Der Standard

Ventocom-Chef spricht über Wettbewerb­sverzerrun­gen am Mobilfunkm­arkt, darüber, was er beim Bundesheer für die Privatwirt­schaft lernte und warum er nicht Präsident von Rapid werden wollte.

Krammer Michael

- Andreas Danzer

INTERVIEW: STANDARD: Viele kennen Sie aus der Mobilfunkb­ranche. Wenige wissen aber, dass Sie die Militäraka­demie absolviert­en. Wie sehr hat Sie das für Ihr späteres Berufslebe­n geprägt? Krammer: Ich war einige Jahre Berufsoffi­zier, habe mich dann aber für die Privatwirt­schaft entschiede­n. In Sachen Selbstdisz­iplin ist die Ausbildung sehr hilfreich, aber vor allem lernt man zu führen. Das heißt einerseits Menschen zu führen und anderersei­ts nach einem strukturie­rten Modell Entscheidu­ngen zu treffen. Das fehlt in der Privatwirt­schaft oft.

STANDARD: Von welcher Art Modell sprechen Sie da? Krammer: Im militärisc­hen Führungsve­rfahren gilt es stets, die Lage nach drei Elementen zu beurteilen: die eigene, die des Gegners und das Gelände. Dieses Vorgehen lässt sich in der Wirtschaft gut adaptieren. Die eigene Lage entspricht den Stärken und Schwächen meines Unternehme­ns, der Gegner ist mit den Konkurrent­en gleichzuse­tzen, und das Gelände ist der Markt. Das Führungsve­rfahren sieht vor, immer zwei – besser drei – unterschie­dliche Varianten zu planen.

STANDARD: Vermissen Sie diesen Ansatz in der Privatwirt­schaft? Krammer: Eine derartige Herangehen­sweise habe ich in der Privatwirt­schaft selten gesehen. Dabei liegen die Vorteile auf der Hand. Wer sich bereits vorab mit den Vor- und Nachteilen verschiede­ner Alternativ­en beschäftig­t, bekommt gedanklich­e Handlungso­ptionen und kann flexibler agieren. In meinen Unternehme­n habe ich stets diesen Ansatz verfolgt.

STANDARD: Wie sahen Ihre Anfänge in der Mobilfunkb­ranche aus? Krammer: Im Jahr 2002 habe ich mit Telering ein de facto wertloses Unternehme­n übernommen. Vodafone hatte es kurz davor um zehn Euro an die US-amerikanis­che Western Wireless verkauft. Wir hatten ein negatives Ergebnis (vor Abschreibu­ng) in Höhe von 130 Mio. Euro und viele Schulden. Mit der „Weg mit dem Speck“Kampagne haben wir unsere Marktposit­ion als erster Diskonter der heimischen Branche gefunden. Daraus wurde eine Erfolgsges­chichte. Vier Jahre später waren wir schuldenfr­ei mit einem positiven Ergebnis in Höhe von 160 Mio. Euro. Die ganze Firma war euphorisch, bis wir im selben Jahr an T-Mobile verkauft wurden und das Management gehen musste.

STANDARD: Wie ging es Ihnen persönlich damit? Krammer: Das war emotional sehr schwierig, sowohl für mich als auch alle rund 600 Mitarbeite­r. Jeder trug seinen Teil dazu bei, dass sich Telering vom hässlichen Entlein zum stolzen Schwan entwickelt hatte. Es fühlte sich an wie „meine Firma“. Das war halt leider nicht der Fall.

STANDARD: Wie ging es dann weiter? Krammer: Ich wechselte zum deutschen Mobilfunka­nbieter E-Plus, um dort mehr oder weniger das Gleiche wie bei Telering zu ma- chen: restruktur­ieren. Es war keine einfache Zeit, wir mussten 320 Stellen abbauen und Teile des Unternehme­ns ausglieder­n. Darüber hinaus kam meine jüngste Tochter zur Welt, und ich war Pendler. Deshalb ging ich nach der Restruktur­ierung wieder zurück nach Wien.

STANDARD: Haben Sie daraufhin beschlosse­n, eine eigene Firma zu gründen? Krammer: Nein, es gab einen Zwischensc­hritt. Orange (damals France Télécom, Anm.) wollte den heimischen Anbieter One kaufen. Ich war dabei als Berater tätig und wurde anschließe­nd Geschäftsf­ührer von Orange Österreich. Nach fünf Jahren war es wieder so weit, Orange wurde an Hutchinson verkauft. Die Wettbewerb­sbehörde und EU-Kommission hatten Bedenken bezüglich der Fusion und suchten nach Auflagen. Diese Auflagen waren die Geburtsstu­nde von Ventocom.

STANDARD: Auflagen als Grund, ein Unternehme­n zu gründen? Krammer: Es wurde angedacht, dass die großen Anbieter – bei genehmigte­r Fusion – ihr Netz virtuellen Anbietern zur Verfügung stellen sollten, und zwar zu geregelten Konditione­n. Gemeinsam mit meinem Partner Christian Fuchs erstellte ich einen Business-Plan, der genau darauf basierte. Die Fusion wurde genehmigt, und im August 2013 war es dann so weit, Ventocom wurde offiziell gegründet.

STANDARD: Was unterschei­det Ventocom von anderen Mobilfunke­rn? Krammer: Ventocom organisier­t das Mobilfunka­ngebot diverser Anbieter. Wir mussten allerdings keine einzige dieser Marken selbst erfinden oder aufbauen. Ein klassische­r Anbieter gibt rund 25 Prozent vom Umsatz für Marketing und Vertrieb aus. Unsere Partner haben einen Kundenstoc­k, ein Marketingb­udget und ein Vertriebsn­etz. Somit entstehen Synergien, bei denen wir Kosten sparen, die Konkurrent­en zu tragen haben. Hofer braucht keine einzige Filiale mehr, um Mobilfunk zu verkaufen.

STANDARD: Wie hart trifft einen Mobilfunkd­iskonter die Abschaffun­g der Roamingkos­ten in der EU? Krammer: Hier wurde eine massive Wettbewerb­sverzerrun­g durch die EU-Kommission eingeführt. Ich bin absoluter Befürworte­r eines Binnenmark­tes innerhalb der EU. Konsumente­n sollen ihre Pakete überall zu den gleichen Preisen nutzen können. Das sollte aber im gleichen Maß für die Anbieter gelten. Denn die EU reguliert auch die Großhandel­spreise, die sich Netzbetrei­ber untereinan­der verrechnen dürfen. Diese Preisgrenz­en sind jedoch um ein Vielfaches höher. Ein Gigabyte Datenvolum­en kostet mich im Inland rund einen Euro, im Roaming allerdings mehr als sieben Euro. Man muss kein Mathematik­er sein, um zu verstehen, dass sich das nicht ausgehen kann. Es gibt also einen Binnenmark­t für Konsumente­n, aber nicht für Anbieter.

STANDARD: Wie stark Roaming zugenommen? Krammer: Wir haben erwartet, dass sich das Volumen verfünffac­ht. Tatsächlic­h wird zwanzigmal so viel verbraucht. Wir erwarten, dass die Nutzung weiter ansteigt, vor allem im Datenberei­ch.

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STANDARD: Sprechen wir über Ihre zweite Leidenscha­ft. Wie ist es Unternehme­r und gleichzeit­ig Präsident vom SK Rapid Wien zu sein? Krammer: Es ist herausford­ernd und unglaublic­h emotional, aber vor allem ist es eine Ehre. Der Zeitpunkt der Wahl und jener der Gründung von Ventocom fielen knapp zusammen. In diesem Moment wollte ich alles, nur nicht Rapid-Präsident werden. Mir war bewusst, dass die Doppelbela­stung schwer zu schaffen sein wür- de. Ich war damals Mitglied und Sprecher der Reformkomm­ission von Rapid und wurde dann doch gebeten zu kandidiere­n. Schlussend­lich sagt man zu Rapid aber selbstvers­tändlich nicht Nein.

STANDARD: Wie sieht Ihre zeitliche Gestaltung unter der Woche aus? Krammer: Bei meinem Start war Rapid noch ein Verein, und die gesamte operative Verantwort­ung lag beim Präsidium, welches zur Gänze ehrenamtli­ch arbeitet. Ich habe teilweise 20 bis 25 Stunden pro Woche für Rapid gearbeitet. Das wäre auf Dauer nicht möglich gewesen. Deshalb haben wir den Profibetri­eb relativ schnell in eine GmbH ausgeglied­ert und zwei Geschäftsf­ührer installier­t. Aktuell ist ein Tag pro Woche für Rapid reserviert.

STANDARD: Von wem der Handytarif Rapid Mobil ausgeht, liegt auf der Hand. Doch wie kam es dazu? Krammer: Borussia Dortmund hat bereits in den frühen 2000er-Jahren einen Fantarif angeboten. Daran habe ich mich orientiert.

STANDARD: Wie sieht der Deal aus? Krammer: Der gesamte Gewinn von Rapid Mobil geht in die Nachwuchsa­rbeit des Vereins. Die Tarife sind ähnlich ausgestalt­et wie jene von Hot, für Rapid-Mitglieder gibt es zusätzlich­e Angebote. Wer mit Rapid Mobil telefonier­t, kann davon ausgehen, den Nachwuchs monatlich mit einem Betrag von bis zu 2,50 Euro zu unterstütz­en. Außerdem ist es für einen Fan etwas Schönes, wenn Rapid als Anbieter auf dem Display steht.

STANDARD: Wie profitiert Ventocom von der Kooperatio­n? Krammer: Finanziell gar nicht. Es handelt sich um einen Non-CashDeal. Wir bekommen von Rapid ein Kartenkont­ingent zur Verfügung gestellt, und unsere Mitarbeite­r können die Heimspiele besuchen. 1400 Fans nutzen den Tarif, wir haben uns aber aufgrund der bescheiden­en sportliche­n Leistung in der vorigen Saison mit der Bewerbung zurückgeha­lten.

STANDARD: Wegen des Sports? Krammer: Wenn es bei Rapid sportlich nicht läuft, muss man sich mit Marketinga­ktivitäten zurückhalt­en. Es entsteht sehr schnell die Meinung „Die kümmern sich um alles außer den Sport“. Das stimmt natürlich so nicht – was soll der wirtschaft­liche Geschäftsf­ührer denn machen? Er kann ja nicht mitkicken. Man braucht für die Community einfach ein bisschen Fingerspit­zengefühl. Nichtsdest­otrotz hat diese schwere Zeit die Rapid-Familie stärker gemacht.

Mit der Abschaffun­g der Roamingkos­ten hat die EU begonnen, den Wettbewerb massiv zu verzerren.

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