Koalitionsverhandler wollen Krankenkassen der Länder fusionieren
Statt 21 nur noch zehn Anstalten geplant Selbstverwaltung soll geschwächt werden
Wien – Die Gesundheitsverhandler von ÖVP und FPÖ haben nach Informationen des STANDARD einen Konsens über eine drastische Reduktion der Sozialversicherungsanstalten erzielt. Die neun Gebietskrankenkassen sollen zu einer Unselbstständigenkasse zusammengelegt werden, SVA und Bauern würden in einer Selbstständigenkasse aufgehen. Statt 21 soll es also künftig nur noch zehn Anstalten geben.
Mehr Einfluss will sich die Regierung bei der Beschickung der Sozialversicherungsgremien sichern. Vorgeschlagen wird ein Verwaltungsratsmodell nach dem Vorbild des Arbeitsmarktservice. Das würde die Selbstverwaltung der Kassen deutlich schwächen.
Bis jetzt sind die Überlegungen aber nur in der Untergruppe akkordiert, noch nicht auf Ebene der Chefverhandler. Diskutiert wird auch noch immer über das Problem überfüllter Spitalsambulanzen. Wie berichte, gab es Überlegungen, jene Patienten, die entgegen eines fachlichen Rats eine Ambulanz aufsuchen, mit einer Gebühr zu belasten. Da dieses Modell aber Erinnerungen an die allgemeine Ambulanzgebühr unter Schwarz-Blau weckt, denkt man nun an einen „Bonus“für jene nach, die zum niedergelassenen Arzt gehen.
Auf den Belohnungsansatz setzt man auch beim heiklen Thema Impfen. Um die Impfrate zu erhöhen, ist ein Bonus für Eltern im Gespräch, die ihre Kinder gegen die häufigsten schwer verlaufenden Krankheiten impfen lassen. Für Spitalspersonal dürfte eine allgemeine Impfpflicht kommen.
Schulnoten als Pflicht
Eine Einigung zeichnet sich auf einem anderen Themenfeld ab. Dem Vernehmen nach wollen die Parteichefs Sebastian Kurz (ÖVP) und Heinz-Christian Strache (FPÖ) am Dienstagnachmittag das Bildungskapitel des künftigen Koalitionspakts präsentieren. Geplant ist, die Vergabe von Schulnoten an den Volksschulen wieder zur Pflicht zu machen. Derzeit können Lehrer und Eltern entscheiden, ob die Kinder nach dem klassischen System oder mittels einer schriftlichen Einschätzung beurteilt werden. (red)
Wien – Das „Neue“, das ÖVP und FPÖ für ihre gemeinsame Regierung versprechen, dürfte auch manch Altes beinhalten. In einer bildungspolitischen Frage planen Türkise und Blaue jedenfalls einen Schritt zurück: Das traditionelle, fünfteilige Schulnotensystem soll in den Volksschulen wieder zum Maß der Dinge werden.
Derzeit haben die Schulen dank ihrer Autonomie die Wahl: Lehrer und Eltern entscheiden zu Beginn des Schuljahres, ob die Kinder nach klassischen Noten von „Sehr gut“bis „Nicht genügend“beurteilt werden oder mittels einer schriftlichen „Leistungsinformation“, die größere Differenzierung ermöglicht. ÖVP und FPÖ wollen dieses System nun ändern: Das berichtete die Kronen Zeitung, das bestätigen Vertreter beider Parteien auch dem STANDARD.
Zwar sollen Lehrer ihre Schüler weiterhin verbal beurteilen können, „weil dies ja auch Sinn macht“, erläutert einer aus dem Kreis der blauen Koalitionsverhandler. Daneben aber soll die Vergabe von Noten wieder zur Pflicht werden: „Leistungen müssen auf übersichtliche Weise vergleichbar sein.“
Für einen Gutteil der Volksschulen dürfte dies eine Umstellung bedeuten. Das Bildungsministerium hat wegen der Schulautonomie zwar keine aktuellen Daten, wie viele Standorte derzeit keine Noten vergeben. Doch vor der Einführung der gesetzlichen Wahlmöglichkeit im Schuljahr 2016/17 gab es an den 3000 Volksschulen in Österreich 2000 Schulversuche, im Zuge derer auf die klassische Bewertung verzichtet wurde. Betroffen sind prinzipiell aber nur die ersten drei Klassen, in der vierten gibt es in jedem Fall Noten, weil diese ja für die weite- re Schulkarriere ausschlaggebend sind.
Standard soll das Fünfer-System auch wieder an den Neuen Mittelschulen werden, wo es derzeit sieben Noten gibt – ein Vorhaben, das Bildungswissenschafter Stefan Hopmann begrüßt: Die siebenstellige Skala sei „ein Schuss in den Ofen gewesen“, zumal die Schulen diese völlig unterschiedlich interpretiert hätten. Abgesehen davon sieht der Experte im türkis-blauen Plan vor allem „Symbolpolitik“. Die Frage der Noten werde überbewertet, zumal in Österreich auch die verbale Bewertung derart standardisiert ausfalle, dass es sich quasi um eine Notenvergabe handle: „Da heißt es dann etwa, ein Schüler habe eine ,befriedigende‘ Leistung erbracht. Da fehlt nur die Ziffer.“
Ja zur Ganztagsschule
Was sich dem Vernehmen nach noch im Bildungskapitel des Koalitionspakets, das die Parteichefs Sebastian Kurz und HeinzChristian Strache am Dienstag abschließen wollen, finden soll: Bekenntnisse zum weiteren Ausbau der Ganztagsschulen sowie zu einer „Bildungspflicht für Lesen, Schreiben und Rechnen“. Künftig soll es nicht mehr reichen, die Schulpflicht einfach abzusitzen, wie es einer aus der ÖVP ausdrückt: Werden vorgegebene Ziele in den drei Disziplinen nicht erreicht, würden weitere Bildungsanstrengungen vorgeschrieben.
Durchforstet und kritisch hinterfragt werden sollen die vielen Erlässe des Ministeriums. Gerüttelt wird von blauer Seite etwa an jenem Erlass, der Sponsoren an Schulen Schranken setzt. Werbung ist dort derzeit zwar nicht verboten, unterliegt aber strengen Regeln – etwa um aggressive Geschäftspraktiken zu verhindern.