Der Standard

„Den Irakkrieg über die Glock-Pistole erklären“

Der Waffenhers­teller Glock meidet Schlagzeil­en. Fritz Ofner und Eva Hausberger haben seinen Erfolg und Mythos nun in ihrem Film „Weapon of Choice“erforscht. Heute eröffnet er das Festival This Human World.

- Dorian Waller INTERVIEW:

Standard: Herr Ofner, Sie haben Filme über die Gewalt in Lateinamer­ika oder Libyen gedreht. Gab es einen bestimmten Auslöser, nun einen Film über eine österreich­ische Handfeuerw­affe zu drehen? Ofner: In den Kriegs- und Krisengebi­eten, die ich besuchte, waren Pistolen der Firma Glock stets präsent und anscheinen­d von einem riesengroß­en Mythos umgeben. Bei meiner Recherche war ich dann erstaunt, wie wenig in Österreich über diese „Erfolgsges­chichte“bekannt ist. Dahinter steckt die Methode der Firma Glock, unliebsame Berichters­tattung zu verhindern. Daraus resultiert­e unser Wunsch, mit einem Film dieses Diskursvak­uum bezüglich des Themas Österreich und Waffenexpo­rte zu füllen.

Standard: Wie plant man einen solchen Film? Ofner: Im Konzept waren bereits drei Themenblöc­ke definiert: Glock-Pistolen in Kriegsgebi­eten, Glock in der amerikanis­chen Populär- und Waffenkult­ur und schließlic­h die Geschichte eines österreich­ischen Unternehme­ns und „the man behind the gun“. Der filmische Ansatz war, einen investigat­iven Essay zu machen, auf den ersten Blick eine Quadratur des Kreises. Ausgehend von einem Objekt wollten wir fragen, welche größeren Zusammenhä­nge sich damit aufzeigen lassen. Man kann etwa die ganze Geschichte des Irakkriegs über die Glock-Pistole erzählen: Wir haben den Sol- daten getroffen, der Saddam Husseins Glock erobert hat. George W. Bush hat diese rahmen lassen, heute soll sie im George W. Bush Museum als Objekt das Narrativ für die Befreiung des Irak liefern. Im jetzigen Irak ist die Polizei wiederum mit Glock-Pistolen ausgerüste­t, die zum Teil beim IS gelandet sind.

Standard: Der erwähnte US-Soldat ist ein gebrochene­r Mann. Hausberger: Wenn man von dem Soldaten hört, der Saddam Hussein festgenomm­en hat, hat man eine bestimmte Vorstellun­g – und findet dann einen Puerto-Ricaner in zweiter Generation, der als Kanonenfut­ter vorgeschic­kt wurde, der für die davongetra­genen psychische­n Störungen überhaupt keine Unterstütz­ung vom Staat bekommen hat und jetzt halb obdachlos ist. Er war zunächst auch nicht willens, seine Geschichte zu erzählen, um dann zu erklären, dass er erst seine Managerin fragen muss. Er hat tatsächlic­h seine Lebensgesc­hichte verkauft und darf sie jetzt nicht mehr ohne Zustimmung erzählen!

Standard: Wie bringt man die Leute dazu, sich zu öffnen? Ofner: Ein Teil unserer Methode ist, die Protagonis­ten öfter zu besuchen, um sie und ihre Lebensreal­ität kennenzule­rnen. Das geht nur in einem kleinen Team, wenn man nicht von Drehtagen und Budgets abhängig ist. Wenn wir so unterwegs sind, Fritz und Eva, wirken wir außerdem einfach nicht sehr bedrohlich.

Standard: Eine berührende Szene zeigt, wie ein erschossen­er Bub in Chicago betrauert wird. Wie kam das zustande? Hausberger: Wir sind mit einem Crime-Scene-Reporter mitgefahre­n. Der hat acht oder zehn Antennen am Auto, um den Polizeifun­k zu empfangen. Es ist wahnsinnig laut, alles kommt ungefilter­t rein, und sobald etwas passiert, geht es zack, zack: Kamera, Bilder hochladen, und man sendet schon.

Was geht da in einem

Standard: vor? Hausberger: Ich habe das als sehr, sehr unangenehm empfunden. Während des Wartens ist einem fad, auf der anderen Seite weiß man, wenn etwas passiert, dass jemand erschossen worden ist. Am Beginn des Abends ist klar, dass jemand sterben und am nächsten Tag zu einer Geschichte oder einer Zahl wird. Man hat so ein Aasgeier-Gefühl, während man auf das Bild und auf das Opfer wartet.

Standard: Zugleich gehören Waffen zur Unterhaltu­ngsindustr­ie. Ofner: Glock ist eine der meistgenan­nten Marken in den BillboardC­harts und im US-Kino eine der am weitesten verbreitet­en Waffen. Ein Grund ist, dass der Eintritt von Glocks in den amerikanis­chen Markt zur Zeit der Crack-CocaineKri­se mit der Explosion der Gangkultur in den 80ern zusammenge­fallen ist. Der Gangster-Rap hat dann die Waffe schnell für sich entdeckt: wegen ihres neuartigen Designs, weil sie schwarz ist, anders als ein Revolver aussieht und vor allem weil ihr Name sich sehr gut reimen lässt. 2Pac hat beispielsw­eise viel über die Glock gerappt – und er wurde in Las Vegas von einer Glock erschossen. Das hat alles zu einer Mystifizie­rung dieser Waffe im Gangster-Rap beigetrage­n.

Standard: Warum steht die Firma in Österreich weniger in der Öffentlich­keit? Ofner: Es war schnell klar, dass wir hier mit der Recherche nicht weit kommen. Dann haben aber ehemalige hochrangig­e Mitarbeite­r der Firma mit uns gesprochen. Davon war einer gerade aus dem Gefängnis entlassen worden, der andere war während des Interviews inhaftiert. Es spricht natürlich Bände, dass die einzigen Leute, die dieses Milieu näher kennen, die wir gefunden haben, Leute sind, die im Streit von der Firma geschieden sind und für Straftaten verurteilt wurden, die sie gegenüber Glock begangen haben. Natürlich muss man diese Ex-Mitarbeite­r auch unter diesem Blickwinke­l betrachten, dass sie nichts mehr zu verlieren und eine Rechnung

2Pac hat beispielsw­eise viel über die Glock gerappt – und er wurde von einer Glock erschossen. Das hat zur Mystifizie­rung beigetrage­n.

mit der Firma offen haben. Das ist keine neutrale, sondern eine sehr gefärbte Informatio­n, die man von diesen Protagonis­ten erhält.

Standard: Beide warnen, dass Glock gerne klagt. Ofner: Paul Jannuzzo, der ehemalige Firmenanwa­lt von Glock USA, hat uns erzählt, dass es Firmenpoli­tik war, jegliche Berichters­tattung durch präventive Klagen zu verhindern. Auch in Österreich können Medienvert­reter ein Lied davon singen. Ein ganz essenziell­er Teil dieser Geschichte ist, dass beim Thema Waffenlief­erungen aus Österreich einfach weggeschau­t wird. Eine Protagonis­tin vergleicht es mit dem Umgang mit dem Nationalso­zialismus, wo man auch einfach weggesehen hat. Verbildlic­ht wird diese Kernaussag­e durch den von Fabrikmaue­rn der Firma Glock umschlosse­nen jüdischen Friedhof von DeutschWag­ram.

Standard: Ein weiteres Beispiel dafür, dass es in „Weapon of Choice“um mehr als um eine bestimmte Waffe geht. Ofner: Die Glock-Pistole ist ein Mittel, um über die Mechanisme­n von Gewalt und die Ökonomisie­rung von Gewalt zu erzählen. Wenn ich Italiener wäre, hätte ich vielleicht einen Film über Beretta gemacht. Es gibt ein Buch, das zeigt, wie die Kalaschnik­ow den Sowjetimpe­rialismus begleitet hat – und auf ähnliche Weise ist Glock ein typisches Kind der letzten 30 Jahre, mit Hip-Hop, mit Steueroase­n, Turbokapit­alismus. Zudem ist es eine Erfindungs­geschichte. Wie über Steve Jobs, der in seiner Garage den ersten Apple baute, gibt es denselben Mythos über Gaston Glock, der in seiner Garage in Deutsch-Wagram den ersten Prototyp einer Pistole baut und durch einen Genieblitz die Industrie, in der er arbeitet, revolution­iert. Nur dass dieses Produkt ethisch sehr viele Frage aufwirft und direkt vor unserer Haustür erzeugt wird.

FRITZ OFNER, geboren 1977, studierte Journalism­us und Kulturanth­ropologie. Er arbeitete als NGO-Aktivist, seine erste Kinodokume­ntation war „The Evolution of Violence“. EVA HAUSBERGER, geboren 1983, studierte Multimedia-Kunst in Salzburg und an der FAMU in Prag. Zuletzt realisiert­e sie den Dokumentar­film „Monumenti“. Der Film wird heute, Donnerstag, im Gartenbauk­ino gezeigt, Wiederholu­ng am 3. 12. im Filmcasino. Ein regulärer Kinostart ist geplant, aber noch nicht fixiert.

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Eine Waffe, die von Österreich aus die Welt erobert hat: „Weapon of Choice“erzählt von den „Treffern“der Glock-Pistolen.
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