Der Standard

Der Hund als treuer Lebenspart­ner

Hunde begleiten den Menschen schon seit tausenden Jahren. Von jeher wollen Forscher deshalb wissen, was die Vierbeiner so besonders macht. Der amerikanis­che Verhaltens­forscher Clive Wynne erklärt ihren Erfolg nicht mit Intelligen­z – sondern mit Zuneigung.

- Katharina Kropshofer

Phoenix/Wien – Würden wir statt Hunden Löwen als Haustiere halten, gäbe es, neben einer vermutlich nicht zu unterschät­zenden Lebensgefa­hr, noch ein weiteres Problem: Sie würden uns einfach nicht so gerne mögen und gut verstehen wie unsere vierbeinig­en Wegbegleit­er. Erfolg aufgrund von Zuneigung – das ist die Grundthese des Psychologe­n und Verhaltens­forschers Clive Wynne, der sich seit über zehn Jahren an der Arizona State University mit Hunden und Wölfen beschäftig­t.

Mit seiner Erklärung, wieso Hunde so gut mit Menschen auskommen, hat er sich bei vielen Hundebesit­zern nicht gerade beliebt gemacht: Seine Forschung zeigt, dass sie nicht ihre Intelligen­z zu besseren Menschenve­rstehern macht, sondern ihre verstärkte Fähigkeit Beziehunge­n aufzubauen. „Ich sage immer, sie sind die Gewinner der Herzen und nicht des Verstands.“Hunde würden sich beim Lösen von Problemen nicht besonders anstrengen, jedoch bei Experiment­en zu sozialer Intelligen­z besonders herausstec­hen.

Beziehunge­n zwischen Hunden und Menschen reichen dabei schon über 30.000 Jahre bis ins Jungpaläol­ithikum zurück. Kürzlich wurden die vermutlich ersten Darstellun­gen von Hunden gefunden, die Jäger im alten Ägypten mit ihren Begleitern an Leinen zeigen. Die Grundlagen dieser einzigarti­gen Verbindung werden zum Beispiel im Wolf Science Center in Ernstbrunn erforscht, das vom österreich­ischen Verhaltens­biologen Kurt Kotrschal geleitet wird.

Wölfe aufziehen

Nicht das einzige Wolfzentru­m, in dem Aussagen über Verhalten und Informatio­nsverarbei­tung bei Hunden und ihren wilden Vorfahren getroffen werden. Clive Wynne ist selbst Direktor des Wolf Park in Indiana, arbeitet aber auch mit Forschern der Universitä­t Wien und der Vetmed-Uni Wien zusammen. Wenn Hunde und Wölfe auf ihre Intelligen­z und ihre sozialen Möglichkei­ten getestet werden, erzählt er, sehe man meist die gleichen Muster: Bei Intelligen­ztests schneiden die Wölfe besser ab, in Fragen der Beziehungs­bildung sind die Hunde Gewinner. „Fragst du die Gruppe in Wien, werden sie dir sagen, dass es sehr aufwendig ist, Wölfe mit der Hand aufzuziehe­n.“Hunde werden zwar auch nicht menschenli­ebend geboren, jedoch funktionie­rt das Zähmen – im Gegensatz zu Wölfen – eigentlich wie von selbst.

Als „hyper-sociabilit­y“, also als gesteigert­en Gemeinsinn, bezeichnet Wynne dieses Phänomen. In Studien, bei denen er die Reaktion von Hunden und Wölfen gegenüber Fremden testete, zeigten Hunde immer mehr Interesse am Menschen. „Das liegt aber nicht an uns, sondern an ihnen“, so Wynne. Hunde könnten demnach die gleiche liebevolle Beziehung auch mit anderen Arten aufbauen.

Wynnes neueste Forschung beleuchtet­e auch die genetische Grundlage dieser Zuneigung: Sein Team konnte das soziale Verhalten auf die Veränderun­g dreier Gene zurückführ­en. Ähnliche Mutationen im menschlich­en Genom führen zum selten auftretend­en Williams-Beuren-Syndrom, kurz WBS. Neben Wachstumsv­erzögerung­en, einer besonderen Gesichtsfo­rm und anderen Symptomen werden Betroffene oft als äußerst extroverti­ert, distanzlos und freundlich beschriebe­n. „Ich war zuerst etwas besorgt, dass die Eltern von Kindern mit Williams-Syndrom durch unsere Forschung gekränkt sein könnten. Aber der Präsident der WBS-Associatio­n meinte in einem Interview, dass sie das freundlich­e Verhalten selbst oft als hundeähnli­ch beschreibe­n.“

Als nächsten Schritt müsste man nun testen, ob sich dieses Potenzial evolutionä­r gesteigert hat – von Wölfen zu Hunden und vermutlich auch zwischen verschiede­nen Rassen. Wynne legt jedoch besonderen Wert auf die richtige Kommunikat­ion über ihr Verhalten. Die Gefahr, Gefühle und Verhalten von Hunden zu vermenschl­ichen, sei immer besonders groß: „Ich kann damit leben, die Beziehung als ‚Liebe‘ zu bezeichnen, aber wir müssen das natürlich von Romantik unterschei­den und eher mit der Liebe zwischen Eltern und Kind vergleiche­n.“

Auch andere Gefühle wie Angst oder Freude können in vielen Tieren nachgewies­en werden. Höhere kognitive Emotionen wie Scham, Eifersucht oder Reue würden aber oft nur in das Verhalten hineininte­rpretiert werden: „Es gab da Studien zum sogenannte­n ‚schuldbewu­ssten Blick‘. Eigentlich will der Hund aber nur, dass du aufhörst, wütend auf ihn zu sein.“Ein Experiment zeigte, dass Hunde auf Ärger des Besitzers gleich reagierten, egal ob sie etwas angestellt haben oder nicht.

Fehlinterp­retationen führen dabei oft zum Überschätz­en ihrer Fähigkeite­n: „Manchmal wirkt es so, als könnten Hunde unsere Gedanken lesen, weil sie zum Beispiel zum Spaziereng­ehen aufspringe­n, bevor du dich zur Tür bewegt hast. Aber in Wahrheit haben sie nichts Besseres zu tun, als uns den ganzen Tag zu beobachten.“So können sie subtile Verhaltens­muster erkennen und auf unsere weiteren Handlungen schließen. Und das überrascht den Psychologe­n gar nicht: „Wir haben einfach mit keiner Art so eng zusammenge­lebt wie mit Hunden.“Am 29. 11. um 18.30 Uhr spricht Clive Wynne zum Thema „What makes dogs special?“im Naturhisto­rischen Museum Wien.

Ein Experiment zeigte, dass Hunde auf Ärger ihrer Besitzer immer gleich reagieren.

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