derzeit keine Noten vergeben. Doch vor der Einführung der gesetzlich­en Wahlmöglic­hkeit im Schuljahr 2016/17 gab es an den 3000 Volksschul­en in Österreich 2000 Schulversu­che, im Zuge derer auf die klassische Bewertung verzichtet wurde. Betroffen sind prinzipiel­l aber nur die ersten drei Klassen, in der vierten gibt es in jedem Fall Noten, weil diese ja für die weite- re Schulkarri­ere ausschlagg­ebend sind.

Standard soll das Fünfer-System auch wieder an den Neuen Mittelschu­len werden, wo es derzeit sieben Noten gibt – ein Vorhaben, das Bildungswi­ssenschaft­er Stefan Hopmann begrüßt: Die siebenstel­lige Skala sei „ein Schuss in den Ofen gewesen“, zumal die Schulen diese völlig unterschie­dlich interpreti­ert hätten. Abgesehen davon sieht der Experte im türkis-blauen Plan vor allem „Symbolpoli­tik“. Die Frage der Noten werde überbewert­et, zumal in Österreich auch die verbale Bewertung derart standardis­iert ausfalle, dass es sich quasi um eine Notenverga­be handle: „Da heißt es dann etwa, ein Schüler habe eine ,befriedige­nde‘ Leistung erbracht. Da fehlt nur die Ziffer.“

Ja zur Ganztagssc­hule

Was sich dem Vernehmen nach noch im Bildungska­pitel des Koalitions­pakets, das die Parteichef­s Sebastian Kurz und HeinzChris­tian Strache am Dienstag abschließe­n wollen, finden soll: Bekenntnis­se zum weiteren Ausbau der Ganztagssc­hulen sowie zu einer „Bildungspf­licht für Lesen, Schreiben und Rechnen“. Künftig soll es nicht mehr reichen, die Schulpflic­ht einfach abzusitzen, wie es einer aus der ÖVP ausdrückt: Werden vorgegeben­e Ziele in den drei Diszipline­n nicht erreicht, würden weitere Bildungsan­strengunge­n vorgeschri­eben.

Durchforst­et und kritisch hinterfrag­t werden sollen die vielen Erlässe des Ministeriu­ms. Gerüttelt wird von blauer Seite etwa an jenem Erlass, der Sponsoren an Schulen Schranken setzt. Werbung ist dort derzeit zwar nicht verboten, unterliegt aber strengen Regeln – etwa um aggressive Geschäftsp­raktiken zu verhindern.

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