Was im türkis-blauen Lehrplan für das Bildungssystem steht
ÖVP und FPÖ haben sich auf ein Bildungsprogramm geeinigt, das unter anderem ein neues Pädagogengesetz vorsieht. Lehrer sollen demnach nach ihrer Leistung bezahlt werden. Die Leiter von Kindergärten werden zu einer akademischen Ausbildung verpflichtet.
ÖVP und FPÖ haben sich auf ein Bildungsprogramm geeinigt. „Wir haben Luft nach oben“, sagte ÖVPObmann Sebastian Kurz zum Schulsystem. Helfen sollen dabei vor allem eine Bildungspflicht und Deutsch vor Schuleintritt. In die Kindergärten wollen die Verhandler mehr investieren. „Das sind die Rohdiamanten, die wir für die Zukunft fit machen wollen“, sagte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache.
Es sei gelungen, auch Tabus anzugreifen, sagt Andreas Salcher, der als externer Berater den ÖVP-Koalitionsverhandlern beim Bildungskapitel zur Seite stand. „Wir haben uns darauf geeinigt, dass es eine leistungsorientierte Bezahlung und verpflichtende Fortbildung der Lehrer geben soll“, sagt er zum STANDARD.
Das Bildungsprogramm von ÖVP und FPÖ im Überblick:
Pädagogengesetz Das neue Besoldungsrecht für Lehrer soll Teil eines neuen Pädagogengesetzes sein. Im Programm festgeschrieben ist eine „leistungsund outputorientierte Gestaltung“der Gehälter für Lehrer. Details dazu wurden noch nicht verhandelt. Es soll „klare Regeln“für die Anstellung, Bewertung und Kündigung von Lehrern geben. Fortbildungen sollen für Pädagogen zur Pflicht werden, steht im Papier. Kurz wollte sich dazu bei der Pressekonferenz nicht äußern.
Kindergarten In einem ersten Schritt sollen Leiter von Kindergärten eine akademische Ausbil- dung machen müssen. Für Kindergartenpädagogen sollen höhere Standards für die Aus- und Weiterbildung gelten. Welche genau, steht nicht im Programm. Für Kinder, bei denen Probleme mit der deutschen Sprache oder Entwicklungsschwierigkeiten festgestellt werden, soll ein zweites Kindergartenjahr verpflichtend werden. Auch diese Regierung nimmt sich einen einheitlichen Rahmenplan für Kindergärten vor. Strache und Kurz betonten auch die Wertevermittlung im Kindergarten.
Bildungspflicht ÖVP und FPÖ wollen Grundfertigkeiten und Grundwissen festlegen, die Schüler am Ende ihrer Schullaufbahn in Lesen, Schreiben, Rechnen können müssen. Auch soziale und kreative Kompetenzen sollen Teil dieser Bildungspflicht sein. Schüler müssen die Schule besuchen, bis sie die Mindeststandards erfüllen oder volljährig sind.
Sanktionen für Eltern Wenn Schüler ihre gesetzlichen Pflichten – also auch die Bildungspflicht – nicht erfüllen, sollen den Eltern die Sozial- und Transferleistungen gekürzt werden.
Deutsch vor Schuleintritt Wer die Unterrichtssprache „nicht ausreichend“beherrscht, soll eine eigene Deutschklasse besuchen. Gymnasium Wenig überraschend haben die Verhandler das „differenzierte Schulsystem“– also das Gymnasium bzw. die Neue Mittelschule – ab zehn Jahren in ihrem Programm festgeschrieben. Für höhere Schulen soll es außerdem eine „temporäre Möglichkeit“für Eingangsverfahren geben.
Noten Wie bereits berichtet, sollen Kinder in allen Volksschulklassen wieder mit Ziffernnoten von eins bis fünf bewertet werden. Verbale Beurteilungen bleiben erlaubt. Eine Leistungsdokumentation soll es vom Kindergarten bis zum Abschluss der Schule geben.
Ethikunterricht Für alle Schüler, die keinen Religionsunterricht besuchen, soll der Ethikunterricht verpflichtend werden.
Lehrpläne Wirtschaftliche Kompetenz und unternehmerisches Denken sollen in die Lehrpläne einfließen. Generell nehmen sich die Verhandler eine Überarbeitung aller Lehrpläne vor.
Bürokratie Als „Sofortmaßnahme“sollen alle Erlässe, Verordnungen und Rundschreiben des Bildungsministeriums auf ihre Praktikabilität und Erfordernis überprüft werden. Die Schulsprengel sollen in ihrer jetzigen Form aufgelöst werden.
Einige dieser Punkte – etwa die zusätzliche Ausbildung für Kindergartenpädagoginnen – werden teuer. Beim Bildungsbudget müsse man sich die Kostentreiber anschauen, sagt Salcher. Als Beispiele nennt er das derzeitige Modell des Teamteachings in den Neuen Mittelschulen, den Erhalt aller Klein- und Kleinstschulen sowie das bestehende Lehrerdienst- und Besoldungsrecht.
Strache versicherte, dass die Bereiche Sicherheit, Digitalisierung und Bildung Priorität hätten und in diese investiert werden solle. Berichte, wonach bei Schulen gespart werden solle, seien Falschmeldungen.
Lichtblick in Mittelamerika: Während im Süden der linksautoritäre Ortega-Clan Nicaragua beherrscht und im Norden der evangelikale Ex-Komiker Jimmy Morales mit harter – und für Bestechungsgeld stets offener – Hand in Guatemala regiert, zeichnet sich in Honduras eine überraschende Abkehr vom Autoritarismus ab.
Der ehemalige Sportjournalist Salvador Nasralla liegt nach Auszählung von mehr als der Hälfte der Stimmen vor Amtsinhaber Juan Orlando Hernández in Führung – obwohl das Land ebenso wie die Nachbarn von Armut und Bandenkriminalität geplagt wird. Seine „Oppositionsallianz gegen die Diktatur“schreibt sich den Kampf gegen die Korruption auf die Fahnen. Bleibt es dabei, wäre dem honduranischen Volk eine historische Volte gelungen, die der Demokratisierungsbewegung in Mittelamerika und darüber hinaus Hoffnung geben dürfte.
2009 oblag es noch der Armee, das damals in der Verfassung festgezurrte Verbot der Wiederwahl eines Präsidenten per Putsch durchzusetzen. Nun, acht Jahre später, erteilten die Wähler ihrem allzu machthungrigen Staatsoberhaupt eine Abfuhr. Er hat sie unter anderem mit einer höchst zweifelhaften Gesetzesänderung verprellt. Denn dass Hernández überhaupt noch einmal antreten durfte, verdankt er der von ihm höchstselbst initiierten politischen Säuberung des Obersten Gerichtshofes. In einer Nachtund-Nebel-Aktion ließ er 2012 vier nicht genehme Richter absetzen und durch Gefolgsleute ersetzen, die ihm prompt die gewünschte Verfassungsänderung bescherten. Der Platz an der Sonne, so Hernández’ Kalkül, sollte so für wenigstens fünf weitere Jahre für ihn reserviert sein.
Nun zeigt sich: Der Coup des von den USA unterstützten Präsidenten ist misslungen. Er führte zur Gründung genau jener beiden Oppositionsparteien links und rechts der Mitte, die Nasralla nun an die Macht hieven dürften – und mit ihm den 2009 gestürzten Manuel Zelaya, den wichtigsten Strategen des politisch unerfahrenen Fernsehstars.
Auch wenn es knapp ist: Dass es 2017 trotz Einschüchterung der Opposition und Kontrolle über die Wahlbehörden nicht für einen klaren Sieg des autoritären Präsidenten reicht, ist ein Signal an alle, die in der Region friedlich auf mehr Demokratie hinarbeiten. Und ein Zeichen dafür, dass das despektierliche Diktum von der Bananenrepublik, deren Wohl und Weh von Washingtons Gnaden abhängt, nicht in Stein gemeißelt ist.