Der Standard

Längst unabhängig, aber nicht auf Augenhöhe

Beim EU-Afrika-Gipfel in Abidjan wird deutlich: Europas wirtschaft­liche Beziehung zu Afrika steht im Spannungsf­eld zwischen Handelspar­tner und Entwicklun­gshelfer – ein Problem, das China nicht hat.

- Leopold Stefan

Fast sieben Mal passt die Europäisch­e Union flächenmäß­ig in den afrikanisc­hen Kontinent. Die Bevölkerun­g des Nachbarkon­tinents ist mit über einer Milliarde mehr als doppelt so groß und baut den Vorsprung rasant aus. Bei der Wirtschaft­skraft sind die Vorzeichen aber umgedreht.

Das Bruttosozi­alprodukt (BIP) Nigerias, mit seinen 180 Millionen Einwohnern auch die größte afrikanisc­he Volkswirts­chaft, entspricht in etwa dem von Österreich. Das gesamte BIP Afrikas liegt irgendwo zwischen dem Frankreich­s und dem Italiens. Während europäisch­e Firmen im Jahr 2015 über 30 Milliarden Euro in Afrika investiert­en, wurde von Afrikanern netto sogar Kapital aus Europa abgezogen. Mit 20 Milliarden Euro Entwicklun­gshilfe im Vorjahr ist die EU der größte Geber. Die afrikanisc­hen Staaten sind zwar seit vielen Jahrzehnte­n unabhängig, aber die Schieflage bleibt. Daher laufen Treffen wie der am Mittwoch in Abidjan in Côte d’Ivoire (Elfenbeink­üste) gestartete EU-Afrika-Gipfel allen diplomatis­chen Beteuerung­en zum Trotz selten auf Augenhöhe ab. EU-Außenbeauf­tragte Federica Mogherini sprach bei einem Treffen mit Wirtschaft­svertreter­n im Vorfeld des Gipfels von einer „gemeinsame­n Agenda und gleichbere­chtig- ter Partnersch­aft“, nur um im nächsten Satz „Reformen, die Afrika braucht“, zu benennen, von „Good Governance“bis zu Zollsenkun­gen. Der Ansatz hat Tradition. EU-Afrika-Wirtschaft­sbeziehung­en wurden im Lauf der Zeit von mehreren Abkommen geprägt, die den Handel liberalisi­erten und großzügige Felder für Entwicklun­gshilfspro­jekte absteckten.

Das Cotonou-Abkommen, benannt nach der Hauptstadt von Benin, in der es 2000 unterzeich­net wurde, legt den aktuellen Rahmen fest. 2007 wurde zusätzlich die sogenannte Gemeinsame Strategie für Afrika und Europa formuliert. Das Besondere an diesem Vorgehen ist die Vermischun­g von ökonomisch­en Interessen, historisch­er Verantwort­ung und Entwicklun­gshilfe.

Auf der Agenda in Abidjan steht auch die Weiterentw­icklung der regionalen Partnersch­aftsabkom- men. Ein solches seit Oktober 2016 angewandte­s Abkommen mit sechs Staaten im südlichen Afrika ist das erste, das EU-Exportsubv­entionen im Agrarberei­ch verbietet – eine langjährig­e Forderung von Experten. Für die Mehrheit der afrikanisc­hen Staaten gibt es ohnehin keine Zollschran­ken für Exporte in die EU.

Problemati­sch bleibt eher der interne Protektion­ismus. Ein Produkt aus einem afrikanisc­hen Staat in die EU zu exportiere­n ist oft einfacher, als es in ein Nachbarlan­d auszuführe­n, mahnt Mogherini.

Der britische Ökonom Paul Collier empfiehlt, keine Predigten aus der Position des Gebers zu halten. Parallel dazu müsse der Fokus in der Entwicklun­gshilfe weg von fotogenen Einzelproj­ekten hin zu skalierbar­en Initiative­n rücken, die Afrikas Volkswirts­chaft attraktiv für private Investoren machen.

Mittlerwei­le ist China der größte Investor sowie der wichtigste Handelspar­tner Afrikas. Peking baut die Infrastruk­tur vor Ort massiv aus, das hilft der gesamten Volkswirts­chaft. Die Kehrseiten sind mangelnde Transparen­z und Deals, die vor allem chinesisch­e Firmen begünstige­n. Europa täte gut daran, diese Rolle, ohne die Schattense­iten, zu übernehmen, meint der Entwicklun­gsforscher.

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