ÖVP und FPÖ wollen Zahl der Kassen massiv reduzieren
Einfluss der Politik auf die Sozialversicherungsanstalten soll durch ein Verwaltungsratsmodell nach Vorbild des AMS erhöht werden
Wien – ÖVP und FPÖ wollen das heimische Gesundheitssystem gröber umbauen. Bei den Koalitionsverhandlungen der Untergruppe Gesundheit wurde, wie dem STANDARD bestätigt wurde, ein Modell außer Streit gestellt, das zu einer deutlichen Reduktion der Sozialversicherungsträger (derzeit gibt es 21) führen würde.
Unselbstständige Die neun Gebietskrankenkassen sollen zu einer Art Unselbstständigenkasse zusammengelegt werden. Sie soll aber nicht nur für die Krankenversicherung, sondern auch gleich für die Unfallversicherung zuständig sei. Eine eigene Unfallversicherungsanstalt (AUVA) würde es also nicht mehr geben.
Selbstständige Die Sozialversicherungsanstalten der Selbstständigen (SVA) und jene der Bauern sollen ebenfalls fusioniert werden. Auch diese Selbstständigenkasse würde sich dann gleich um die Unfallversicherung ihrer Mit- glieder mitkümmern. In der Vergangenheit gab es bereits wiederholt Anläufe, diese beiden schwarzen Kassen zusammenzulegen, das scheiterte aber immer an internen Widerständen.
Beamte Die Versicherungsanstalt der Beamten soll eigenständig bleiben, zu ihr würden aber die 16 Krankenfürsorgeanstalten, die Länder und Gemeinden für ihre Bediensteten derzeit außerhalb des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger betreiben, kommen.
Eisenbahner Die Sozialversicherungsanstalt der Eisenbahner bliebe erhalten. Sie wurde bereits 2005 mit den Bergbauern fusioniert und ist die Einzige, die jetzt schon Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung unter einem Dach anbietet. PVA Die Pensionsversicherungsanstalt soll ebenfalls bleiben. Hier gab es bereits 2003 eine Fusion der Pensionsversicherungsanstalten für Arbeiter und Angestellte.
Betriebskassen Ebenso unange- tastet blieben die fünf bestehenden Betriebskrankenkassen.
Geändert werden soll aber der Beschickungsmodus der Anstalten. Gemäß Selbstverwaltungsprinzip sitzen in den Gremien derzeit Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter (entsprechend dem Ergebnis bei Arbeiterkammerund Wirtschaftskammerwahlen).
Chefs am Zug
Nun denkt man an ein Verwaltungsratsmodell nach dem Vorbild des AMS. Die Politik würde also einen Teil der Posten vergeben können. Über den genauen Modus – das ist der machtpolitisch heikelste Teil – herrscht aber noch Dissens, ebenso über die genaue Rolle des Hauptverbands, also der Dachorganisation. Am Donnerstag werden sich die Chefverhandler um Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache mit den Vorschlägen beschäftigen. Ob sie dem Modell folgen oder ein anderes wählen (diskutiert wurden verschiedene Varianten), ist offen.
Laut den Juristen der Verhandler müsste man den neuen Beschickungsmodus auf allen Ebenen durchziehen, um nicht eine Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof zu riskieren. Zur Erinnerung: Die von Schwarz-Blau I durchgeführte Hauptverbandsreform, die ebenfalls einen stärkeren Zugriff der Regierung zum Ziel hatte, wurde 2003 vom Höchstgericht gekippt.
Mit Widerstand ist auch jetzt zu rechnen – vor allem ÖVP-intern. Die Gesundheitsreferenten der Länder haben sich bereits gegen eine Zentralisierung der Gebietskrankenkassen ausgesprochen, ein klares Nein kam auch von Vorarlbergs ÖVP-Landeshauptmann Markus Wallner. Auf wenig Gegenliebe dürften noch weitere Überlegungen aus der Untergruppe stoßen. Da die Länder für die Spitäler zuständig sind, wird über finanzielle Sanktionen für jene nachgedacht, die sich nicht an die Bundesvorgaben in Sachen Gesundheitsplanung halten.