Orbán feiert China als Ersatz für das alte Europa
Peking stärkt seine geopolitischen Interessen in Süd- und Osteuropa durch Ausbau der Infrastruktur
Belgrad/Budapest – Budapest war am Montag eine Stadt im Ausnahmezustand. Die Donaubrücken, die Kais, die ganze Innenstadt und wichtige Radialstraßen waren für den Verkehr gesperrt, damit die Delegationen aus China, dem Gastgeberland Ungarn und weiteren 15 mittel- und osteuropäischen Ländern freie Fahrt hatten. Chinas Ministerpräsident Li Keqiang, die Nr. 2 in Chinas Machtgefüge, traf im Konferenzkomplex der Budapester Sportarena im Außenbezirk Zugló die Amtskollegen aus elf EU- und fünf Nochnicht-EU-Ländern.
Diese 16+1-Treffen finden seit 2012 jährlich in einer der osteuropäischen Metropolen statt. Dabei geht es um groß angelegte Infrastruktur-Projekte und ihre Finanzierung. Die Sache ist heikel, denn die Chinesen wollen alles selbst machen. Ihre Bautrupps sollen Brücken, Straßen und Eisenbahnen hinstellen, ihre Banken die Kosten als Kredit vorstrecken.
Den diesjährigen Gastgeber, Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán, stört dies am allerwenigsten. Nach dem Amtsantritt 2010 hatte er seinem Land die „Wirtschaftsoffensive nach Osten“verschrieben. Osteuropa brauche Technologien und Finanzierungen aus China, denn das alte, müde gewordene Kern-Europa habe keine ausreichenden Ressourcen mehr für die Entwicklung der sich dynamisch entwickelnden Osteuropäer, so Orbán.
Angesprochen wurde am Montag das von den Chinesen seit Jahren forcierte Projekt des Ausbaus der Eisenbahn von Piräus nach Budapest. Auch dieses dient primär chinesischen Interessen, soll es doch chinesische Waren über den Balkan und Ungarn in den kaufkraftstarken Westen Europas bringen. Die EU-Kommission hatte gegen Ungarn ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, weil für die Arbeiten am ungarischen Teilabschnitt zunächst keine Ausschreibung vorgesehen war. Peking und Budapest nahmen das offenbar ernst. Am Montag – zeitgleich mit dem 16+1Treffen – schrieben die Ungarischen Staatsbahnen (MÁV) das Baulos für die 152 Kilometer lange Eisenbahnstrecke vom Budapester Vorort Soroksár zum südlichen Grenzbahnhof Kelebia aus.
Milliarden winken
Auch in den anderen Ländern ist das Engagement Chinas groß. In der Nähe der bulgarischen Hauptstadt Sofia wird bereits ein riesiger, futuristisch anmutender Einkaufspark mit Bürotürmen und Vergnügungsmöglichkeiten namens „Heilige Sofia“gebaut. Umgesetzt wird das Projekt von der Firma BDHL, die in chinesischen Händen ist. Die Investitionen sollen sich auf 750 Mio. Euro belaufen und 1850 neue Jobs schaffen.
China erwarb auch einen Mehrheitsanteil der rumänischen Ölraffinerie Rompetrol Rafinare. Für das Energieunternehmen CEFC war die Raffinerie zentral in der Gesamtstrategie von „Ein Gürtel – eine Straße“, die China mit Europa verbinden soll.
China und Serbien haben 2016 22 Verträge für eine strategische Partnerschaft abgeschlossen. Auch die wechselseitige Visapflicht wurde für eine Dauer von 30 Tagen abgeschafft. Seit einigen Jahren bereits fahren führende Politiker aus den Balkan-Staaten regelmäßig nach Peking, um für Investitionen zu werben. Chinesische Politiker und Investoren besuchen Osteuropa. In den Jahren 2015 und 2016 investierte China 3,3 Milliarden Euro auf der „balkanischen Seidenstraße“.
Mazedonien gilt wie Serbien als Verbindungsland in der Region. Gebaut werden sollen mit chinesischen Mitteln auch EnergieKnotenpunkte, GlasfaserkabelLeitungen, sowie Wärme- und Atomkraftwerke. Laut den Berechnungen des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) könnte BosnienHerzegowina durch die „Seidenstraße“sogar ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts um 8,5 Prozent, Montenegro sogar um 14 Prozent an BIP-Wachstum erreichen. Dem WIIW zufolge könnten von chinesischer Seite zehn Milliarden Euro in die Infrastruktur der ost- und südosteuropäischen Staaten investiert werden.