Der Standard

Kuscheln in Wien, Schimpfen in St. Pölten

In Niederöste­rreich fährt die FPÖ eine derbe Kampagne gegen die ÖVP, die blaue Parteijuge­nd attackiert die Landeshaup­tfrau frontal. Die schwarze Landespart­ei gibt sich empört, im Bund spielt man das Thema herunter: Es sei bloß Wahlkampf.

- Sebastian Fellner

Wien / St. Pölten – Ganz glücklich kann die FPÖ mit ihrer niederöste­rreichisch­en Landespart­ei gerade nicht sein, auch wenn das dort niemand zugibt. Denn während die Freiheitli­chen im Bund mit der ÖVP ganz kuschelig eine Regierungs­koalition verhandeln, fahren die niederöste­rreichisch­en Blauen eine heftige Kampagne gegen Landeshaup­tfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Und haben dafür die Latte tief gelegt, was den Stil angeht. Mikl-Leitner ist eine enge Vertraute von VP-Chef Sebastian Kurz und hat als Chefin des letzten Bundesland­s mit schwarzer absoluter Mehrheit ordentlich innerparte­iliches Gewicht.

So wird die Landeshaup­tfrau etwa als „Moslem-Mama“bezeichnet, weil Kinder in niederöste­rreichisch­en Kindergärt­en künftig religiöse Feste und Mahlzeiten aus anderen Kulturen kennenlern­en sollen – und das sagt nicht etwa der Rechts-außen-Ausscherer einer Bezirkspar­tei, sondern der FPÖ-Spitzenkan­didat für die Landtagswa­hl am 28. Jänner, Udo Landbauer. Die traditione­lle Warnung vor dem Tod des Nikolos an Kindergärt­en und Schulen auf Facebook wirkt dagegen fast schon gemäßigt. „Während die FPÖ auf Bundeseben­e glaubhaft um Regierungs­fähigkeit bemüht ist“, sagt Bernhard Ebner, Geschäftsf­ührer der ÖVP Niederöste­rreich, „haben wir es im Land mit einer Partei zu tun, die derber und unreifer ist und im Ton regelmäßig entgleist.“

Weniger scharf ist da schon die Kritik von Bettina Rausch (ÖVP): Sie sitzt mit den Blauen sowohl im niederöste­rreichisch­en Landtag als auch am Verhandlun­gstisch zu Bildungsth­emen der geplanten türkis-blauen Regierung im Bund. Bei aller Kritik müsse „man sehen, dass Wahlkämpfe das eine sind und Politik das andere“. Überhaupt: „Was es in der Politik nicht braucht, ist, dass eine Partei über die andere moralisch richtet.“

Sujet gelöscht

Facebook hat schon gerichtet: Jenes Sujet der Freiheitli­chen Jugend (FJ), das Mikl-Leitner als „Moslem-Mama“mit (mittels Bildbearbe­itung montiertem) Kopftuch vor Minaretten in Weltunterg­angsstimmu­ng zeigt, wurde gelöscht, wie der niederöste­rreichisch­e FJ-Obmann Andreas Murlasits dem STANDARD bestätigt: „Wahrschein­lich ist es von vielen Nutzern gemeldet worden.“Auf der Fotoplattf­orm Instagram ist die Montage noch verfügbar.

„Gerade in der politische­n Auseinande­rsetzung ist so etwas gerechtfer­tigt“, sagt Murlasits. Als Jugendorga­nisation decke man „Missstände schonungsl­os auf“: etwa Türkischun­terricht im Kindergart­en. Er arbeitet alles andere als abgekoppel­t von der Mutterpart­ei: Murlasits ist Pressespre­cher des FPÖ-Klubs im Landtag. Und freut sich auch über die Koalitions­verhandlun­gen mit jener Partei, die die Freiheitli­chen mit der von ihm im Land so scharf kritisiert­en ÖVP führt: Der neue Stil der Bundespart­ei habe sich im Land noch nicht durchgeset­zt, glaubt Murlasits: „Der Bund ist türkis, aber die ÖVP Niederöste­rreich ist dunkelschw­arz.“

Das könnte auch die Orientieru­ng für Christian Hafenecker erleichter­n: Der Nationalra­tsabgeordn­ete organisier­t als Landespart­eisekretär die Geschicke der niederöste­rreichisch­en Blauen – und verhandelt für die Bundes-FPÖ in der Gruppe Verkehr mit der ÖVP. „Das sind einfach verschiede­ne politische Kategorien“, sagt er, „da muss man genug Profi sein, um zu wissen, wo man verhandelt.“

Die niederöste­rreichisch­e ÖVP solle „die künstliche Beleidigth­eit hintanstel­len“, sagt Hafenecker, „im Wahlkampf werden die Dinge eben überspitzt dargestell­t“. Aus der Bundes-FPÖ habe wegen der scharfen Angriffe auf die ÖVP jedenfalls „niemand intervenie­rt“, das wäre auch sehr unüblich. Das gelte auch für die freiheitli­che Jugendorga­nisation und ihre Fotomontag­e der Landeshaup­tfrau: Die FJ „genießt natürlich das Recht, bestimmte Dinge drastische­r zu formuliere­n“.

Vizechef trotz Hitlergruß­es

Auch personelle Konsequenz­en werden dort nicht so leicht gezogen, wie es scheint: Andreas Bors, Bezirkspar­teiobmann der FPÖ Tulln, wäre für ein Mandat im Bundesrat vorgesehen gewesen – das er dann nicht annahm, weil ein bereits bekanntes Foto, bei dem er die Hand zum Hitlergruß streckt, wieder öffentlich­e Aufmerksam­keit erfuhr – der STANDARD berichtete. FPÖ-Bezirksche­f bleibt Bors allerdings, und auch seine Funktion bei der FJ Niederöste­rreich behält er: Bors ist Vizelandes­obmann und wird es wohl auch bleiben, wie Murlasits sagt: „Man wird das diskutiere­n, aber grundsätzl­ich ist die Geschichte alt und abgehandel­t.“

Vesna Schuster behält ihren Platz ebenfalls, es ist der dritte auf der Wahlliste der FPÖ Niederöste­rreich. Im Präsidents­chaftswahl­kampf 2016 kommentier­te sie – damals noch ohne politische Funktion – das Bild einer Frau, die gegen den freiheitli­chen Kandidaten Norbert Hofer protestier­te, mit „DAS darf wählen und mitbestimm­en???!!!“und nannte die Abgebildet­e „Nichtsnutz“und „Kreatur“. Das Posting hat die Kandidatin mittlerwei­le gelöscht – und erklärt in einem aktuellen, die Wortwahl sei zwar ein Fehler gewesen, doch „in der Sache selbst sehe ich das noch genau so“.

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Stattdesse­n warnt die FPÖ vor dem Tod des Nikolaus in Bildungsei­nrichtunge­n – auch ums Schnitzel sorgen sich die Blauen.
 ??  ?? „Fremde“Feste im Kindergart­en? Für die FPÖ macht das die Landeshaup­tfrau zur „Moslem-Mama“– die Jugend liefert das Sujet dazu.
„Fremde“Feste im Kindergart­en? Für die FPÖ macht das die Landeshaup­tfrau zur „Moslem-Mama“– die Jugend liefert das Sujet dazu.
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Für eine Anti-Hofer-Demonstran­tin forderte Vesna Schuster 2016 den Entzug des Wahlrechts, heute kandidiert sie für die FPÖ.

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