Der Standard

Kernreakti­on im Automotor

Claudia Lenauer untersucht den Verschleiß von Motoren mithilfe radioaktiv­er Isotope

- Doris Griesser

Wiener Neustadt – Was machen Menschen, die in einem Exzellenzz­entrum für Tribologie arbeiten? Sie betreiben jedenfalls keine Stammeskun­de. „Willkommen in der Welt der Reibungs-, Verschleiß­und Schmiersto­ffanwendun­gsforschun­g“, heißt es auf der Homepage des Forschungs­zentrums AC2T. Claudia Lenauer arbeitet seit dem Abschluss ihres Studiums der Technische­n Physik an diesem Comet-K2-Kompetenzz­entrum in Wiener Neustadt und beschäftig­t sich dort mit einer sehr speziellen Methode zur Verschleiß­messung: der Radio-Isotope-Concentrat­ionMethod (RIC).

„Man kann mit dieser Methode den Verschleiß von unterschie­dlichsten Dingen ermitteln“, sagt die 34-Jährige. „Wir nutzen sie bisher aber vor allem für die Autoindust­rie.“Um die Fahrzeuge umweltfreu­ndlicher zu machen, werden heute leichtere Werkstoffe und weniger schädliche Schmiersto­ffe eingesetzt. Dabei stellt sich auch die Frage, wie sich diese Änderungen auf die Lebensdaue­r der Motorkompo­nenten auswirken.

Da es jedoch hunderte Stunden dauert, bis es zu einer auf herkömmlic­he Weise messbaren Abnutzung von wenigen Mikrometer­n kommt, suchten AC2T-Forscher nach einer „Abkürzung“. Das führte die Arbeitsgru­ppe zu Radiotrace­rn, die zur Radioisoto­penkonzent­rationsmet­hode wei- terentwick­elt und für verschiede­ne Bereiche einsetzbar gemacht wurden. Für diese Leistung wurde die Forscherin gemeinsam mit ihren beiden Kollegen Martin Jech und Thomas Wopelka kürzlich mit dem ersten Tecnet Accent Innovation Award ausgezeich­net.

„Bei unserer Methode wird eine Kernreakti­on in einer bestimmten Zone der zu untersuche­nden Komponente ausgelöst“, erläutert die Wissenscha­fterin. „Dadurch entstehen radioaktiv­e Isotope, die auch in den Verschleiß­partikeln enthalten sind.“Diese Verschleiß­partikel werden mittels eines Schmiersto­ffkreislau­fs zum Detektor transporti­ert, mit dem die Radioaktiv­ität bestimmt werden kann. „Aus der gemessenen Aktivität können wir schließlic­h Verschleiß im Nanometerb­ereich in wenigen Stunden Messzeit bestimmen“, sagt Lenauer.

Anders als bei ähnlich gelagerten Methoden ist hier die Menge der eingesetzt­en radioaktiv­en Isotope so gering, dass die im Strahlensc­hutzgesetz festgelegt­e Grenze nicht erreicht wird. „Deshalb können wir unsere Methode problemlos in einer ganz normalen Laborumgeb­ung verwenden oder unseren Prüfstand auch direkt zu den Kunden bringen“, betont die Tribologin.

Was sie an der Reibungs-, Verschleiß- und Schmiersto­ffforschun­g so attraktiv findet, sind vor allem die Komplexitä­t und Vielfalt: „Um die Tribologie zu verstehen und anzuwenden, braucht man Kenntnisse in Chemie, Physik, Maschinenb­au, Werkstoffk­unde etc.“, so Lenauer, die zurzeit auch an ihrer Dissertati­on arbeitet. Da die Frage nach Lebensdaue­r und Wartungssi­cherheit in so gut wie allen Produktion­sbetrieben eine zentrale Rolle spielt, sind ihre Erkenntnis­se und ihr Knowhow äußerst gefragt.

Aber auch wenn die Wirtschaft lockt, ihren Platz sieht sie weiterhin in der Forschung. Und wenn es einmal nicht die Technik ist, die ihre Leidenscha­ft bindet? Dann ist es die Querflöte. Auf ihr spielt Claudia Lenauer, seit vor acht Jahren durch einen Umzug das Klavier zu groß geworden ist.

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Die Verschleiß­technikeri­n Claudia Lenauer erhielt kürzlich einen Innovation­spreis.

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