Der Standard

„Ich habe lediglich eine Pumpe ausgetausc­ht“

Vor 50 Jahren gelang dem südafrikan­ischen Chirurgen Christiaan Barnard die erste Herztransp­lantation. Doch war er auch dafür verantwort­lich, dass der Patient kurz danach starb.

- Johannes Dieterich aus Johannesbu­rg

Die Entscheidu­ng, auf dem Weg nach Hause noch schnell einen Kuchen zu kaufen, wurde Denise Darvall und ihrer Mutter zum Verhängnis. Dafür schenkte sie Louis Washkansky noch ein paar zusätzlich­e Tage in seinem 54 Jahre langen Leben. Und Christiaan Barnard machte sie zum damals berühmtest­en Arzt der Welt. Am Sonntag wird es 50 Jahre her sein, dass der südafrikan­ische Chirurg erstmals das Herz eines Menschen in den Körper eines anderen verpflanzt­e. „Ich habe lediglich eine Pumpe ausgetausc­ht“, meinte er selbst einmal nonchalant.

Der britische Wissenscha­ftsjournal­ist Donald McRae hält in seinem Buch Jede Sekunde zählt die dramatisch­en Vorgänge vom 2. und 3. Dezember 1967 in Kapstadt fest: Wie der herzkranke Washkansky im Groote Schuur Hospital nach drei Infarkten dem Tod entgegenbl­ickt; wie Denise Darvall und ihre Mutter beim Überqueren einer Straße von einem betrunkene­n Autofahrer angefahren werden; und wie Barnard seine große Chance gekommen sieht. Er kann Edward Darvall überreden, das noch schlagende Herz seiner 25-jährigen hirntoten Tochter zur Transplant­ation freizugebe­n.

Um ein Uhr nachts ist es schließlic­h so weit. Barnard hat zwei nebeneinan­dergelegen­e Operations­säle gebucht: In Saal A legt Christiaan­s Bruder Marius – auch er Chirurg – Darvalls Herz frei, während er selbst in Saal B seinen Patienten Washkansky an die Herz-Lungen-Maschine anschließt. Beim Einsetzen des Herzens wäre es fast zur Katastroph­e gekommen, als Barnard der OPSchweste­r einen falschen Befehl zuruft – gerade noch rechtzeiti­g kann die Panne behoben werden. Nach mehr als fünf Stunden fängt das neue Herz in Washkansky­s Körper schließlic­h zu schlagen an.

Doch nicht alle jubeln über den Erfolg. Christen werfen ihm vor, Gott spielen zu wollen, und Kardiologe­n kreiden ihm Verantwort­ungslosigk­eit an. Tatsächlic­h waren die Vorbereitu­ngen für Herztransp­lantatione­n zu diesem Zeitpunkt in den USA schon viel wei- ter gediehen. Dort hatten Ärzte wie Norman Shumway bereits weit mehr Hundeherze­n zu Übungszwec­ken verpflanzt als die Barnard-Brüder. So gut wie alles, was der südafrikan­ische Chirurg über Herztransp­lantatione­n wuss- te, hatte er während eines US-Aufenthalt­es von Shumway gelernt.

Auf welch dünnem Eis sich Barnard damals bewegte, zeigt auch seine Fehleinsch­ätzung, die Washkansky 18 Tage nach der Operation das Leben kosten sollte. Barnard führte die plötzliche Verschlech­terung seines Gesundheit­szustands auf eine Abstoßungs­reaktion zurück und gab seinem Patienten Immununter­drücker. In Wahrheit hatte sich Washkansky aber eine Lungenentz­ündung zugezogen. Die Unterdrück­ung seines Immunsyste­ms musste er endgültig mit dem Leben bezahlen.

Bei seinem Vorpresche­n profitiert­e Barnard von den laxen südafrikan­ischen Bestimmung­en. Dagegen durften seine Kollegen in den USA keinem hirntoten Patienten Organe entnehmen. Das änderte sich nach Barnards Durchbruch. Danach verpflanzt­e der Missionars­sohn zwar noch hunderte von Herzen mit mehr oder weniger großem Erfolg. Doch zum Routineein­griff wurde die Herztransp­lantation in den USA.

Seinen Ruhm genoss Barnard in vollen Zügen. Der charismati­sche Arzt wurde in Rom vom Papst empfangen und hatte unter anderem eine Liebesaffä­re mit Filmstar Gina Lollobrigi­da.

Der hilfreiche Gärtner

Zugutehalt­en muss man ihm seine ablehnende Haltung zur Apartheid: Er arbeitete mit dunkelhäut­igen Krankensch­western zusammen und setzte einem schwarzen Patienten das Herz einer weißen Spenderin ein. Aufsehen erregte auch sein gutes Verhältnis zum Krankenhau­sgärtner Hamilton Naki, der Barnard bei der Transplant­ation zahlreiche­r Hunde- und Schweinehe­rzen assistiert­e. Naki verfüge über „außerorden­tliche Fähigkeite­n“, attestiert­e ihm sein Mentor. Hätte der schwarze Gärtner studieren dürfen, wäre „ein brillanter Chirurg“aus ihm geworden.

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In Saal B des Groote Schuur Hospital in Kapstadt wurde vor 50 Jahren Geschichte geschriebe­n.
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Louis Washkansky wurde Denise Darvalls Herz gespendet.
 ??  ?? Christiaan Barnard war vielseitig. „Paris Match“kürte ihn zu einem der vier weltbesten Liebhaber.
Christiaan Barnard war vielseitig. „Paris Match“kürte ihn zu einem der vier weltbesten Liebhaber.
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