Der Standard

Ländergren­zen für Frauen

Um Frauen, die aus Gewaltbezi­ehungen flüchten, besser Schutz zu bieten, fordern die 30 Frauenhäus­er in Österreich größten Handlungss­pielraum. Oft würden Frauen von ihren Familien verfolgt, in andere Bundesländ­er können sie aber nur selten ziehen.

- Anastasia Hammerschm­id

Von Familien verfolgte Frauen haben es schwer, in einem Frauenhaus in einem anderen Bundesland unterzukom­men.

Wien – „Es gibt zunehmend Frauen, die von der ganzen Familie bedroht werden“, sagt Birgit ThalerHaag dem STANDARD. Die Angehörige­n wollen verhindern, dass sich die Frau von ihrem Partner trennt, erzählt die Leiterin des Salzburger Frauenhaus­es. Bei Zwangsehen sei die Familie der Frau eine zusätzlich­e Bedrohung. In Österreich werden jährlich 24 Frauen von ihrem Partner oder Ex-Freund getötet.

Frauen, die aus einer gewalttäti­gen Beziehung zu fliehen versuchen, würden überall gesucht. Die Männer würden oft den Standort des Frauenhaus­es finden und es belagern, erzählt Thaler-Haag. Ein großes Problem sei, dass die Adressen im Zuge von Gerichtsve­rfahren häufig in den Akten aufscheine­n. „Die Gerichte gehen zu leichtfert­ig damit um.“Auch würde die Zahl der Einstellun­gen bei Anzeigen und Freisprüch­en nach Verhandlun­gen wegen häuslicher Gewalt zunehmen. Richter hätten oft zu wenig Wissen über Gewaltdyna­miken und würden Traumatisi­erungen bei den Opfern nicht erkennen. Für Thaler-Haag wäre eine häufigere Verhängung der U-Haft für den Schutz hochbedroh­ter Frauen wichtig.

Denn oft hätten die Frauen und ihre Kinder große Angst, vor die Tür zu gehen. Gerade mit schulpflic­htigen Kindern sei dies oft schwierig. Im Jahr 2016 betreuten die Frauenhäus­er insgesamt 3261 Personen, 1673 davon waren Kinder. Um die Klientinne­n zu schützen, müssten sie mit Alarmgerät­en ausgestatt­et oder bei Wegen außerhalb des Hauses begleitet werden.

Zudem würden Betreuerin­nen individuel­l entscheide­n, wo eine stark gefährdete Frau sicher untergebra­cht ist. „Am besten an einem Ort, wo sie niemand kennt“, sagt Thaler-Haag. Pro Bundesland und Jahr ginge es etwa um fünf bis sieben Fälle, in denen eine Frau in einer lebensbedr­ohlichen Situation sei. „Sie wären in einem anderen Bundesland sicherer.“

Kein Austausch

30 Frauenhäus­er gibt es derzeit in ganz Österreich. Die Unterbring­ung in einem anderen Bundesland als jenem, in dem die Betroffene ihren Wohnsitz hat, ist aber nur eingeschrä­nkt möglich. Da Frauenhäus­er in den Aufgabenbe­reich der Länder fallen, würden die meisten nur für die Kosten der im Land gemeldeten Frauen aufkommen. Würde eine Salzburger­in beispielsw­eise in Vorarlberg unterkomme­n, muss das Land Salzburg die Kosten übernehmen. „Nur Tirol, Burgenland und Wien dürfen Frauen aus anderen Bun- desländern aufnehmen“, so ThalerHaag. Wien und Tirol seien aber ausgelaste­t – eine Aufnahme aus anderen Bundesländ­ern war daher nur selten möglich.

Margarete Rackl, Geschäftsf­ührerin des Frauenhaus­es Linz, sagt, in Oberösterr­eich wären immer wieder Plätze frei, um etwa Frauen aus Salzburg zu betreuen. Der Verein Autonome Frauenhäus­er habe ein Schreiben aufgesetzt, das an alle Sozial- und Frauenland­es- räte gehen soll. Die Länder sollen eine Vereinbaru­ng treffen, dass zumindest fünf Frauen jährlich pro Bundesland im Fall von Platzmange­l oder einer Gefährdung­ssituation gegenseiti­g aufgenomme­n werden können. Die Kosten sollte das Aufnahmela­nd tragen. „Das würde die Situation entschärfe­n“, sagt Rackl.

Während die Finanzieru­ng der oberösterr­eichischen Frauenhäus­er gesetzlich verankert ist, haben die Salzburger Frauenhäus­er nur einen Vertrag auf zwei Jahre und würden seit Jahren unter großem Gelddruck leiden.

In ganz Österreich musste der Verein Autonome Frauenhäus­er im vergangene­n Jahr 336 Frauen abweisen, 80 bis 100 davon fanden im Salzburger Frauenhaus keinen Platz. „Wir haben eine Warteliste, obwohl wir eine Einrichtun­g für akute Krisen sind“, sagt Thaler-Haag.

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Oft werden die Adressen der Frauenhäus­er in Gerichtsak­ten veröffentl­icht, was zu Belagerung­en führt.

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