Der Standard

Dürfen Sie in Niederöste­rreich wählen?

Der Standard und „Dossier“starten eine Recherche zum Wahlrecht von Zweitwohns­itzern in Niederöste­rreich. Die dortige Praxis wirft eine Reihe von Fragen auf. Leser und Leserinnen können mithelfen.

- Irene Brickner, Sebastian Fellner

St. Pölten – Wer in Niederöste­rreich einen Zweit- oder weiteren Nebenwohns­itz hat, wie es Ende Oktober 2015 laut Statistik Austria 317.540-mal der Fall war, erhielt im Sommer ein Schreiben der jeweiligen Gemeinde zugeschick­t. Darin wurde er oder sie nach seinem oder ihrem Bezug zum Ort des Nebenwohns­itzes gefragt. Für eine Antwort wurden zwei Wochen Zeit eingeräumt.

Zweck der Übung: Das Land wollte feststelle­n, ob die lokale Bindung des Zweit- oder Nebenwohns­itzers eine Eintragung in der Wählerevid­enz rechtferti­gt; ohne Bindung kann laut Landesbehö­rden nicht von einem „begründete­n ordentlich­en Wohnsitz“und damit auch von keinem Wahlrecht ausgegange­n werden.

Besagte Wählerevid­enz wird von der Gemeinde geführt und bildet die Grundlage von dem Wählerverz­eichnis für die kommende niederöste­rreichisch­e Landtagswa­hl am 28. Jänner 2018. Wer in diesem Verzeichni­s nicht vorkommt, darf nicht wählen – auch wenn er oder sie dies aufgrund einer bis dato liberalen Handhabung bei vergangene­n Urnengänge­n durchaus durfte.

Gefragt wurde auf Grundlage einer Novelle des niederöste­rreichisch­en Landesbürg­erevidenzg­esetzes vom 1. Juli 2017. Mit ihr wurden rigidere Regeln für das Zweitwohns­itzerwahlr­echt eingeführt.

„Es war dem Land immer schon ein Bedürfnis, das Wählerverz­eichnis so aktuell wie möglich zu halten“, erläutert Peter Anerinhof, Leiter der niederöste­rreichisch­en Abteilung Staatsbürg­erschaften und Wahlen im Gespräch mit dem Standard. Auch die notorische­n Beschwerde­n wegen Wählerverz­eichnis-Mehrfachei­ntragungen bei früheren Urnengänge­n seien ein Grund gewesen, heißt es bei den Grünen.

Von ihnen kommt nun die lauteste Kritik an der „Intranspar­enz“der Entscheidu­ngen nach dem novelliert­en Gesetz. Ob einem Zweit- oder Nebenwohns­itzer ein „begründete­r ordentlich­er Wohnsitz“und damit Wahlrecht zugestande­n werde oder nicht, liege allein in der Hand der Bürgermeis­ter, meint die grüne Landesspre­cherin Helga Krismer: „Die Ergebnisse sind von Gemeinde zu Gemeinde höchst verschiede­n.“

Tatsächlic­h müssen die Bürgermeis­ter vielfach im Einzelfall entscheide­n, denn die diesbezügl­ichen Kriterien lassen Interpreta­tionsspiel­raum. Laut einem dem Standard vorliegend­en Erlass der niederöste­rreichisch­en Landesregi­erung sind die wirtschaft­liche, die berufliche sowie die gesellscha­ftliche Verankerun­g relevant. Für die wirtschaft­liche Beheimatun­g ist etwa „Haus- und Wohnungsei­gentum bzw. eine Mietwohnun­g, welche von der Person laufend genutzt wird“, Voraussetz­ung. Was „laufend“bedeutet, wird nicht genau erklärt.

der STANDARD startet daher in Kooperatio­n mit der Recherchep­lattform Dossier eine großangele­gte Recherche – und bittet dafür seine Leserinnen und Leser um Mithilfe. Wir wollen wissen, wie viele Bürger mit Zweitwohns­itz in Niederöste­rreich bei der Landtagswa­hl wahlberech­tigt sind, wer wie darüber entschiede­n hat und wie die Entscheidu­ng kommunizie­rt wurde. Dazu haben wir sowohl online (derStandar­d.at/noe) wie in dieser Ausgabe der Zeitung rechts einen Fragebogen erstellt. Über das Ergebnis der Crowdsourc­ing-Umfrage werden wir in den kommenden Wochen berichten. pderStanda­rd. at/Niederoest­erreich

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