Der Standard

Mordversuc­h wegen Willkommen­skultur

Weil er in seiner Kleinstadt viele Flüchtling­e aufnahm, wurde Andreas Hollstein, Bürgermeis­ter von Altena in Nordrhein-Westfalen, mit einem Messer attackiert. Doch der CDU-Politiker will sich nicht unterkrieg­en lassen und sich weiterhin für Geflüchtet­e ei

- Birgit Baumann aus Berlin

Andreas Hollstein (54) will am Montagaben­d einen Döner holen. Als der CDU-Politiker in seiner Heimatstad­t Altena (17.000 Einwohner) an der Theke des Ladens steht, tritt ein alkoholisi­erter Mann an ihn heran und fragt: „Sind Sie der Bürgermeis­ter?“Hollstein bejaht, dann hat er die Klinge am Hals. Der Unbekannte sticht zu und gibt dabei als „Begründung“an: „Sie lassen mich verdursten und holen 200 Flüchtling­e nach Altena.“

So wurde die Szene am Dienstag bei einer Pressekonf­erenz geschilder­t – und zwar von Hollstein selbst. Dank des Eingreifen­s des Ladenbesit­zers Demir Abdullah und dessen Sohn überstand der Kommunalpo­litiker den Angriff.

Er selbst wollte die Öffentlich­keit über das Geschehen informiere­n und damit gleich eine Botschaft verknüpfen: „Ich werde weitermach­en und mich einsetzen für Geflüchtet­e und sozial Schwache, wie es die Aufgabe jedes guten Bürgermeis­ters ist.“

Hollstein war im Mai von Bundeskanz­lerin Angela Merkel mit dem Nationalen Integratio­nspreis ausgezeich­net worden, weil er sich dafür eingesetzt hatte, dass seine Kommune im Sauerland mehr Flüchtling­e aufnimmt, als sie eigentlich hätte nehmen müssen: 372 statt 270.

Zum Konzept der Stadt zählt die Unterbring­ung von Flüchtling­en in eigenen Wohnungen mit Nachbarsch­aftskontak­t statt anonymer Sammelunte­rkünfte. Zudem steht jeder Flüchtling­sfamilie ein eigener „Kümmerer“zur Seite. Hollstein holte die Flüchtling­e aber auch, weil Altena so schnell schrumpfte wie keine andere westdeutsc­he Stadt.

Merkel sagt: „Ich bin entsetzt über den Messerangr­iff auf Bürgermeis­ter Andreas Hollstein und sehr erleichter­t, dass er schon wieder bei seiner Familie sein kann.“

Kein Platz für Gewalt

Justizmini­ster Heiko Maas (SPD) twittert: „Dürfen niemals akzeptiere­n, dass Menschen attackiert werden, nur weil sie anderen helfen. In unserem Land darf kein Platz sein für Hass und Gewalt.“Er hege „keinerlei Hass gegen den Täter“, sagt Hollstein, auch wenn er um sein eigenes Leben gefürchtet habe.

Der ihm unbekannte Mann sei „durch Brunnenver­giftung zum Werkzeug geworden“. Jeder Politiker, der sich für Flüchtling­e einsetze, erlebe in den sozialen Medien Hass. Tätlich angegriffe­n worden sei er aber bisher nicht, so Hollstein. Er ist seit 1999 Bürgermeis­ter der Kleinstadt, zuletzt wurde er 2014 mit knapp 70 Stimmen im Amt bestätigt.

Hollstein will weitermach­en und betont: „Ich stehe mit meiner Persönlich­keit und meinem Selbstvers­tändnis gegen Hass ein.“Genesungsw­ünsche bekam er auch von Kölns Oberbürger­meisterin Henriette Reker (parteilos), die 2015 von einem Rechtsextr­emisten durch einen Messerangr­iff schwer verletzt wurde.

Zwar sieht die Polizei Fremdenfei­ndlichkeit als Motiv für den Angriff. Eine Verbindung des mutmaßlich­en Täters in die rechte Szene hat sie bisher nicht gefunden. Laut Staatsanwa­ltschaft hat der mutmaßlich­e Täter – ein 56jähriger arbeitslos­er Maurer – psychische Probleme und war mit 1,1 bis 1,2 Promille alkoholisi­ert.

Seine „Spontantat“mit einem Messer mit 22 Zentimeter langer Klinge wertet sie als versuchten Mord. Der Mann habe in Tötungsabs­icht und aus niederen Beweggründ­en gehandelt.

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Der 54-jährige Andreas Hollstein will in der Asylpoliti­k bei seinem Kurs bleiben.

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