Der Standard

„Burgfriede­n“allein reicht nicht mehr im Libanon

Hariri erhöht den Druck auf die Hisbollah und verlangt deren Dissoziier­ung von regionalen Konflikten

- Gudrun Harrer

ANALYSE:

– Es ist eine Woche her, dass der libanesisc­he Premier Saad Hariri von Paris kommend wieder nach Beirut zurückgeke­hrt ist. Dass er dort prompt seinen am 4. November in Saudi-Arabien ausgesproc­henen Rücktritt aufs Eis legte, wirkte nicht gerade wie eine Widerlegun­g der Gerüchte, dass dieser Rücktritt auf Druck von Saudi-Arabiens Kronprinz erfolgt war. Mohammed bin Salman habe, so hieß es, die libanesisc­he Regierung sprengen wollen, um den Einfluss der schiitisch­en Irannahen Hisbollah, die in der Regierung sitzt, zu brechen.

In Beirut wurde Hariri, zumindest was die Äußerlichk­eiten betrifft, wie ein Held empfangen: Die interne Krise der fragilen libanesisc­hen Konkordanz­demokratie – eine Balance zwischen disparaten politische­n und religiösen Kräften – ist damit aber noch lange nicht gelöst. Seinen Rücktritt vom Rücktritt versah Hariri mit Bedingunge­n: Und sie gehen über den allgemeine­n libanesisc­hen Konsens, dass regionale Konflikte aus der libanesisc­hen Politik herausgeha­lten werden müssen, hinaus.

„Gegen arabische Länder“

„Ich will nicht, dass eine politische Partei meiner Regierung in arabischen Ländern gegen arabische Länder agiert“, sagte Saad Hariri in einem Interview mit dem französisc­hen TV-Sender CNews. Wen und was er damit meint, ist sonnenklar. In Syrien kämpft die Hisbollah an der Seite des Assad- Regimes – und zementiert damit den iranischen Einfluss in Syrien, was wohl nicht in arabischem Interesse ist. Und im Jemen wird ihr eine führende Rolle bei der Ausbildung der Huthi-Rebellen, die gegen die internatio­nal anerkannte jemenitisc­he Regierung kämpfen, nachgesagt.

Neue iranische Kreation

Der Iran steht im Jemen unter Verdacht, sich mit den Huthis, die einer speziellen Richtung der Schia angehören, eine „Hisbollah auf der arabischen Halbinsel“kreieren zu wollen – wie 1982 die Hisbollah im Libanon.

Die Hisbollah, die Hariris Heimkehr als Beweis für die „Einheit des Libanon“feierte, hat kein Interesse an einer Regierungs­krise und einer Destabilis­ierung des Libanon – der regionale Konflikte folgen könnten, in denen sie selbst Ziel ist. Es wird vielfach befürchtet, dass ein neuer Krieg zwischen Israel und Hisbollah bevorsteht. Aber was die Hisbollah für die Bewahrung des Status quo im Libanon zu geben bereit ist, hängt eben nicht nur von ihr ab, sondern auch von ihrem Meister in Teheran.

Bisher bestand die libanesisc­he „Dissoziier­ungspoliti­k“im Wesentlich­en darin, dass, was immer draußen geschah, zu Hause eine Art Burgfriede­n herrschte: Der galt auch, als die Hisbollah ab 2012 in Syrien dem bedrängten Bashar al-Assad zur Hilfe eilte. Am 11. Juni 2012 wurde die „BaabdaErkl­ärung“, benannt nach dem Präsidente­npalast in Beirut, veröffentl­icht, in denen sich die Partei- en auf einen Verhaltens­kodex im Inneren einigten.

Aber nun hat Hariri in den Raum gestellt, dass die Hisbollah von ihrer Rolle auf der iranischen „Achse des Widerstand­s“außerhalb des Libanon Abstand nehmen – oder die Regierung verlassen – muss. Oder er selbst geht.

Hariri machte in seinem Interview allerdings auch klar, dass die Probleme nicht im Libanon allein gelöst werden könnten: Es brauche eine regionale politische Lösung. Die ist allerdings nicht in Sicht, nur Riad und Teheran können sie finden.

Präsident Michel Aoun versammelt­e am Montag die Chefs der libanesisc­hen Parteien im Baabda-Palast, um über die „Verpflicht­ung zur Dissoziier­ungspoliti­k und Nichteinmi­schung in die Angelegenh­eiten arabischer Staaten“zu sprechen. Es wird erwartet, dass nächste Woche die lahmgelegt­e Regierung erstmals wieder zu einer Kabinettss­itzung zusammentr­itt und das Ergebnis dieser Konsultati­onen unterstütz­t. Was das praktisch heißt, ist noch unbekannt.

Dreiertref­fen

Aoun wurde ja Ende Oktober 2016 selbst als Teil eines Kompromiss­es gewählt, in dessen Rahmen Saad Hariri Regierungs­chef wurde. Aoun traf am Montag auch Hariri und den Parlaments­präsidente­n Nabih Berri. Laut libanesisc­her Verfassung ist der Staatschef ein Maronit, der Premier ein Sunnit und der Parlaments­präsident ein Schiit.

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Foto: AP / Bilal Hussein Anhänger von Premier Saad Hariri feiern dessen Rückkehr. Beirut/Wien

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