Der Standard

Erdogans Albtraum

Alte Korruption­svorwürfe gegen türkische Regierungs­kreise werden nun in New York verhandelt

- Markus Bernath

Im Prozess gegen Reza Zarrab werden in New York alte Korruption­svorwürfe gegen türkische Regierungs­kreise verhandelt.

NewYork/ Ankara – Seiner Frau versprach er einst, den Planeten Mars zu kaufen. Das war, als Reza Zarrab noch an den Hebeln einer wahrhaft wundersame­n Geldmaschi­ne saß. In seinen besten Tagen machte Zarrab für den Iran eine Tonne Gold zu Geld – über die Türkei und vorbei an den Finanzsank­tionen der USA.

Das Glück hat den 34-jährigen Geschäftsm­ann seither verlassen. Heute ist Reza Zarrab in den Fängen der US-Justiz und versucht als geständige­r Angeklagte­r, eine lange Haftstrafe zu vermindern. Verheirate­t ist er auch nicht mehr. Ebru Gündeş, ein türkischer Popstar, hat sich mittlerwei­le von ihrem Mann scheiden lassen. Das „Goldbuberl“ist für die Mächtigen in der Türkei zu einer Belastung geworden.

Dass Reza Zarrab beim Prozessbeg­inn am Dienstag in New York gar nicht mehr selbst dabei war, gilt als schlechtes Zeichen für Staatschef Tayyip Erdogan und dessen Entourage: Zarrab muss ausgepackt haben. Der iranische Geschäftsm­ann mit den vielen Pässen – türkisch, mazedonisc­h, aserbaidsc­hanisch – kooperiert nach eineinhalb Jahren Untersuchu­ngshaft mit der US-Justiz. Angeklagt ist nun allein der Vizedirekt­or der staatliche­n türkischen Halkbank, Mehmet Hakan Atilla. Er ist im März dieses Jahres auf dem New Yorker John-F.-Kennedy-Flughafen verhaftet worden.

Auf der langen Zeugenlist­e, die Richter Richard Berman am Montag nach der Wahl von zwölf Geschworen­en verteilte, stehen zudem die Namen früherer Minister Erdogans wie Muammar Güler (Inneres), Egemen Bagiş (EU), Zafer Caglayan und Ali Babacan (beide Wirtschaft) sowie der amtierende Wirtschaft­sminister und Vizepremie­r Mehmet Şimşek. Laut dem türkischen Nachrichte­nportal Ahvalnews soll der New Yorker Distriktri­chter auch Erdogan selbst und dessen Sohn Bilal als mögliche Zeugen in dem Prozess genannt haben.

Für den türkischen Staatschef und seine Vertrauten ist es die Wiederkehr eines Albtraums. Vor bald vier Jahren, im Dezember 2013, war die Regierung des damaligen Premiers Erdogan durch eine Korruption­saffäre ins Wanken geraten. Zarrab soll Minister und deren Söhne mit Millionen- beträgen geschmiert haben. Die türkische Führung soll dafür bei Zarrabs Goldgeschä­ften mit Teheran die Augen zugedrückt haben.

Der Plan war einfach: Teheran lieferte Öl an die Türkei. Diese zahlte auf Konten bei der Halkbank ein. Zarrab nahm das Geld und kaufte für den Iran Gold, lieferte es direkt ins Land oder wechselte es wieder zu Bargeld. Das Problem: Die USA hatten wegen des iranischen Atomprogra­mms Sanktionen verhängt. Zarrab aber nutzte auch im großen Stil USBanken für seine Geldversch­iebungen. Die wussten davon angeblich nichts.

Damals, im Dezember 2013, konnte Erdogan die Ermittlung­en der türkischen Justiz niederschl­agen. Nun kommt die Affäre in einem Gerichtssa­al in Manhattan wieder auf den Tisch.

Politische Generalabr­echnung

Zarrab wurde im März 2016 in den USA verhaftet – bei einem Besuch in Disneyland in Miami. Spezialist­en im US-Finanzmini­sterium hatten den Goldhändle­r schon lange im Visier. „Seit 2010 verfolgte ich einen gefährlich­en Trend“, twitterte dieser Tage Jonathan Schanzer, ein Experte bei der Bekämpfung von Terrorismu­sfinanzier­ung, der im Finanzmini­sterium arbeitete und nun auch als Belastungs­zeuge aufgeführt wird: „Die Türkei unter Erdogan hat sich zunehmend im Widerspruc­h zu US-Interessen positionie­rt.“

Den türkischen Staatschef nennt Schanzer einen „Gangster“und die Türkei einen Nato-Verbündete­n, der offen mit Russland und dem Iran flirte, den Krieg in Syrien durch die Unterstütz­ung von Jihadisten anheizte und Führungsfi­guren der radikalen Palästinen­sergruppe Hamas beherberge. Im Gerichtssa­al in New York stehen die Zeichen auf eine Generalabr­echnung mit der Türkei.

Erdogan argumentie­rt, die IranSankti­onen seien Sache der USA und beträfen nicht die Türkei. Den Prozess in New York nennt er eine weitere Verschwöru­ng der Bewegung des Predigers Gülen.

Die Millionen der Familie

In Ankara präsentier­te Opposition­schef Kemal Kiliçdarog­lu derweil Dokumente, die zeigen sollen, dass Erdogans Familie ein Offshore-Unternehme­n auf der Isle of Man für Überweisun­gen von Millionen von Dollar nutzte.

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Zeichnung: Reuters / Jane Rosenberg Reza Zarrab, während einer Anhörung in New York gezeichnet.

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