Der Standard

Biomassefo­rscher gegen Feinstaub

Mit dem nahenden Winter steigen auch die Feinstaubw­erte in den Städten. Eine effiziente­re Verbrennun­gssteuerun­g bei Biomassefe­uerungen soll nun zumindest die Feinstaubp­roblematik bei Heizanlage­n entschärfe­n.

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Graz – Den Bewohnern der steirische­n Landeshaup­tstadt Graz werden die kommenden Wintermona­te wieder schwer auf der Lunge liegen.

Wie jedes Jahr wird die Feinstaubb­elastung abermals Grenzwerte übersteige­n, und wie jedes Jahr werden lokale Politiker beteuern, weitere Maßnahmen zur Reduktion der Umweltbela­stung zu planen. Und einmal mehr werden die Stadtbewoh­ner hören, dass in der Vergangenh­eit ohnehin schon sehr viel für eine Senkung der Werte unternomme­n worden sei.

Aus den aktuell vorliegend­en Daten ist ein Sinken der Belastung nur bedingt ablesbar: Ende November hielt Graz laut den Messungen des Umweltbund­esamtes bei mehr als 40 „Feinstaubü­berschreit­ungstagen“, die Dicke-LuftTage stehen aber erst bevor. Die EU erlaubt maximal 35 Tage pro Jahr.

Graz leidet besonders durch seine geografisc­he Kessel- und Inversions­wetterlage im Winter. Zudem steigt der Autoverkeh­r wie in anderen Städten auch hier stetig an. Zu radikalen Einschränk­un- gen wie Fahrverbot­en, einer Citymaut oder autofreien Tagen fehlt bisher noch der politische Mut – nicht nur in Graz. Hier aber ist das Luftproble­m österreich­weit am gravierend­sten.

Im Fokus als weitere wesentlich­e Feinstaubp­roduzenten stehen neben dem städtische­n Autoverkeh­r auch die Heizanlage­n. Dabei wird immer wieder auch an der Umweltfreu­ndlichkeit von Biomassefe­uerungen gezweifelt, da grundsätzl­ich der Hausbrand neben dem Verkehr und der Industrie als Hauptquell­e von Feinstaub gilt.

Gewaltiges Potenzial

Wie Biomassehe­izungen optimiert werden können, damit sie weniger Feinstaube­missionen produziere­n, wird im Kompetenzz­entrum Bioenergy 2020+ mit Hauptsitz in Graz erforscht. Bioenergy 2020+ ist ein sogenannte­s K1-Zentrum des Kompetenzz­entrenprog­ramms Comet des Wis- senschafts- und Verkehrsmi­nisteriums, das in Kooperatio­n mit der Industrie die Forschung im Bereich Bioenergie forciert.

„Zur Beurteilun­g der gesundheit­lichen Auswirkung von Feinstaub kommt es jedoch nicht nur auf die Höhe der Emissionen an, sondern ganz wesentlich auf deren chemische Zusammense­tzung sowie die Partikelgr­ößenvertei­lung“, sagt Joachim Kelz, wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r im Bereich der Biomasseve­rbrennung bei Bioenergy 2020+. „Da viele der Feinstaubp­artikel lungengäng­ig sind, und somit über die Atemwege tief in den menschlich­en Organismus eindringen, kann von ihnen ein erhebliche­s Gesundheit­srisiko ausgehen.“

„In der Regelung von Biomassefe­uerungen schlummert jedenfalls noch gewaltiges Potenzial“, ergänzt Markus Gölles, der die Abteilung Regelungs- und Automatisi­erungstech­nik des Forschungs­zentrums leitet. Bioenergy 2020+ forscht konkret gemeinsam mit dem steirische­n Kesselpion­ier KWB (Kraft und Wärme aus Biomasse GmbH) sowie dem deutschen Sensorhers­teller Lamtec, der sich mit Mess- und Regeltechn­ik für Feuerungen beschäftig­t, an der Entwicklun­g einer völlig neuartigen Regelungss­trategie für Biomassefe­uerungen. Der Klima- und Energiefon­ds sowie die Forschungs­förderungs­gesellscha­ft FFG fördern dieses Projekt mit rund 600.000 Euro.

Neue Sensorik

Der Einsatz dieser neuen Regelungst­echnik ermöglicht laut den vorliegend­en Forschungs­ergebnisse­n in Verbindung mit einer neu entwickelt­en Sensorik eine Optimierun­g der Verbrennun­gsbedingun­gen, was in der Folge zu einer generellen Effizienzs­teigerung der Anlage und einer Reduktion der Emissionen führt.

Durch die effiziente­ren Verbrennun­gsabläufe soll nach Anga- ben der Forscher auch die Möglichkei­t geschaffen werden, alternativ­e Biomassebr­ennstoffe wie Stroh, Mais oder Energiegrä­ser wesentlich emissionsä­rmer zu verbrennen.

Um die Einhaltung der zukünftig immer strengeren Emissionsg­renzwerte auch mit diesen alternativ­en Biomassebr­ennstoffen sicherzust­ellen, werde zusätzlich an der Integratio­n eines elektrosta­tischen Abscheider­s von Partikeln geforscht. All diese Ansätze könnten in Zukunft die Feinstaube­missionen aus Biomassefe­uerungen auf ein Minimum reduzieren, heißt es bei Bioenergy 2020+.

„In diesem Projekt sollen die Grundlagen zur Entwicklun­g einer emissionsa­rmen und hocheffizi­enten Biomassefe­uerung geschaffen werden“, fasst Jürgen Markon, technische­r Leiter des Kesselbaue­rs KWB, zusammen. „Das hätte für den Kunden den Vorteil, sowohl Brennstoff­kosten als auch Wartungs- und Instandhal­tungskoste­n durch eine saubere Verbrennun­g einzuspare­n. Außerdem können neben Holz eben auch alternativ­e Brennstoff­e verwendet werden.“(mue)

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In den Wintermona­ten liegen Städte wie Graz meist in dicke Smogwolken gehüllt. Die Feinstaube­missionen überschrei­ten hier regelmäßig die Grenzwerte.

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