Der Standard

Die Lücken im Bildungspr­ogramm

Die Notenpflic­ht in der Volksschul­e ist ein Symbol – Die Schulen brauchen anderes

- Lisa Kogelnik

Aufgewärmt oder rückwärtsg­ewandt: So lässt sich das meiste, was bisher aus dem Bildungspr­ogramm von ÖVP und FPÖ bekannt wurde, zusammenfa­ssen.

In die Kategorie Rückwärtsg­ang fällt die Notenpflic­ht in der Volksschul­e. Es soll zurückgeno­mmen werden, was SPÖ und ÖVP gerade erst beschlosse­n haben: Von der ersten bis zur dritten Klasse muss es keine Ziffernnot­en geben. Wie die Schülerlei­stungen beurteilt werden, entscheide­n Lehrer und Eltern am Schulstand­ort.

Diese Änderung wurde den Schulen nicht übergestül­pt, vielmehr war es Bürokratie­abbau, den Türkis und Blau ansonsten stets loben. Schon vor der Reform gab es 2000 Schulversu­che zur Abschaffun­g der Noten – und das bei 3000 Volksschul­en. Mit dem Gesetz fiel für die Schulen die Notwendigk­eit weg, einen Schulversu­ch anmelden zu müssen.

Jetzt die Ziffernnot­en wieder zur Pflicht zu machen ist also kein Wunsch der Betroffene­n, dem ÖVP und FPÖ nachkommen. Es ist ein symbolisch­er Schritt, um dem Leistungsa­nspruch gerecht zu werden, den die beiden vor sich hertragen. Dahinter steckt ein uraltes Pädagogikv­erständnis, demzufolge Kinder nur „das richtige Leben“kennenlern­en, wenn sie zwischen „Sehr gut“und „Nicht genügend“beurteilt werden. abei sind alternativ­e Leistungsb­eurteilung­en keineswegs leistungsf­eindlich. Im besten Fall wird das Feedback von den Lehrerinne­n und Lehrern so formuliert, dass die Schüler wissen, wo genau sie sich im nächsten Jahr noch verbessern können und was sie gut machen. Davon abgesehen, zeigen mehrere Studien, dass die Notengebun­g nach Ziffern keineswegs so objektiv ist, wie sie vorgibt. Lehrer beurteilen die gleichen Leistungen höchst unterschie­dlich.

Aus der Rubrik der aufgewärmt­en Reformidee­n kommt die Abschaffun­g der siebenteil­igen Notenskala an den Neuen Mittelschu­len. Noch Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) hat vor eineinhalb Jahren eine Arbeitsgru­ppe mit der Überarbeit­ung beauftragt.

Ebenfalls nicht neu ist das „Bekenntnis zum Ausbau der Ganztagssc­hule“. Viel bleibt den Koalitions­verhandler­n da auch nicht übrig: Die zusätzlich­en 750 Millionen Euro bis 2025 hat der Bund den Ländern bereits zugesagt. Auch auf das zweite Kinder-

Dgartenjah­r „für die, die es brauchen“, hat sich schon die rot-schwarze Bundesregi­erung geeinigt.

Das führt zu dem, was fehlt. Und das ist viel. Zwar wird die Qualität in der Kinderbetr­euung beschworen. Ein Bekenntnis zu einer akademisch­en Ausbildung für Kindergart­enpädagoge­n gibt es aber noch immer nicht.

In den Schulen müssten die Koalitions­verhandler nicht aus ihren ideologisc­hen Schützengr­äben herausstei­gen, um Qualitätsv­erbesserun­gen herbeizufü­hren. Die Bildungspf­licht in Deutsch, Mathematik und Englisch, bei der Schüler bestimmte Ziele errei- chen müssen, ist eine gute Idee der Verhandler. Am wichtigste­n für das Schulsyste­m sind aber die Lehrer. Sie sollten besser ausgebilde­t werden, und wir sollten endlich auswählen, wer in den Klassen unterricht­en darf.

Um mit den zunehmend heterogene­n Klassen zurechtzuk­ommen, brauchen die Schulen außerdem drei Dinge: Personal, Personal und Personal.

Aber das kostet – und zusätzlich­es Geld scheint es von ÖVP und FPÖ für die Polizei zu geben, aber nicht für Schulen. Das zeigt, dass die Prioritäte­n der kommenden Regierung nicht in der Bildung liegen.

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