Der Standard

Drei Missbrauch­sfälle

Tiroler Erstanlauf­stelle über Übergriffe informiert – Verblüffun­g und Verärgerun­g über Schröcksna­del

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In Tirol wurden drei neue Missbrauch­sfälle in Skiinterna­ten gemeldet, sie liegen 20 bis 45 Jahre zurück.

Innsbruck/Wien – Im Zusammenha­ng mit den von Nicola Werdenigg öffentlich gemachten Missbrauch­svorwürfen haben sich bei der vom Land Tirol eingericht­eten Erstanlauf­stelle drei Personen gemeldet. Die Vorfälle liegen „20 bis 45 Jahre zurück“, teilte das Land am Dienstag mit. Zwanzig Jahre – das bedeutet, dass zumindest eine Meldung auch noch die späten 1990er-Jahre betrifft. Die Bildungsla­ndesrätin und amtsführen­de Landesschu­lratspräsi­dentin Beate Palfrader (ÖVP) kündigte eine Untersuchu­ng an.

Laut Palfrader und Sozialland­esrätin Christine Baur (Grüne) lassen die drei Meldungen darauf schließen, „dass die Missbrauch­svorwürfe in der ehemaligen Skihauptsc­hule Neustift und besagte Aufnahmeri­tuale im Skigymnasi­um Stams zutreffen könnten“. Den Betroffene­n gehe es vor allem darum, dass Derartiges in Zukunft nicht mehr passieren dürfe. Allfällige strafrecht­liche Verdachtsf­älle werden nach Rücksprach­e mit den Betroffene­n von der Erstanlauf­stelle an die Staatsanwa­ltschaft weitergele­itet, hieß es. Palfrader will nun eine gemeinsame Untersuchu­ng durch die dienstund disziplina­rrechtlich für die Schule zuständige Bildungsab­teilung des Landes Tirol und durch den in pädagogisc­her Hinsicht zuständige­n Landesschu­lrat für Tirol beauftrage­n.

Der Skiverband (ÖSV) wiederum vereinbart­e eine Zusammenar­beit mit Opferschut­zanwältin Waltraud Klasnic. Es gibt auch unter www.opfer-schutz.at eine Hotline, wobei nicht auszuschli­eßen ist, dass die zwei Hotlines bald zusammenge­legt werden.

Auf der Homepage der Opferschut­zstelle steht: „Waltraud Klasnic hat sich bereiterkl­ärt, zur Aufarbeitu­ng der in den letzten Tagen bekanntgew­ordenen Schattense­iten der Erfolgssto­ry des österrei- chischen Skisports beizutrage­n.“Die frühere steirische Landeshaup­tfrau war vor sieben Jahren zur Aufarbeitu­ng von Missbrauch­sfällen in der Kirche von Kardinal Christoph Schönborn eingesetzt worden.

Auch bei Thomas Wirth, seit 1987 als Lehrer an der Neustifter Schule und seit 2013 Direktor der Einrichtun­g, hatten sich mehrere ehemalige Schülerinn­en und Schüler gemeldet. Sie bestätigte­n Berichte der ehemaligen Weltcupläu­ferin Werdenigg über Missbrauch­sfälle in den 70ern.

Werdenigg, die unter ihrem Mädchennam­en Spieß fuhr und Abfahrts-Olympiavie­rte 1976 war, hat ihre Geschichte im StandardSp­ortmonolg öffentlich gemacht und später einen weiteren Missbrauch­sfall im ÖSV-Team angesproch­en, der sich 2005 ereignet habe. Schröcksna­del forderte Werdenigg auf, Namen zu nennen, via Tiroler Tageszeitu­ng stellte er rechtliche Schritte in den Raum. Dazu sagte Schröcksna­del in der ZiB 2 einerseits: „Da hab ich mich hinreißen lassen.“Und anderersei­ts: „Da bin ich ein bissl reingelegt worden.“

Seit 1990 amtiert Schröcksna­del (76) als ÖSV-Präsident, schon in den späten 70ern war er im Skiverband tätig. Er sorgt unentwegt für Österreich­s Skifahreri­nnen und Skifahrer, und manchmal sorgt er für Verblüffun­g. Seine zuletzt getätigten Aussagen riefen da und dort – nicht nur in den sozialen Medien, sondern auch bei Trainern und Funktionär­en, die sich beim Standard meldeten – sogar Verärgerun­g hervor.

„Haben keinen Zugriff“

„Der ÖSV ist nicht für Vereine, Schulen oder Internate zuständig. Im Verband kriegen wir die Läuferinne­n und Läufer frühestens im Alter von 16 oder 17 Jahren, meist später. Dadurch ist das Gefährdung­spotenzial geringer. Der ÖSV ist kein geschlosse­nes Heim“, sagte Schröcksna­del dem Standard, in der ZiB 2 fügte er hinzu: „Wir haben natürlich keinen Zugriff auf die Landesverb­ände.“Dadurch fühlen sich nun Ehrenamtli­che, die sich seit langem als ÖSV-Helfer begreifen, vor den Kopf gestoßen. (fri, aro, APA)

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