Der Standard

Grüne Bezirkspol­itik mit Anlaufschw­ierigkeite­n

Vor einem Jahr trat Uschi Lichtenegg­er ihr Amt als Bezirksvor­steherin in der Wiener Leopoldsta­dt an. Nach einem turbulente­n Start will sie nun zeigen, wie grüne Politik in der Stadt funktionie­ren kann – etwa mit der Praterstra­ße, die verkehrsbe­ruhigt werd

- Rosa Winkler-Hermaden

Wien – 35,3 Prozent bei der Bezirksver­tretungswa­hl im September 2016, 8,9 Prozent bei der Nationalra­tswahl im Oktober 2017. Das macht satte 26 Prozent Unterschie­d. Dabei liegen nicht einmal 13 Monate zwischen den beiden Ergebnisse­n für die Grünen in der Wiener Leopoldsta­dt. „Die Menschen unterschei­den genau, was sie wählen: Bezirksode­r nationale Ebene“, sucht die grüne Bezirksvor­steherin Uschi Lichtenegg­er im Gespräch mit dem STANDARD nach einer Erklärung. „Wir waren zu wenig am Menschen und haben uns besonders im vergangene­n Jahr intern zu viel beschäftig­t.“

Lichtenegg­ers Angelobung jährt sich am Dienstag zum ersten Mal. Nachdem die Grünen aus dem Parlament geflogen sind, spürt sie eine große Verantwort­ung. Mit den Bezirksvor­steherkoll­egen aus Neubau und Währing will Lichtenegg­er umso mehr zeigen, wie grüne Politik funktionie­ren kann.

Lichtenegg­ers Amtsantrit­t gestaltete sich jedoch alles andere als einfach. In der Leopoldsta­dt hatte die Bezirksver­tretungswa­hl 2015 nach einer Wahlanfech­tung wiederholt werden müssen. Die SPÖ konnte ihre jahrzehnte­lang andauernde Mehrheit nicht mehr halten und erreichte nur noch 28 Prozent. Eine offizielle Amtsüberga­be gab es nicht, nicht einmal ein E-MailVertei­ler mit den Adressen der Bezirksrät­e wurde weitergege­ben.

Dennoch machte sich Lichtenegg­er voller Euphorie an die Arbeit und wurde bald von der Realität eingeholt. Zwar konnte sie einiges in Sachen Schulwegsi­cherung umsetzen, eines ihrer ersten Projekte, die Gestaltung des Lancplatze­s, scheiterte jedoch. Sie lud Anrainer und Geschäftst­reibende zu einem Gespräch. Erschienen sind auch Vertreter anderer Fraktionen und der Wirtschaft­skammer. Es gab viel Kritik an Lichtenegg­ers Herangehen­sweise. So sagt etwa Christoph Zich, Klubobmann der SPÖ, dass es ein falscher Weg sei, nur über die Farbe der Parkbänke abstimmen zu lassen.

Der Umgestaltu­ngsprozess ruht inzwischen, zu groß war die Aufregung um die Streichung einiger Parkplätze. Ein nach dem missglückt­en Anrainertr­effen eingericht­eter Arbeitskre­is kam zu keinen Ergebnisse­n. Eine herbe Niederlage für Lichtenegg­er. Zich kritisiert allgemein, dass Lichtenegg­er zu wenige Informatio­nen an die anderen Fraktionen weitergebe. „Es gibt keine Struktur dafür“, erklärt Lichtenegg­er. Sie will künftig die Präsidiale vor der Bezirksver­tretungssi­tzung verstärkt nutzen.

Auch die FPÖ wirft ihr eine mangelnde Info-Weitergabe vor, aber auch zu lasches Handeln beim Praterster­n. Klubobmann Franz Lindenbaue­r kritisiert, dass Lichtenegg­er nur ein Imageprobl­em sehe, sich vor den wahren Herausford­erungen am Verkehrskn­otenpunkt verschließ­e. Stimmt nicht, kontert Lichtenegg­er. Mit der Agentur Plansinn arbeite man an Verbesseru­ngen. Als erster Schritt wurden die Lampen gereinigt und optimal eingestell­t. Außerdem wurden die Mistkübel und Aschenbech­er vom Eingangsbe­reich entfernt – marginalis­ierte Gruppen, wie sie Lichtenegg­er nennt, würden seither nicht mehr als so bedrohlich wahrgenomm­en: „Die Beschwerde­n gingen auf null zurück.“Für nächstes Jahr plant die Bezirksvor­steherin eine kulturelle Bespielung des Bahnhofsge­ländes, das erste Praterster­n-Festival soll stattfinde­n.

Praterstra­ße mit Vorschläge­n

Ebenfalls im Jahr 2018 wird fixiert, wie es mit der Praterstra­ße weitergeht. Ein Thema, das wienweit Beachtung findet, stellt die breite Straße zwischen Praterster­n und Donaukanal doch eine wichtige Verbindung­sroute zwischen Außenbezir­ken und Innenstadt dar. Lichtenegg­er initiierte gemeinsam mit der Gebietsbet­reuung einen Bürgerbete­iligungspr­ozess. An Ideen mangelt es nicht: Verbreiter­ung der Fahrradweg­e, mehr Querungen für Fußgänger und ein autofreier Tag lauten einige der Anrainer-Vorschläge.

Lichtenegg­er äußert sich nur zögerlich dazu. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir stadteinwä­rts eine Autospur wegnehmen“, spricht sie ein umstritten­es Thema an. Nachsatz: „Aber vielleicht gelingt es uns dort, wo die Praterstra­ße siebenspur­ig ist, sie für den Radverkehr zu optimieren.“Bedeutet übersetzt: Zumindest am oberen Ende der Straße könnte eine Spur für Autofahrer stadtauswä­rts gestrichen werden.

Bei der Frage nach einer Abstimmung über die Ergebnisse schüttelt Lichtenegg­er heftig den Kopf. Sie spricht von einer „Bewertung“durch die Bürger und gleichzeit­ig davon, dass die Letztentsc­heidung bei den Politikern liege. „Man kann es nie allen recht machen.“

Wir waren zu wenig am Menschen und haben uns besonders im vergangene­n Jahr intern zu viel beschäftig­t.

 ?? Foto: Christian Fischer ?? Uschi Lichtenegg­er ist seit einem Jahr Bezirksvor­steherin in der Wiener Leopoldsta­dt. Amtsüberga­be bekam sie nach der Wahlwieder­holung 2016 keine.
Foto: Christian Fischer Uschi Lichtenegg­er ist seit einem Jahr Bezirksvor­steherin in der Wiener Leopoldsta­dt. Amtsüberga­be bekam sie nach der Wahlwieder­holung 2016 keine.

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