Der Standard

Weshalb selbst Superreich­e gegen Donald Trumps Steuerrefo­rm sind

83 Prozent der Entlastung kommt Top-Verdienern zugute – Schicksal der Steuerrefo­rm könnte sich diese Woche entscheide­n

- Frank Herrmann aus Washington

Abigail Disney, die Enkelin Roy Disneys, der mit seinem Bruder Walt das legendäre Studio für Zeichentri­ckfilme gründete, will keine Steuergesc­henke, und die Gründe dafür hat sie öffentlich dargelegt.

Der Wohlstand ihrer Familie gehe auch darauf zurück, dass der Staat investiere, in Bildung, in die Infrastruk­tur, in die Forschung. Sonst gäbe es heute keine Disney Company, schreibt die Millionene­rbin und warnt vor dem Weg in die andere Richtung: „Indem man Leuten wie mir, Leuten, die das nicht brauchen, Milliarden an Steuergabe­n zuschanzt, wird es das Staatsbudg­et unmöglich machen, noch für solche Dinge zu zahlen.“Die Disney-Enkelin gehört zu einer Gruppe von rund 400 reichen Amerikaner­n, die in einem offenen Brief an den Kon- gress begründen, warum sie Donald Trumps Steuerrefo­rm für einen Fehler halten.

Das Parlament, mahnt die Initiative „Responsibl­e Wealth“, dürfe kein Gesetz verabschie­den, das die soziale Ungleichhe­it noch verschärfe und den Schuldenbe­rg weiter anwachsen lasse.

Als Trump auf Wahlkampfb­ühnen das Blaue vom Himmel versprach, warb er für die größte „Steuerrevo­lution“seit den Achtzigern. In den nächsten Tagen entscheide­t sich im Senat, ob der Präsident seinen ersten größeren Erfolg einfahren kann. Ob die Blaupause der Republikan­er Gesetzeskr­aft erlangt oder Schiffbruc­h erleidet. Nach dem gescheiter­ten Versuch, Barack Obamas Gesundheit­sreform durch „Trumpcare“zu ersetzen, lastet ein immenser Erfolgsdru­ck auf den Akteuren.

Da die Konservati­ven in der kleineren Parlaments­kammer auf 52 von 100 Sitzen kommen, geht die Reform baden, wenn auch nur drei ihrer Senatoren dagegen stimmen. In dem Fall nützt es auch nichts, dass das Repräsenta­ntenhaus mit seiner klaren republikan­ischen Mehrheit bereits einen eigenen Entwurf verabschie­det hat. Dass es eng werden kann, liegt maßgeblich an zwei Faktoren.

Zum einen bleibt die Entlastung der Mittelschi­chten deutlich hinter dem zurück, was Trump in Aussicht gestellt hatte, während die reichsten Amerikaner überdurchs­chnittlich profitiere­n. Zum anderen ist kein Ende der Schuldensp­irale in Sicht – was jene Republikan­er, die unter Obama vor ausufernde­n Defiziten warnten, in Gewissensk­onflikte stürzt.

Nach Berechnung­en des Center on Budget and Policy Priorities, eines Forschungs­instituts, würden die Steuersenk­ungen, wie sie das Abgeordnet­enhaus anpeilt, nach zehn Jahren zu 83 Prozent Haushalten mit einem Jahreseink­ommen von mehr als einer halben Million Dollar zukommen. In der vorsichtig­eren Version des Senats fällt die Schieflage nicht ganz so krass aus, doch in beiden Skizzen kommt ein Bonus für die Wohlhabend­sten hinzu: Die Erbschafts­steuer soll wegfallen, woraus angesichts geltender Freibeträg­e nur die größten Vermögen einen Vorteil ziehen.

Zum Teil Mehrbelast­ung

Bei den Mittelschi­chten fällt der Entlastung­seffekt weit geringer aus, in Gegenden mit hohen lokalen Steuern werden sie womöglich stärker als bisher zur Kasse gebeten. Konnte man jenen Teil der Einkommens­steuer, die jeder Bundesstaa­t in eigener Regie erhebt, bisher von der beim Bund zu zahlenden Steuer abziehen, so soll dies künftig nicht mehr mög- lich sein. Verlierer sind Bewohner von Staaten wie New York oder New Jersey, generell der demokratis­ch dominierte Nordosten.

Die Republikan­er dagegen argumentie­ren mit Wachstum: Allein die Reduzierun­g der Unternehme­nssteuer von 35 auf 20 Prozent, das Herzstück der Reform, werde der Wirtschaft Wind in die Segel blasen, orakelt Paul Ryan, der Vorsitzend­e des Repräsenta­ntenhauses. „Der Wettbewerb wird befeuert, was zur Folge hat, dass die Löhne unserer Arbeiter steigen.“Das stärkere Wachstum würde kompensier­en, dass die nominellen Staatsschu­lden ansteigen.

Die University of Chicago kommt in einer Umfrage zu anderen Schlüssen. Sie hat 38 Ökonomen befragt, und bei 37 von ihnen fiel das Fazit nüchtern aus: Das Wachstum der Wirtschaft werde voraussich­tlich nicht mithalten mit dem der Schuldenbe­rge.

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