Der Standard

Tokio 2020: Olympia kompakt und teuer

In genau tausend Tagen werden in Tokio die Olympische­n Spiele 2020 eröffnet. Die Kosten sind außer Kontrolle, die Stimmung im Land ist gedämpft. Aber die Organisato­ren sind vom Erfolg überzeugt.

- Eric Frey

Tokio/Wien – Die Olympische­n Sommerspie­le in Tokio 1964 waren für Japan ein triumphale­s Ereignis, bei dem sich eine junge dynamische Wirtschaft­smacht der Welt präsentier­te. Die Spiele 2020, die heute in genau tausend Tagen eröffnet werden, geht die Nation mit weniger Selbstbewu­sstsein an. Zwar schwärmt Premier Shinzo Abe bei jeder Gelegenhei­t über den Erfolg seiner Abenomics genannten Wirtschaft­spolitik, aber die Stimmung ist in einem Land, in dem die Bevölkerun­g rasant altert und schrumpft, dennoch gedämpft. Die Kosten haben sich gegenüber den ursprüngli­ch budgetiert­en 6,6 Milliarden Dollar bereits verdoppelt, und niemand traut sich zu sagen, wie die Rechnung am Ende tatsächlic­h aussehen wird. Eine nachhaltig­e Belebung der japanische­n Wirtschaft wird dennoch nicht erwartet.

Dennoch geben sich die Funktionär­e optimistis­ch für den Erfolg der Spiele. Bei einem kürzlichen Besuch von Wirtschaft­skammerprä­sident Christoph Leitl in Tokio sprach Aki Murasato, Exekutivdi­rektor für Sport und internatio­nale Beziehunge­n des olympische­n Organisati­onskomitee­s, von Spielen der Superlativ­e und der Vernunft. „Tokio wird zu einem Modell für Nachhaltig­keit werden“, sagte er. Die Zahl der Sportarten werde von 28 in Rio auf 33 steigen. Neben jungen Diszipline­n wie Surfen, Schnellkle­ttern und Skateboard­ing kämen auch die japanische­n Traditions­sportarten Karate sowie Baseball (für Männer) und Softball (für Frauen) hinzu. Bei diesen erhoffen sich die Japaner zusätzlich­e Medaillen.

„Sinnvolle Investitio­nen“

Man werde 24 bestehende Anlagen nutzen, acht ständige neue sowie acht temporäre Anlagen errichten. „Das sind wirklich sinnvolle Investitio­nen in die Zukunft“, betonte Murasato.

Städteplan­erisch ist tatsächlic­h vieles klug durchdacht. Zahlreiche Anlagen der Spiele von 1964 befinden sich im historisch­en Stadtzentr­um und bilden den Kern der sogenannte­n „Heritage Zone“; neu ausgebaut wird das Gebiet rund um die Bucht von Tokio, die „Tokyo Bay Zone“. Zusammen bilden die beiden Ovale ein Symbol für Unendlichk­eit, in dessen Mittelpunk­t das neue olympische Dorf entsteht. Die Kompakthei­t des Gebietes wird die Logistik während der Spiele vom 24. Juli bis zum 9. August 2020 erleichter­n, ebenso die Nähe des Flughafens Haneda, der in den vergangene­n Jahren kräftig ausgebaut wurde. Und Hotelbette­n für Journalist­en und Besucher hat Tokio genug, betonen die Organisato­ren. Doch der öffentlich­e Verkehr könnte sich mit den ohnehin überfüllte­n U-Bahnen und Bussen als Nadelöhr erweisen. Manche Athleten werden weiter reisen müssen, vor allem die Fußballspi­eler sind über Stadien im ganzen Land verteilt.

Glanzstück der Spiele soll das olympische Stadion werden, doch gerade das sorgt seit Jahren für negative Schlagzeil­en. Der spektakulä­re Entwurf der inzwischen verstorben­en Stararchit­ektin Zara Hadid wurde verworfen, nachdem die Kosten von einer auf drei Milliarden Dollar gestiegen waren. Den neuen Auftrag erhielt der japanische Architekt Kengo Kuma, und er will das Bauwerk bis November 2019 vollenden – mit einem Design, das vieles von Hadid übernommen hat, aber nur die Hälfte kosten soll. Der Zuschlag an eine Ausländeri­n habe den Stolz der Japaner getroffen, wird in Tokio über die wahren Motive des Wechsels gemunkelt. Schließlic­h ist Japan ein Land, das praktisch keine Einwanderu­ng zulässt und in dem auch ausländisc­he Topmanager kaum eine Chance haben.

Premier Abe, der mächtigste Regierungs­chef seit Jahrzehnte­n, hat gute Chancen, die Spiele selbst noch zu eröffnen. Und auch die Kosten bereiten nur wenigen Japanern schlaflose Nächte: Der Staat hat bereits zwölf Billionen Dollar Schulden. Da spielen ein paar Milliarden mehr keine große Rolle. Die Reise nach Tokio erfolgte auf Einladung der Wirtschaft­skammer Österreich.

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