Ländergrenzen für Frauen
Um Frauen, die aus Gewaltbeziehungen flüchten, besser Schutz zu bieten, fordern die 30 Frauenhäuser in Österreich größten Handlungsspielraum. Oft würden Frauen von ihren Familien verfolgt, in andere Bundesländer können sie aber nur selten ziehen.
Von Familien verfolgte Frauen haben es schwer, in einem Frauenhaus in einem anderen Bundesland unterzukommen.
Wien – „Es gibt zunehmend Frauen, die von der ganzen Familie bedroht werden“, sagt Birgit ThalerHaag dem STANDARD. Die Angehörigen wollen verhindern, dass sich die Frau von ihrem Partner trennt, erzählt die Leiterin des Salzburger Frauenhauses. Bei Zwangsehen sei die Familie der Frau eine zusätzliche Bedrohung. In Österreich werden jährlich 24 Frauen von ihrem Partner oder Ex-Freund getötet.
Frauen, die aus einer gewalttätigen Beziehung zu fliehen versuchen, würden überall gesucht. Die Männer würden oft den Standort des Frauenhauses finden und es belagern, erzählt Thaler-Haag. Ein großes Problem sei, dass die Adressen im Zuge von Gerichtsverfahren häufig in den Akten aufscheinen. „Die Gerichte gehen zu leichtfertig damit um.“Auch würde die Zahl der Einstellungen bei Anzeigen und Freisprüchen nach Verhandlungen wegen häuslicher Gewalt zunehmen. Richter hätten oft zu wenig Wissen über Gewaltdynamiken und würden Traumatisierungen bei den Opfern nicht erkennen. Für Thaler-Haag wäre eine häufigere Verhängung der U-Haft für den Schutz hochbedrohter Frauen wichtig.
Denn oft hätten die Frauen und ihre Kinder große Angst, vor die Tür zu gehen. Gerade mit schulpflichtigen Kindern sei dies oft schwierig. Im Jahr 2016 betreuten die Frauenhäuser insgesamt 3261 Personen, 1673 davon waren Kinder. Um die Klientinnen zu schützen, müssten sie mit Alarmgeräten ausgestattet oder bei Wegen außerhalb des Hauses begleitet werden.
Zudem würden Betreuerinnen individuell entscheiden, wo eine stark gefährdete Frau sicher untergebracht ist. „Am besten an einem Ort, wo sie niemand kennt“, sagt Thaler-Haag. Pro Bundesland und Jahr ginge es etwa um fünf bis sieben Fälle, in denen eine Frau in einer lebensbedrohlichen Situation sei. „Sie wären in einem anderen Bundesland sicherer.“
Kein Austausch
30 Frauenhäuser gibt es derzeit in ganz Österreich. Die Unterbringung in einem anderen Bundesland als jenem, in dem die Betroffene ihren Wohnsitz hat, ist aber nur eingeschränkt möglich. Da Frauenhäuser in den Aufgabenbereich der Länder fallen, würden die meisten nur für die Kosten der im Land gemeldeten Frauen aufkommen. Würde eine Salzburgerin beispielsweise in Vorarlberg unterkommen, muss das Land Salzburg die Kosten übernehmen. „Nur Tirol, Burgenland und Wien dürfen Frauen aus anderen Bun- desländern aufnehmen“, so ThalerHaag. Wien und Tirol seien aber ausgelastet – eine Aufnahme aus anderen Bundesländern war daher nur selten möglich.
Margarete Rackl, Geschäftsführerin des Frauenhauses Linz, sagt, in Oberösterreich wären immer wieder Plätze frei, um etwa Frauen aus Salzburg zu betreuen. Der Verein Autonome Frauenhäuser habe ein Schreiben aufgesetzt, das an alle Sozial- und Frauenlandes- räte gehen soll. Die Länder sollen eine Vereinbarung treffen, dass zumindest fünf Frauen jährlich pro Bundesland im Fall von Platzmangel oder einer Gefährdungssituation gegenseitig aufgenommen werden können. Die Kosten sollte das Aufnahmeland tragen. „Das würde die Situation entschärfen“, sagt Rackl.
Während die Finanzierung der oberösterreichischen Frauenhäuser gesetzlich verankert ist, haben die Salzburger Frauenhäuser nur einen Vertrag auf zwei Jahre und würden seit Jahren unter großem Gelddruck leiden.
In ganz Österreich musste der Verein Autonome Frauenhäuser im vergangenen Jahr 336 Frauen abweisen, 80 bis 100 davon fanden im Salzburger Frauenhaus keinen Platz. „Wir haben eine Warteliste, obwohl wir eine Einrichtung für akute Krisen sind“, sagt Thaler-Haag.