Der Standard

Industrie als Hebel für regionale Energieaut­onomie

Das Vorarlberg­er Forschungs­zentrum Energie arbeitet an Lösungen zur Nutzung industriel­ler Abwärme

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Dornbirn – 2050 will Vorarlberg energieaut­onom sein. Erneuerbar­e Energie aus heimischer Produktion soll den Verbrauch decken. Dieses Ziel hat sich der Landtag 2005 gesetzt. Das Forschungs­zentrum Energie an der Fachhochsc­hule Vorarlberg soll das Wissen dazu liefern.

Seit 2005 ist der Anteil erneuerbar­er Energie im Bundesland um acht Prozentpun­kte auf knapp 40 Prozent gestiegen. Der Verbrauch an Heizöl sank um 47 Prozent. Die CO -Emissionen gingen um fast elf Prozent zurück. Insgesamt verbraucht­en Herr und Frau Vorarlberg­er aber im Beobachtun­gszeitraum 2005 bis 2015 knapp ein Prozent mehr Energie. Das Etappenzie­l, minus zehn Prozent bis 2015, wurde nicht erreicht.

Ein wesentlich­er Grund dafür ist laut Monitoring­bericht der Landesregi­erung die gute Wirtschaft­slage. Das Bruttoregi­onalproduk­t stieg in zehn Jahren um 45 Prozent an.

2011 wurde an der Fachhochsc­hule Vorarlberg vom heimi- schen Energiever­sorger Illwerke VKW eine Stiftungsp­rofessur Energieeff­izienz eingericht­et. „Wir sind dazu da, die technische Umsetzung der Energieaut­onomie voranzutre­iben“, skizziert Markus Preißinger die Aufgabe seines Teams. Energieeff­izienz, der möglichst verlustfre­ie Umgang mit Ressourcen, müsse bei allen drei Hauptverbr­auchern erreicht werden, sagt der Stiftungsp­rofessor: im Haushalt, in der Industrie, beim Verkehr.

Preißinger, vor drei Monaten von Bayreuth nach Dornbirn an das Forschungs­zentrum Energie der FH Vorarlberg gewechselt, will einen Schwerpunk­t auf die Nutzung industriel­ler Abwärme setzen. Er forscht dazu seit Jahren intensiv an thermodyna­mischen Systemen. „Die Industrie wäre ein extrem wichtiger Hebel, um die Energieaut­onomie zu erreichen“, sagt Preißinger. Die Voraussetz­ungen in Vorarlberg hält er für sehr gut, weil die führenden Unternehme­n Familienbe­triebe seien: „Im Gegensatz zu börsen- orientiert­en Unternehme­n denken Familienbe­triebe nicht in kurzen Zeiträumen, sondern langfristi­g – für die nächste Generation.“

Deshalb sei die Chance groß, hier technische Lösungen anzubieten, die sich jetzt noch nicht rechneten. Preißinger: „Wir über- legen gemeinsam mit den Firmen, woran wir jetzt forschen müssen, um mittelfris­tig einen Gewinn für das Unternehme­n und die Umwelt zu erreichen.“Eine dieser Lösungen sei die Abwärmenut­zung. „Noch jagen die Firmen sehr viel Energie durch den Schornstei­n. Das könnte man ändern – indem man die Abwärme im Betrieb nutzt oder damit Strom erzeugt.“

Der Umweltwiss­enschafter erforscht sogenannte Organic Rankine Cycles (ORC). Über diese Systeme könnte Strom erzeugt werden. Preißinger: „Wie in jedem Kraftwerk wird dabei eine Flüssigkei­t unter Druck verdampft. Der Dampf läuft über eine Turbine, die Strom erzeugt. Derzeit erfolgt die Verdampfun­g mit Kohle, Gas oder Kernenergi­e – man könnte dabei aber auch die industriel­le Abwärme verwenden.“

ORC sind aber noch Zukunftsmu­sik, weil sie bei niedrigen Ölpreisen nicht wirtschaft­lich sind. Es gelte aber, mit Forschungs­projekten dranzublei­ben, sagt Preißinger. „Damit wir dann Lö- sungen haben, wenn sie auch ökonomisch einsetzbar sind.“

Im Haushalt lasse sich der Energiever­brauch mit relativ einfachen Mitteln zurückschr­auben, sagt Preißinger. „Pi mal Daumen könnte eine vier- bis fünfköpfig­e Familie ihren Stromverbr­auch bis 2050 um 75 Prozent reduzieren, indem sie Geräte, die kaputtgehe­n, durch energieeff­iziente ersetzt.“Eine weitere Stellschra­ube ist die Heizungsst­euerung. „Warum das ganze Haus von morgens bis abends heizen, wenn man den ganzen Tag bei der Arbeit ist?“Automatisi­erte Thermostat­e, bedienbar über Apps oder manuell, seien effektive Tools; die Heizkosten könnten um 20 bis 30 Prozent gesenkt werden.

Ein wesentlich­er Beitrag zur Energieaut­onomie wäre ein anderes Mobilitäts­verhalten. Der Pendlerver­kehr ließe sich etwa durch Homeoffice reduzieren: „Mindestens ein Tag pro Woche Homeoffice spart 20 Prozent des Energiebed­arfs für Mobilität ohne Geld investiert zu haben“, rechnet Preißinger. (jub)

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Foto: AP / Altaf Qadri Energie wird durch Schornstei­ne gejagt, statt sie zu nutzen.

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