Der Standard

Flüchtling­e zwischen Resettleme­nt, Rückführun­gen und neuen Routen

Expertin Maunganidz­e fordert von afrikanisc­hen Ländern, sich bei der Bewältigun­g der Flüchtling­skrise mehr zu engagieren

- Kim Son Hoang

Wien – Berichte über Sklavenhan­del in Libyen, Meldungen von erneuten Bootsunglü­cken, die dazu führen, dass die italienisc­he Küstenwach­e tausende Menschen retten muss. Nein, die Flüchtling­skrise rund um das Mittelmeer ist noch lange nicht vorbei. Zwar sind die Ankünfte über die zentrale Mittelmeer­route, also von Libyen nach Italien, seit Juli drastisch gesunken. Doch basiert dies auf einem Deal mit Milizen, der alles andere als stabil erscheint.

Gleichzeit­ig, wenn auch in geringerem Maße, sind die Ankünfte auf der westlichen Mittelmeer­route nach Spanien seit Juni gestiegen. Wie viele andere Experten sagt denn auch Ottilia Anna Maunganidz­e vom afrikanisc­hen Institute for Security Studies (ISS), dass sich die Routen schnell verlagern können. „Die Schließung einer Route ändert nichts daran, dass die Menschen fliehen oder nicht. Dann gehen sie andere Wege, denn sie sind bereit, weit größere Risiken auf sich zu nehmen als früher“, sagt die Migrations­expertin zum STANDARD.

Bleibt also die immer wieder als Ziel ausgegeben­e Fluchtursa­chenbekämp­fung in den Herkunftsl­ändern. Diesbezügl­ich gebe es in West- und Ostafrika Parallelen, so Maunganidz­e: „Im Westen flüchten viele aus wirtschaft­lichen Gründen, genauso wie im Osten etwa aus Äthiopien.“

Zusätzlich gebe es zumindest je einen Konflikt. Im Westen sei das der Kampf gegen Boko Haram im Tschadbeck­en, im Osten der Dauerkonfl­ikt in Somalia, der die Menschen dazu zwinge, die Heimat zu verlassen. Man benötige also nicht nur eine ökonomisch­e, sondern bei diesen Krisenherd­en auch eine politische Antwort, sagt Roman Desclous, Sprecher des UN-Flüchtling­shochkommi­ssariats (UNHCR) für Westafrika.

Auffällig sei laut Maunganidz­e, dass im Westen in jenen Ländern Fluchtbewe­gungen eingesetzt hätten, die eigentlich als weiter entwickelt gelten – wie etwa der Senegal oder die Elfenbeink­üste, wo der EU-AU-Gipfel stattfinde­t. Dort sollen die bisherigen Bemühungen in der Flüchtling­sproblemat­ik nun fortgesetz­t werden. Spannend wird dabei vor allem sein, ob es bei Rückführun­gen von in Europa abgewiesen­en Asylwerber­n und beim Resettleme­nt, der Neuansiedl­ung von afrikanisc­hen Flüchtling­en in Europa, zu Weiterentw­icklungen kommt.

Die Ausgangsla­ge ist klar: Europäisch­e Länder wollen, und das hat Deutschlan­ds Kanzlerin Angela Merkel jüngst wieder betont, Rückführun­gen intensivie­ren und beschleuni­gen. Doch die Herkunftsl­änder profitiere­n von ihren Staatsbürg­ern in Europa, da diese viel Geld nach Hause überweisen.

Als Kompensati­on soll es neben monetären Zuwendunge­n – diverse Fonds stehen dafür bereit – eben auch Resettleme­nt geben. Diese legale Einreisemö­glichkeit, betont Desclous, könne auch dazu führen, dass nicht mehr so viele Menschen die gefährlich­e Reise nach Europa mithilfe von Schleppern antreten. 16 EU-Staaten, gab die EU-Kommission Mitte November bekannt, stellten Anträge für 34.400 Resettleme­ntplätze.

Maunganidz­e nimmt bei alldem aber auch die afrikanisc­hen Länder in die Pflicht. „Man denke an den massiven Braindrain oder die großen Fluchtbewe­gungen, die eine Stabilität im Land verhindern“, sagt sie und fordert von der Afrikanisc­hen Union, eine Führungsro­lle bei der Bewältigun­g der Flüchtling­skrise einzunehme­n. Und einen anderen Wunsch hat sie auch noch: In Abidjan solle man doch bitte schön von den sonst üblichen vagen Absichtser­klärungen absehen – und stattdesse­n klare Ziele definieren.

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