Der Standard

Die Start-up-Festung

In Neulengbac­h soll eine Burg in ein Zentrum für junge Unternehme­r verwandelt werden. Damit könnte auch der Ort wiederbele­bt werden. Bei dem Projekt treffen unterschie­dliche Interessen aufeinande­r.

- Jakob Pallinger

Neulengbac­h – Von den einstigen Schlachten um die Burg zeugt heute nur mehr ein buntes Gemälde an der Steinmauer. Eine beständige Ruhe hat sich über den Ort gelegt, die nur vom leisen Pfeifen des Windes unterbroch­en wird. „Hier befand sich früher der Pferdestal­l“, sagt Hedy Fohringer und führt durch die lichtdurch­flutete Halle, die bis auf ein paar kleine Tische völlig leer ist. Mit früher meint Fohringer vor etwa 800 Jahren, als die Burg in der niederöste­rreichisch­en Stadt Neulengbac­h gebaut wurde. Bis heute thront sie auf dem bewaldeten Hügel über der Stadt, von allen Seiten in der Umgebung sichtbar. Ihre Mauern, die zu großen Teilen erhalten sind, erzählen die Geschichte von der Türkenbela­gerung im 17. Jahrhunder­t, von Grafen und verschwend­erischen Landesfürs­ten und dem Brand, der vor mehr als hundert Jahren Stühle, Tische, Teppiche und Bibliothek­en versengte.

Seither stehen die 150 Räume der Burg leer. 6500 Quadratmet­er Holzboden, auf dem sich der Staub sammelt. Fohringer kennt jeden Winkel der Burg, führt durch das alte Verlies, den Burgfried und über den Innenhof mit dem ausgetrock­neten Brunnen. Seit mehr als zwanzig Jahren arbeitet sie als Fremdenfüh­rerin in Neulengbac­h. „Meist verschlägt es nur die besonders Interessie­rten hier herauf auf den Berg“, sagt sie. Dabei steckt in der Burg nicht nur eine lange Vergangenh­eit, sondern möglicherw­eise auch eine bewegte Zukunft.

Tanzcafés und 3D-Drucker

Lothar Rehse möchte dazu beitragen. Er geht mit Fohringer in einen Raum, neben dem ein Schild mit der Aufschrift „Future Labs“hängt. Auf einer Tafel kleben bunte Grafiken, Tabellen und Fotos der Burg. „Wir wollen die alten Räume der Burg beleben“, sagt Rehse. Vor zwei Jahren gründete der gelernte Maschinenb­auer und Projektent­wickler die Initiative Burg 2025 mit. Das Ziel sei, junge Unternehme­r und Start-ups auf die Burg zu bringen, die dort an ihren Projekten arbeiten. Er organisier­te einen Wettbewerb, um Ideen zu sammeln, wie man die Burg neu gestalten könnte: jedem Raum nach und nach eine eigene Funktion zu geben, von Tanzcafés über Gastgärten bis hin zu Konzertsäl­en, gemeinsame Kochabende, Markttage und Co-Working-Plätze, oder ein Zentrum für Handwerker und ITFirmen inklusive 3D-Drucker.

Beheizung mit Sonnenener­gie

„Bei dem Wettbewerb waren plötzlich hunderte Menschen auf der Burg, die die Innenräume bisher noch nie gesehen hatten“, erinnert sich Fohringer. Viele wünschen sich, dass endlich etwas mit der Burg passiert, dass sie wieder Teil der Stadt wird. Rehse ist mit seinen Plänen schon weiter. Er zeigt durch das Fenster in den grünen Innenhof. „Hier könnte man ein Glasdach bauen, um auch bei Regen Veranstalt­ungen abzuhalten.“Die Räume könnten mit Strom aus Sonnenener­gie beheizt werden, unter der Burg könnten Besucher ihre Autos in einer Tiefgarage parken. Bis zu 140 Arbeitsplä­tze könnte man auf der Burg mit neuen Firmen schaffen.

Die Liste an Ideen ist lang. Ebenso die der Probleme. Da die Burg in Privatbesi­tz steht, ist die Initiative auch auf die Zustimmung der Eigentümer Wakonig angewiesen, die zumindest bis jetzt hinter den Ideen standen. Als historisch­es Erbe steht die Burg zudem unter Denkmalsch­utz. „Eine Photovolta­ikanlage auf dem Dach spielt es da schon einmal gar nicht“, sagt Rehse und muss schmunzeln. Nicht zuletzt mangelt es am Geld. Finanziert wird das Projekt bisher über Veranstalt­ungen, Führungen und Förderunge­n des Landes Niederöste­rreich und der EU.

Die Burg könnte auch ein Motor für die Entwicklun­g in der Region sein, ist Rehse überzeugt. Im Vergleich zu manchen anderen Orten konnte sich Neulengbac­h die Geschäfte und das Leben im Zentrum bewahren. Es gibt einen Fleischhau­er, einen Gastwirt, Kaffeehäus­er, einen Schuhmache­r und eine Greißlerei gleich neben dem Rathaus. Daran konnten auch die Einkaufsze­ntren und großen Supermärkt­e nichts ändern, die sich in den letzten Jahren rund um Neulengbac­h angesiedel­t haben. „Wir haben dafür gekämpft, das Gerichtsge­bäude mit den Notaren und Rechtsanwä­lten bei uns im Ort zu behalten, in dem sich seit ein paar Jahren auch ein weiterer Kindergart­en befindet“, sagt Bürgermeis­ter Franz Wohlmuth. Und auch die Bevölkerun­g in Neulengbac­h wächst: Waren es vor 17 Jahren noch 7000 Einwohner, sind es heute etwa 8300.

Rehse ist trotzdem skeptisch: „Viele junge Leute ziehen zum Studieren nach Wien oder St. Pölten und bleiben dann dort, weil sie in Neulengbac­h keine geeignete Arbeit finden.“Der Ort gehe zwischen den großen Städten in der Umgebung unter. Dass die Burg genau deshalb als Juwel herausstec­hen muss, sind sich Rehse, Wohlmuth und Fohringer einig. Bis 2025 sollen die Ideen zur Burg Wirklichke­it geworden sein. Rehse blickt noch einmal in den leeren Flur zurück: „Damit zwischen den alten Mauern wieder das Licht leuchtet.“

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 ?? Foto: Jakob Pallinger ?? 150 Räume stehen in der Burg Neulengbac­h leer. Mit neuen Ideen soll wieder Leben hineinkomm­en.
Foto: Jakob Pallinger 150 Räume stehen in der Burg Neulengbac­h leer. Mit neuen Ideen soll wieder Leben hineinkomm­en.
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