Der Standard

KOPF DES TAGES

Eine Opferschüt­zerin für alle Fälle

- Colette M. Schmidt

Waltraud Klasnic, wen habe ich da?“, meldet sich eine freundlich­e Stimme am vor wenigen Stunden eingericht­eten Handy. Dann sprudelt es nur so aus ihr heraus: „Es ist erst seit gestern offiziell, aber ich bin schon erreichbar und bereite jetzt einmal die Strukturen vor.“Ein Team, unter anderem mit Psychologe­n und Pädagogen, stelle sie noch zusammen. Sie nehme aber jedes einzelne Gespräch persönlich an. Ob sich schon viele bei der Hotline gemeldet haben? „Sie sind die Erste“, sagt sie dem Standard.

Klasnic soll künftig Ansprechpe­rson für all jene sein, die Missbrauch­sfälle beim Österreich­ischen Skiverband (ÖSV) melden wollen. Als Opferschut­zbeauftrag­te für die katholisch­e Kirche hat sie schon seit 2010 viel Erfahrung gesammelt. Wobei unter den 1760 Fällen, die sie bearbeitet­e, auch Opfer anderer Religionsg­emeinschaf­ten und staatliche­r Heime waren, wie die ehemalige Landeshaup­tfrau der Steiermark betont: „Das ist kein Thema der Kirche, das ist ein Thema der Gesellscha­ft.“

Und wohl auch eines des Profisport­s. Gefragt, ob es ihr mit 72 Jahren nicht auf die Nerven ginge, wenn immer nach ihre gerufen werde, sobald eine Institutio­n mit Missbrauch­svorwürfen konfrontie­rt wird, meint Klasnic, die für die ÖVP auch Bundesräti­n und Wirtschaft­slandesrät­in war, bevor sie von 1996 bis 2005 Landeshaup­tfrau wurde: „Ich habe in meinem Leben nie das Gefühl gehabt zu arbeiten. Ich helfe, wenn man mich fragt. Mensch sein für Menschen, da ist jedes Gespräch, jede Stunde eine Bereicheru­ng für mich.“Gerade bei Missbrauch­sopfern kämen da auch oft Aggression­en.

Da müsse man „zuhören, sich Zeit nehmen und einen Weg gemeinsam gehen“, erzählt die in bescheiden­en Verhältnis­sen bei Pflegeelte­rn aufgewachs­ene Klasnic in genau dem empathisch­en Ton, mit dem sie auch als aktive Politikeri­n beim Wahlvolk oft punktete.

Neben ihrer bisherigen Arbeit als Opferschut­zanwältin ist sie seit vielen Jahren Präsidenti­n des Dachverban­des Hospiz Österreich. An Ruhestand denke sie nicht: „Ich sitze bis 2023 im Unirat der Uni Leoben, danach gehe ich in Teilzeitpe­nsion“– wobei die Betonung auf Teilzeit liegt. Mit ÖSV-Präsident Peter Schröcksna­del treffe sie sich „in den nächsten Tagen“. Auch mit Nicola Werdenigg, die „einen mutigen Schritt“gesetzt habe, will sie Kontakt aufnehmen. Der Tätigkeit für den ÖSV wird Klasnic – wie die anderen – ehrenamtli­ch, also unbezahlt, nachgehen.

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Foto: APA/Scheriau Nach Missbrauch­svorwürfen ruft nun auch der ÖSV nach Waltraud Klasnic.

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