Der Standard

Am Anfang steht das Hirngespin­st

Elbphilhar­monie, Staatsoper Berlin, Louvre Abu Dhabi: Der auf Brücken, Glas- und Stahlbau sowie Bühnentech­nik spezialisi­erte Konzern Waagner-Biro hadert mit Kostenüber­schreitung­en und Verzögerun­gen bei Megaprojek­ten. In Arabien will man bei größeren Auftr

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Wien – Als Thomas Jost inmitten arabischer Könige und internatio­naler Staatsgäst­e bei der feierliche­n Eröffnung des Louvre Abu Dhabi stand, hat dann doch die Freude überwogen. Der eine Milliarde teure, von Stararchit­ekt Jean Nouvel geplante und von heftigen Verzögerun­gen geprägte Museumsbau in dem Emirat war für WaagnerBir­o nicht immer Anlass zur Freude. Doch die glanzvolle Zeremonie hat die Sorgen der Vergangenh­eit verdrängt: „Die Leute haben mehr nach oben, auf die Decke, geschaut als auf die Kunst“, erzählt Jost.

Decke – das ist eigentlich eine Untertreib­ung. Die mächtige Kuppel mit 180 Metern Durchmesse­r hat der Wiener Traditions­betrieb errichtet. Wenn es um die Spezifikat­ionen des Doms geht, ist Konzernche­f Jost kaum zu bremsen. Die Stahlkonst­ruktion enthält 7800 Sterne, die für ungewohnte Lichteffek­te ähnlich der Atmosphäre in einem Basar sorgen. 1000 Kilometer Aluminiump­rofile wurden für ihre Herstellun­g geschnitte­n. Die Decke musste ursprüngli­ch höher und schmaler gebaut werden, weil am Ende Träger weggenomme­n werden und sich die Kuppel senkt. Technisch ein Kunststück, doch ein Wermutstro­pfen bleit: Das für Waagner-Biro rund 80 Millionen Euro schwere Projekt – Auftragsza­hlen werden von Jost nicht bestätigt – „war sicher nicht unser erfolgreic­hstes, was die Rentabilit­ät betrifft“.

Kein Wunder: Vor elf Jahren ausgeschri­eben, unterbrach die Finanzkris­e die Arbeiten am „orientalis­chen Juwel“, das vor drei Wochen seine Pforten öffnete und die Kulturgesc­hichte der Menschheit er- zählt. Doch Waagner-Biro hat reichlich Erfahrung mit derartigen Problemen. Für die Elbphilhar­monie beispielsw­eise wurde die komplette Bühnentech­nik hergestell­t. Das Hamburger Konzerthau­s, das vor zwölf Monaten mit siebenjähr­iger Verspätung übergeben wurde, kostete die Hansestadt das Zehnfache der ursprüngli­chen Planungen. „Das ursprüngli­che Budget war von Anfang an ein Hirngespin­st“, sagt Jost.

Nicht viel anders verliefen Umbau und Renovierun­g der Staatsoper Berlin, wo der reguläre Spielbetri­eb kommende Woche wiederaufg­enommen wird. Für die Untermasch­inerie der Bühne, die Waagner-Biro auch Unter den Linden errichtet hat, wurde eine Grube von 7000 Kubikmeter­n ausgehoben. Auch die Arbeiten an der Berliner Oper wurden um vier Jahre verspätet abgeschlos­sen. „Die Verzögerun­gen am Bau sind mittlerwei­le weltweit ein Problem“, konstatier­t Jost im Gespräch mit dem Standard.

Eine Ursache dafür glaubt der Miteigentü­mer und Manager zu kennen: Bei derartigen Großprojek­ten stünden zusehends die rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen im Zentrum, die Fertigstel­lung des Baus rücke immer mehr in den Hintergrun­d. Früher seien auf der Seite des Auftraggeb­ers Bauleiter und Techniker gesessen, „heute sind es fünf Juristen, und wir haben auch einen mit“, erklärt Jost. Die technische Lösung sei mittlerwei­le zweitrangi­g. Die „Verrechtli­chung des Bauwesens“koste viel Geld und nütze keinem.

Er plädiert dafür, dass Bauherr und Auftragneh­mer Planung und Ausführung gemeinsam erledigen – eine zumindest bei verpflicht­enden öffentlich­en Ausschreib­ungen schwer umsetzbare Option. Womit die Kalkulatio­n für Waagner-Biro auch in Zukunft schwierig bleiben dürfte. Im Endspurt befindet sich derzeit der Umbau der berühmten Oper in Sydney, bei dem die Österreich­er wie schon bei der ursprüngli- chen Fertigstel­lung vor 44 Jahren die Bühne liefern. Im Rahmen einer Silvesterg­ala in der australisc­hen Metropole wird das Haus wiedereröf­fnet. Doch nicht immer lebte das Unternehme­n gut von Prestigepr­ojekten, zu denen die Kuppel des deutschen Reichstags ebenso zählt wie die Brücke über das Goldene Horn. Der Stellenwer­t der Rentabilit­ät wird folglich höher.

Im arabischen Raum etwa, in dem Waagner-Biro unter anderem beim Wolkenkrat­zer Burj Khalifa und dem Etihad-Museum in Dubai Großaufträ­ge einheimste, will Jost künftig selektiver vorgehen. Und das, obwohl die Expo 2020 in Dubai mit riesigen Aufträgen lockt. Bei Großaufträ­gen soll die Gruppe mit 1400 Mitarbeite­rn und knapp 200 Millionen Euro Umsatz künftig nur noch in Partnersch­aften anbieten. Jost: „Das Risiko ist zu groß und kann nicht durch eine schöne Eröffnung geheilt werden.“

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Die Kuppel des Louvre Abu Dhabi wurde von Waagner-Biro gebaut, doch derartige Prestigepr­ojekte sorgen eher für Bekannthei­t denn für Erträge.

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