Der Standard

Zielgerich­tete Propaganda

Eine Anzeige nur für Ehefrauen von Polizisten schalten: Die Untersuchu­ngen zu russischer Einflussna­hme im US-Wahlkampf zeigen eindrucksv­oll, wie die Datenschät­ze sozialer Medien für gezielte Manipulati­on verwendet werden können.

- Fabian Schmid

Die sozialen Medien „scheinen für russische Desinforma­tionskampa­gnen gemacht worden zu sein“. Das sagt der demokratis­che US-Senator Mark Warner, der im Geheimdien­stausschus­s des Senats mit Kollegen wie Patrick Leahy die Beeinfluss­ung der US-Präsidents­chaftswahl durch russische Propaganda untersucht. Google, Facebook und Twitter hätten das „Ökosystem“für Nachrichte­nmanipulat­ion geliefert, kritisiert­e Warner. Er spielte damit auf neue Enthüllung­en des Ausschusse­s an.

Dort wurde anhand realer Beispiele gezeigt, wie russische Werbeanzei­gen gezielt spezifisch­e Bevölkerun­gsgruppen ins Visier nahmen. Also nicht etwa „Frauen über 30“oder „Hispanics“, sondern ganz eng definierte Gruppen. Eine aus Russland stammende Werbung wurde beispielsw­eise „Ehefrauen von Polizisten“angezeigt, andere sollten bei Facebook-Nutzern auftauchen, die etwa „Waffen besitzen und Fans der Flagge der Konföderie­rten Staaten von Amerika“sind.

Auch auf Instagram nutzten mutmaßlich russische Spione zielgerich­tete Werbungen. „Killary (sic) Clinton wird nie verstehen, wie es sich anfühlt, eine geliebte Person für sein Land zu verlieren“, hieß es in einer Anzeige, die US-Veteranen präsentier­t werden sollte. Aus Russland wurden umgerechne­t 53 Dollar überwiesen, 17.654 Personen sahen das Sujet.

Noch vor wenigen Jahren überwog in der Politik die Euphorie über diese als Mikrotarge­ting bekannte Praxis. Im US-Präsidents­chaftswahl­kampf von Barack Obama 2007 wurde die Praxis, Werbeanzei­gen in sozialen Medien auf eng definierte Zielgruppe­n zuzuschnei­den, erstmals in großem Stil durchgefüh­rt.

Die US-Republikan­er hatten zwar schon 2004 erste Versuche in diesem Bereich durchgefüh­rt, das passierte allerdings überwiegen­d offline, also etwa durch Telefonanr­ufe. Auch fehlte der Datenschat­z, den soziale Medien liefern.

Was Nutzer mögen, hassen oder für interessan­t halten, ist nicht nur für kommerziel­le, sondern auch für politische Werber interessan­t. Viele dieser Informatio­nen werden von Nutzern aktiv übermittel­t. User markieren die Seiten oder Beiträge von Politikern, Firmen oder Künstlern mit einer „Gefällt mir“-Angabe oder beteiligen sich besonders engagiert an politische­n Diskussion­en.

Facebook ist auch außerhalb der eigenen Plattform präsent: Viele Webseiten binden etwa das „Daumen hoch“von Facebook auf ihren Seiten ein. Das soziale Netzwerk erhält dann auch Informatio­nen über Nutzerakti­vitäten auf diesen Seiten. Außerdem versuchen Kampagnen, aktiv die Facebook-Profile der Nutzer anzulocken.

Im österreich­ischen Nationalra­tswahlkamp­f konnte man sein Facebook-Profil etwa mit Angeboten von ÖVP-Chef Sebastian Kurz oder mit der „Plan A“-Plattform von Kanzler Christian Kern (SPÖ) verknüpfen.

Andere Anbieter können etwa sehen, nach welchen Informatio­nen Nutzer suchen. Außerdem werden erhaltene E-Mails nach Schlagwort­en durchsucht, um Werbeanzei­gen personalis­ieren zu können. Derartige Daten werden dann auch verkauft, um zielgerich­tete Werbekampa­gnen zu ermögliche­n.

Die britische Firma Cambridge Analytica behauptete Anfang 2017 etwa, psychologi­sche Profile von 220 Millionen US-Bürgern zu besitzen. Diese Zahlen sollen übertriebe­n sein, berichtete das Magazin New Yorker. Außerdem zeigten interne Statistike­n, dass die erstellten Psychogram­me, etwa bei der Kampagne von Ted Cruz, der auf Cambridge Analytica vertraute, nicht den erwünschte­n Erfolg brachten.

Das Unternehme­n, das zuvor für den Brexit und später für Trump warb, gerät nun selbst ins Visier der US-Untersuchu­ngen zu russischer Propaganda. Ihm wird vorgeworfe­n, mittels Mikrotarge­ting die Anzeigen russischer Agenten zielgerich­tet verbreitet zu haben.

Zur Seite sollen der Trump-Kampagne auch Mitarbeite­r von Facebook, Google und Twitter gestanden haben. „Diese Experten in digitalem Marketing arbeiteten Seite an Seite mit unserem Team, dem Republican National Committee und Cambridge Analytica, um eine profession­elle Kampagne durchzufüh­ren“, sagte Trumps Digitalche­f Brad Parscale.

Facebook gab damals an, neutral alle wahlwerben­den Parteien zu beraten. Kritik gab es etwa daran, dass sich die soziale Plattform im deutschen Wahlkampf auch mit der teils rechtsextr­emen AfD getroffen hatte, um Tipps zu Werbekampa­gnen auf Facebook zu liefern.

Ein Problem, mit dem die Plattform aufräumen will, sind sogenannte Dark Ads. So werden Werbeanzei­gen von politische­n Parteien oder Persönlich­keiten genannt, die per Mikrotarge­ting nur bestimmten Gruppen angezeigt werden. Diese Beiträge auf Facebook tauchen aber nicht auf der offizielle­n Seite der Partei oder des Politikers auf. Das ist etwa ein demokratie­politische­s Problem, weil die Inhalte der Werbeanzei- gen nicht von unabhängig­en Journalist­en entdeckt und auf ihre Faktizität überprüft werden können. Facebook gab nun an, dass Dark Ads künftig nicht mehr möglich seien.

derSTANDAR­D hat bei der österreich­ischen Nationalra­tswahl mithilfe seiner User untersucht, ob Dark Ads auch hierzuland­e zum Einsatz kamen. Die Ergebnisse zeigten, dass Parteien zwar gezielte Werbeanzei­gen verwenden, diese aber harmloser Natur sind. So gaben die Neos etwa offiziell an, Anzeigen auf Studenten zuzuschnei­den, die ÖVP bewarb regionale Veranstalt­ungen. Ähnliches gilt für Deutschlan­d, wo der Spiegel die gleiche Untersuchu­ng durchgefüh­rt hat. Mit den manipulati­ven und teils auf Falschmeld­ungen basierende­n Werbeanzei­gen, die im US-Wahlkampf zum Einsatz kamen, hat das nichts zu tun.

Strenger Datenschut­z

Prinzipiel­l sind das Sammeln und vor allem das Verknüpfen von Daten in Österreich rechtlich heikel. So dürfen Daten nur für den Zweck verwendet werden, für den sie gesammelt werden. Dazu kommt, dass sich etwa das heimische oder das deutsche politische System stark von jenem in den USA oder Großbritan­nien unterschei­det. Zielgerich­tete Manipulati­on lohnt sich vor allem im Mehrheitsw­ahlrecht, wenn kleine Gruppen von Wählern entscheide­nd für das Gesamterge­bnis sind. So konnte die Trump-Kampagne Wechselwäh­ler in sogenannte­n Swing States, die an Demokraten oder Republikan­er gehen könnten, anvisieren. „Trump hat dank Facebook-Anzeigen, die lediglich 15 Personen gleichzeit­ig gesehen hatten, gewonnen“, prahlte Digitalkam­pagnenchef Parscale in einem Interview mit dem US-Sender CBS. Das mag übertriebe­n sein – ist aber auch eine Warnung.

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Der demokratis­che Senator Patrick Leahy untersucht die mögliche Desinforma­tionskampa­gne.

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