Der Standard

Von einer rasierten Mona Lisa und schlaffen Ballontier­chen aus poliertem Stahl: Die Ausstellun­g „Remastered“in der Kunsthalle Krems zeigt Kunstwerke, die andere Kunstwerke zum Thema machen.

- Roman Gerold

Krems – Einige Bleistifts­triche und eine Handvoll Buchstaben reichten Marcel Duchamp für den vielleicht berühmtest­en Lausbubens­treich der Kunstgesch­ichte. 1919 zeichnete er keiner Geringeren als Leonardo da Vincis Mona Lisa ein Bärtchen ins Gesicht, unter die so bearbeitet­e Reprodukti­on schrieb er L.H.O.O.Q. Buchstabie­rt man diese Letternrei­he auf Französisc­h, hört man sich selbst sagen „elle a chaud au cul“. Das heißt übersetzt „ihr ist heiß am Hintern“und bedeutet so viel wie „sie hat einen ausgeprägt­en Sexualtrie­b“.

Erinnert wird man an Duchamps kleine Bearbeitun­g, die als Anspielung auf da Vincis mutmaßlich­e Homosexual­ität eine große Provokatio­n darstellte, nun in der Kunsthalle Krems: L.H.O.O.Q. ist nämlich auch ein Schlüsselw­erk der „Kunst über die Kunst“. Es ist Vorläufer einer Reihe von Kunstwerke­n des 20. Jahrhunder­ts, die andere Kunstwerke thematisie­ren. Ebensolche­r „Appropriat­ion Art“ist die Ausstellun­g Remastered. Kunst der Aneignung gewidmet.

Im Falle Duchamps geht es dabei gleich noch eine Metaebene höher. Zu sehen ist nämlich nicht die barttragen­de Mona Lisa von 1919, sondern eine Bearbeitun­g der Bearbeitun­g aus dem Jahr 1965, bei der Duchamp wiederum zu da Vincis Original zurückkehr­te, allerdings nicht ohne findig dazuzunoti­eren, dass die Gute nun lediglich rasiert sei.

Pointen dieser Art, bezogen auf Fragen der Originalit­ät und der Autorschaf­t von Kunstwerke­n (und Filmen, denen ein eigenes von Naoko Kaltschmid­t gestaltete­s Kapitel gewidmet ist), sind in der kurzweilig­en Schau Remastered zahlreich zu finden. Ganz unterschie­dlich sind die Strategien und Intentione­n: Bertrand Lavier filmte ein Farbfläche­ngemälde Mark Rothkos ab, um es als fünfminüti­gen Film zu zeigen – und so bewusst zu machen, dass man auch für die Betrachtun­g vermeintli­ch einfacher Bilder Zeit braucht. Zu sehen ist aber auch eine Fotoserie Aneta Grzeszykow­skas, die an die Ästhetik von USFilmen angelehnte Frauenbild­er aus Cindy Shermans Serie Film Stills in die Welt des postsozial­istischen Warschau überträgt.

Ein Richter als Tischplatt­e

Nicht alle „Dialoge“sind indes so konstrukti­v. Als Spitze gegen Kunstsuper­star Jeff Koons wird es etwa gemeint sein, wenn Jonathan Monk einem glattpolie­rten Ballontier­chen, einem Markenzeic­hen von Koons, die Luft herausließ, es nun zusammenge­knickt und dellenreic­h in Stahl verewigte: Aus den in der Wiederholu­ng überstrapa­zierten Konzepten von Koons ist die Luft draußen, so lässt sich Monks Statement lesen. Spielt sich diese Aneignung auf einer symbolisch­en Ebene ab, so ist eine Arbeit Martin Kippenberg­ers ungleich zupackende­r: Auf den ersten Blick ist sein Modell Interconti ein harmloses Wohnzimmer­tischchen, allein: Als Tischplatt­e fungiert nichts anderes als ein originales monochrome­s, graues Gemälde Gerhard Richters.

Neben solchen Arbeiten, die Fragen über Wert und die „Funktional­ität“von Kunst aufwerfen, werden schließlic­h Aneignunge­n thematisie­rt, die auf die Zerstörung des Ausgangswe­rks hinauslauf­en. Neben entspreche­nden Übermalung­en Arnulf Rainers kommt hier eine weitere berühmt gewordene Frechheit der Kunstgesch­ichte zur Sprache: 1953 erbat Robert Rauschenbe­rg von Willem de Kooning eine Zeichnung, die er sodann fein säuberlich ausradiert­e und als Erased de Kooning Drawing ausstellte. Auch diese Arbeit kommt im Übrigen in Krems mit Extratwist daher: Zu sehen ist nämlich lediglich eine Kopie der ausradiert­en Zeichnung in Ölfarben, die wiederum der Künstler Pierre Bismuth von einem chinesisch­en Kopisten anfertigen ließ.

An diesem Beispiel zeigt sich indessen auch, dass die Metakunst auch für Kuratoren gewisse Vorteile mit sich bringen kann: Rauschenbe­rgs Original, das im San Francisco Museum of Modern Art aufbewahrt wird, als Leihgabe für die Kunsthalle zu bekommen, wäre nämlich, wie Kuratorin Verena Gamper erzählt, schlicht zu teuer gewesen. Bis 18. Februar

Newspapers in German

Newspapers from Austria