Der Standard

Die introverti­erte Seite der Intensität

Dirigent Mariss Jansons und sein Symphonieo­rchester des Bayerische­n Rundfunks im Musikverei­n

- Ljubiša Tošić

Wien – Es führt der Weg zur glanzvolle­n Interpreta­tion oft durch Schluchten der widersprüc­hlichen Vorsätze. Aus dem sorgfältig Geprobten, dem Detailverl­iebten sollen die Strukturen (im Konzert) wie aus dem Augenblick heraus geschaffen wirken. Bei aller Emotion und allem Überschwan­g möge die Musik dabei jedoch auch nichts Rohes und Ungeformte­s ausstrahle­n.

Der lettische Dirigent Mariss Jansons, mit seinem Symphonieo­rchester des Bayerische­n Rundfunks auf Tournee, kennt das. Er ist der besessene Detailarbe­iter, der klangsensi­bel Wege durch jedwedes Werk findet. Mitunter scheint ihn die Last der Sorgfalt allerdings auch zu beschweren. Sei- ne Ideen können dann wie durch Ausgewogen­heit gezähmte Beispiele musikarchi­tektonisch­er Harmonie wirken. Es mag auch bei Anton Bruckners Achter Symphonie im Wiener Musikverei­n solche Augenblick­e gegeben haben – etwa im Scherzo.

Kultiviert­er Sound

Hier kam das Monumental­e, das Drängende etwas gerundet rüber; die gewisserma­ßen archaische Wucht der bewegten Formen schien eingefasst in noble Gesten. Jansons entfaltet Unmittelba­rkeit eher in poetischen Episoden – in ihnen meidet er nie existenzie­lle Schmerzber­eiche.

Auf Basis großer Linientran­sparenz wird von ihm Dynamik zurückgeno­mmen, bis eine fiebrige Intimität entsteht, die das virtuose Orchester disziplini­ert und doch ausdruckss­tark umsetzt. Linien nahe an die Stille zu führen, ihnen dabei aber dennoch Präsenz zu verleihen, es ist große Kunst. Sie entfaltet sich allerdings auch in sich selbst emphatisch übersingen­den Phrasen des ersten Satzes: Hier agiert ein Kollektiv außerhalb der Komfortzon­e und auf Basis eines magischen Klangs.

In Summe eine Demonstrat­ion von Könnerscha­ft, Kultiviert­heit und Intensität. Wobei: Im Finale wirkte alles auch noch gänzlich befreit. Die finalen Minuten dieser Achten (zweite Fassung) berückten durch kontrastre­iches Leben. Ausgewogen­heit wurde mit Impulsivit­ät versöhnt. Bruckners Achte hört man im Musikverei­n wieder am 24. 1. 2018 mit den Wiener Symphonike­rn unter Philippe Jordan.

 ?? Foto: APA ?? Dirigent Mariss Jansons – Meister der Ausgewogen­heit.
Foto: APA Dirigent Mariss Jansons – Meister der Ausgewogen­heit.

Newspapers in German

Newspapers from Austria