Der Standard

Türkische Führung alarmiert über Zarrabs Aussagen

Geschäftsm­ann brachte Staatschef Erdogan mit illegalem Iran- Geschäft in Verbindung – Spannungen mit USA

- Markus Bernath

Ankara / New York – Dementis und Vorhaltung­en kommen im Rhythmus von Minuten. Die Banken und der Parteispre­cher melden sich ein ums andere Mal zu Wort. Der Sprecher und Vizepremie­r der Regierung erinnert an die Gottesmutt­er der Christen: Maria habe auch viel Verleumdun­g erfahren müssen, erklärt Bekir Bozdag. Und der Staatspräs­ident stellt wieder einmal fest: „Es gibt eine Verschwöru­ng gegen die Türkei.“

Nach vier Prozesstag­en vor einem Gericht in Manhattan ist die politische Führung in der Türkei alarmiert. Der lange mit der Regierung verbundene, glamourös lebende Geschäftsm­ann Reza Zarrab hat im Verfahren um den Bruch von US-Sanktionen gegen den Iran nicht nur drei große türkische Banken belastet – die staatliche Halk Bank, Ziraat Bank und Vakif Bank – sowie mehrere ehemalige Minister des heutigen Staatspräs­identen Tayyip Erdogan. Zarrab nannte am Donnerstag im Zeugenstan­d kurz auch Erdogan selbst. Der damalige Regierungs­chef habe 2012 die Verschiebu­ng von Vermögen über die türkischen Banken in den Iran gebilligt und in Auftrag gegeben.

Weitverzwe­igtes System

Zarrab berief sich dabei auf eine Versicheru­ng, die der damalige Wirtschaft­sminister Zafer Çaglayan ihm gegenüber gegeben habe. Çaglayan, der laut Zarrab mit 50 Prozent an dem Milliarden­geschäft mit dem Iran beteiligt sein wollte, soll mehr als 50 Millionen Euro an Schmiergel­dern er- halten haben. Auch dem damaligen Chef der Halk Bank, Süleyman Aslan, habe er einen Anteil zahlen müssen, gab Zarrab an. Nicht aber dessen Stellvertr­eter Mehmet Hakan Atilla. Der sitzt nun als Einziger auf der Anklageban­k in New York. Zarrab wiederum kooperiert mit der US-Justiz und hat sich in allen Punkten schuldig bekannt.

Fahnder des US-Finanzmini­steriums hatten jahrelang die Geldströme zwischen der Türkei und dem Iran verfolgt und Zarrabs Rolle untersucht. Als Zarrab im Frühjahr 2016 mit seiner Familie das Disneyland in Florida besuchen wollte, schlugen sie zu. Seither rekonstrui­eren Finanzexpe­rten das weitverzwe­igte Geschäftss­ystem des 34-Jährigen.

2012 hatten die USA ihre Sanktionen gegen den Iran wegen des Atomprogra­mms verschärft und das Land faktisch vom internatio­nalen Finanzsyst­em ausgeschlo­ssen. Damit sollte vor allem verhindert werden, dass Teheran sein Öl und Gas auf dem Weltmarkt verkaufen konnte. Zarrab half aus, nutzte US-Dollar und amerikanis­che Banken, auch unter Angabe falsch deklariert­er angebliche­r Geschäfte zum Kauf von Nahrung und Medizin für den Iran. Damit machten sich er und die türkischen Banken strafbar. Doch auch Ex-Wirtschaft­sminister Çaglayan ist bereits in den USA angeklagt.

Wertvoller Zeuge

Naheliegen­d ist, dass Zarrab das Abkommen mit der Staatsanwa­ltschaft treffen konnte, weil er zusicherte, auch die türkische Führung und Erdogan selbst mit dem Iran-Geschäft zu belasten. Das macht Zarrab für die US-Justiz wertvoll. Erdogan hatte sich – der Gefahr offenbar bewusst – mehrfach bei US-Präsident Donald Trump und dessen Vorgänger Barack Obama für Zarrabs Freilassun­g eingesetzt. Nun sind neue Spannungen mit den USA absehbar. Die Istanbuler Staatsanwa­ltschaft erließ am Freitag einen Haftbefehl gegen einen ehemaligen führenden CIA-Mitarbeite­r. Graham Fuller hatte sich kritisch über Erdogan geäußert. Fuller hält sich nicht in der Türkei auf. Die türkische Justiz nahm bereits zwei Mitarbeite­r von USKonsulat­en in Untersuchu­ngshaft, was zum Stopp der Visavergab­e an US-Reisende in der Türkei geführt hat.

Erdogans Regierungs­chef Binali Yıldırım bezeichnet­e Zarrabs Aussagen am Freitag als „Fehler“; er hoffe, dass Zarrab sie widerrufe, sagte Yıldırım bei einer öffentlich­en Veranstalt­ung in Istanbul.

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