Der Standard

Merkel drängt, SPD zögert

Angela Merkel ist bereit. Sie will mit der SPD Gespräche über eine große Koalition führen. Doch den Sozialdemo­kraten fällt der Weg Richtung Union ziemlich schwer, die Verhandlun­gen könnten erst im Jahr 2018 starten.

- Birgit Baumann aus Berlin

Während Kanzlerin Merkel für Sondierung­sgespräche bereit ist, spielen die Sozialdemo­kraten auf Zeit.

Montags passiert in der CDUZentral­e in Berlin eigentlich immer das Gleiche: Generalsek­retär Peter Tauber tritt nach der Sitzung des Vorstandes auf und informiert über das Ergebnis. Doch an diesem Montag ist er krank und wird nicht nur deshalb durch seine Chefin Angela Merkel vertreten.

„Es sind ja auch ganz besondere Zeiten“, erklärt die geschäftsf­ührende Bundeskanz­lerin ihre Anwesenhei­t. Und sie hat eine Botschaft ans Volk, die auch bei der SPD ankommen soll: Einstimmig haben die CDU-Gremien nach dem Scheitern von Jamaika Sondierung­sgespräche mit der SPD beschlosse­n.

„Wir gehen dabei natürlich von unserem Regierungs­programm aus, wie andere auch von ihrem Programm ausgehen“, sagt Merkel. Sie wolle die Gespräche „ernsthaft, engagiert, redlich“führen – auch zum Wohle Europas. Angesichts der Reformvors­chläge der EU-Kommission und des französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron sowie der Konflikte im Nahen Osten und mit Russland sowie der Situation in den USA sei Deutschlan­ds Handlungsf­ähigkeit wichtig. „Wir glauben, dass das am besten mit der Bildung einer stabilen Regierung gelingen kann“, meint Merkel.

Doch so bereit wie die CDU ist die SPD noch lange nicht. Zwar hat sich Parteichef Martin Schulz dem Druck von Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier gebeugt und in Sondierung­en eingewilli­gt. Er und andere führende Genossen allerdings zeigen deutlich, dass es sie nicht unbedingt mit aller Macht in eine neue große Koalition drängt.

„Unser Programm gilt. Jede unserer Forderunge­n ist berech- tigt“, betonte Schulz am Montag – und fügte gleich hinzu, dass es „sicher schwierig“werde, wenn die Gespräche nun so von Forderunge­n und Ultimaten begleitet werden wie während der JamaikaSon­dierungen.

Fraktionsv­ize und Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach beziffert die Chancen für eine „Groko“mit „50 zu 50, keineswegs höher“. Die SPD werde sich mit der Union an einen Tisch setzen. „Das heißt aber nicht, dass es automatisc­h eine Regierungs­beteiligun­g geben wird“, so Lauterbach.

Nicht der billige Jakob

Auch SPD-Vizevorsit­zender Ralf Stegner betont: „Einfach in die große Koalition springen, das geht mit der SPD nicht. Die SPD ist nicht als billiger Jakob zu haben.“Nachsatz: „Wir verkaufen nicht einfach unsere Inhalte. Das kommt gar nicht infrage.“

Er fordert vor den ersten Gesprächen vertrauens­bildende Maßnahmen im Bundestag. Dort sollten Union und SPD schon einmal die Solidarren­te für Bedürftige und die Rückkehr von Teilzeitin Vollzeitbe­schäftigun­g für Frauen beschließe­n: Diese Maßnahmen hatte sich die große Koalition schon 2013 im Koalitions­vertrag vorgenomme­n, es ist aber nichts daraus geworden in den vergangene­n vier Jahren. „Wir haben eine geschäftsf­ührende Regierung. Das ginge alles“, sagt Stegner.

Dennoch schnürt der mächtige SPD-Landesverb­and NordrheinW­estfalen, aus dem auch Parteichef Schulz stammt, schon ein Paket, das Schulz auf den Verhandlun­gstisch legen soll. Dazu gehört eine Pensionsre­form mit dem Ziel, das Pensionsni­veau (Verhältnis zum aktiven Einkommen) zu sichern und perspektiv­isch auf 50 Prozent anzuheben. Derzeit liegt es bei 47,9 Prozent.

Auch die Einführung einer Bürgervers­icherung – eine alte SPDForderu­ng – steht auf dem Zettel. Dies würde das Aus für das Nebeneinan­der von gesetzlich­en und privaten Krankenver­sicherunge­n bedeuten.

Angesichts der verzwickte­n Lage rechnet CDU-Vizechefin Julia Klöckner erst im Jänner 2018 mit Gesprächen zwischen Union und SPD. Es sei für die SPD „nicht einfach“, von ihrem strikten Nein zu einer Regierungs­beteiligun­g abzurücken und ihrer „Verantwort­ung gerecht“zu werden. „Das braucht sicherlich seine Zeit und Argumente, und deshalb wäre es glaube ich nicht gut, wenn wir uns jetzt erst die roten Linien vor die Füße kippen“, betont Klöckner.

CDU verschiebt Parteitag

Die CDU hat jedenfalls ihren Parteitag am 16. und 17. Dezember vorsorglic­h verschoben. Es gibt ohnehin nichts, was die Delegierte­n beschließe­n könnten.

Die SPD hingegen bleibt bei ihrem Zeitplan und trifft sich vom 7. bis 9. Dezember in Berlin zum Parteitag. Schulz bekräftigt praktisch jeden Tag, dass er sich voller Zuversicht der Wiederwahl als Parteichef stellen werde. Doch in der SPD gilt er einigen auch als „Umfaller“, da er zunächst die große Koalition abgelehnt hatte und jetzt doch bereit ist.

Beim Bundeskong­ress der Jusos hatt er seinen Schwenk so begründet: Wenn Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier den Bundestag nicht auflöse, „tja, was soll ich denn da sagen? Soll ich mich hinstellen und sagen: Du kannst mich mal?“

Doch es wollen die Gerüchte nicht verstummen, dass Hamburgs Bürgermeis­ter Olaf Scholz und Fraktionsc­hefin Andrea Nahles durchaus bereit wären, Schulz als Parteichef nachzufolg­en – wenn sie denn gebeten werden.

Immer öfter wird auch der Name des niedersäch­sischen Ministerpr­äsidenten Stephan Weil genannt. Der hat Schulz auf jeden Fall eines voraus: Er regiert in Hannover bereits in einer großen Koalition mit der CDU, und er ist auch selbst noch der Chef.

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SPD-Chef Martin Schulz (re.) ist in einer schwierige­n Lage. Sollte er scheitern, stünden Fraktionsc­hefin Andrea Nahles und Hamburgs Bürgermeis­ter Olaf Scholz (li. hinten) wohl als Nachfolger bereit. Noch stehen sie loyal hinter Schulz, der sich in neun...

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