Die Start-up-Festung
In Neulengbach soll eine Burg in ein Zentrum für junge Unternehmer verwandelt werden. Damit könnte auch der Ort wiederbelebt werden. Bei dem Projekt treffen unterschiedliche Interessen aufeinander.
Neulengbach – Von den einstigen Schlachten um die Burg zeugt heute nur mehr ein buntes Gemälde an der Steinmauer. Eine beständige Ruhe hat sich über den Ort gelegt, die nur vom leisen Pfeifen des Windes unterbrochen wird. „Hier befand sich früher der Pferdestall“, sagt Hedy Fohringer und führt durch die lichtdurchflutete Halle, die bis auf ein paar kleine Tische völlig leer ist. Mit früher meint Fohringer vor etwa 800 Jahren, als die Burg in der niederösterreichischen Stadt Neulengbach gebaut wurde. Bis heute thront sie auf dem bewaldeten Hügel über der Stadt, von allen Seiten in der Umgebung sichtbar. Ihre Mauern, die zu großen Teilen erhalten sind, erzählen die Geschichte von der Türkenbelagerung im 17. Jahrhundert, von Grafen und verschwenderischen Landesfürsten und dem Brand, der vor mehr als hundert Jahren Stühle, Tische, Teppiche und Bibliotheken versengte.
Seither stehen die 150 Räume der Burg leer. 6500 Quadratmeter Holzboden, auf dem sich der Staub sammelt. Fohringer kennt jeden Winkel der Burg, führt durch das alte Verlies, den Burgfried und über den Innenhof mit dem ausgetrockneten Brunnen. Seit mehr als zwanzig Jahren arbeitet sie als Fremdenführerin in Neulengbach. „Meist verschlägt es nur die besonders Interessierten hier herauf auf den Berg“, sagt sie. Dabei steckt in der Burg nicht nur eine lange Vergangenheit, sondern möglicherweise auch eine bewegte Zukunft.
Tanzcafés und 3D-Drucker
Lothar Rehse möchte dazu beitragen. Er geht mit Fohringer in einen Raum, neben dem ein Schild mit der Aufschrift „Future Labs“hängt. Auf einer Tafel kleben bunte Grafiken, Tabellen und Fotos der Burg. „Wir wollen die alten Räume der Burg beleben“, sagt Rehse. Vor zwei Jahren gründete der gelernte Maschinenbauer und Projektentwickler die Initiative Burg 2025 mit. Das Ziel sei, junge Unternehmer und Start-ups auf die Burg zu bringen, die dort an ihren Projekten arbeiten. Er organisierte einen Wettbewerb, um Ideen zu sammeln, wie man die Burg neu gestalten könnte: jedem Raum nach und nach eine eigene Funktion zu geben, von Tanzcafés über Gastgärten bis hin zu Konzertsälen, gemeinsame Kochabende, Markttage und Co-Working-Plätze, oder ein Zentrum für Handwerker und ITFirmen inklusive 3D-Drucker.
Beheizung mit Sonnenenergie
„Bei dem Wettbewerb waren plötzlich hunderte Menschen auf der Burg, die die Innenräume bisher noch nie gesehen hatten“, erinnert sich Fohringer. Viele wünschen sich, dass endlich etwas mit der Burg passiert, dass sie wieder Teil der Stadt wird. Rehse ist mit seinen Plänen schon weiter. Er zeigt durch das Fenster in den grünen Innenhof. „Hier könnte man ein Glasdach bauen, um auch bei Regen Veranstaltungen abzuhalten.“Die Räume könnten mit Strom aus Sonnenenergie beheizt werden, unter der Burg könnten Besucher ihre Autos in einer Tiefgarage parken. Bis zu 140 Arbeitsplätze könnte man auf der Burg mit neuen Firmen schaffen.
Die Liste an Ideen ist lang. Ebenso die der Probleme. Da die Burg in Privatbesitz steht, ist die Initiative auch auf die Zustimmung der Eigentümer Wakonig angewiesen, die zumindest bis jetzt hinter den Ideen standen. Als historisches Erbe steht die Burg zudem unter Denkmalschutz. „Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach spielt es da schon einmal gar nicht“, sagt Rehse und muss schmunzeln. Nicht zuletzt mangelt es am Geld. Finanziert wird das Projekt bisher über Veranstaltungen, Führungen und Förderungen des Landes Niederösterreich und der EU.
Die Burg könnte auch ein Motor für die Entwicklung in der Region sein, ist Rehse überzeugt. Im Vergleich zu manchen anderen Orten konnte sich Neulengbach die Geschäfte und das Leben im Zentrum bewahren. Es gibt einen Fleischhauer, einen Gastwirt, Kaffeehäuser, einen Schuhmacher und eine Greißlerei gleich neben dem Rathaus. Daran konnten auch die Einkaufszentren und großen Supermärkte nichts ändern, die sich in den letzten Jahren rund um Neulengbach angesiedelt haben. „Wir haben dafür gekämpft, das Gerichtsgebäude mit den Notaren und Rechtsanwälten bei uns im Ort zu behalten, in dem sich seit ein paar Jahren auch ein weiterer Kindergarten befindet“, sagt Bürgermeister Franz Wohlmuth. Und auch die Bevölkerung in Neulengbach wächst: Waren es vor 17 Jahren noch 7000 Einwohner, sind es heute etwa 8300.
Rehse ist trotzdem skeptisch: „Viele junge Leute ziehen zum Studieren nach Wien oder St. Pölten und bleiben dann dort, weil sie in Neulengbach keine geeignete Arbeit finden.“Der Ort gehe zwischen den großen Städten in der Umgebung unter. Dass die Burg genau deshalb als Juwel herausstechen muss, sind sich Rehse, Wohlmuth und Fohringer einig. Bis 2025 sollen die Ideen zur Burg Wirklichkeit geworden sein. Rehse blickt noch einmal in den leeren Flur zurück: „Damit zwischen den alten Mauern wieder das Licht leuchtet.“