Ein Bild vom weiblichen Skisport
Ein Essay des früheren ORF-Sportchefs Thaddäus Podgorski, erschienen im offiziellen Olympiabuch des ÖOC aus dem Jahr 1976, veranschaulicht damalige Geschlechterbilder im Wintersport.
Wien – „Bei mir ist nie das Geringste vorgekommen. Mir ist auch sonst nichts aufgefallen.“Annemarie Moser-Pröll sagte das, der weibliche Superstar der österreichischen Skifahrt der 1970er-Jahre, als sie mit den von Nicola Werdenigg im STANDARD- erhobenen in diese Zeit zurückreichenden Missbrauchsvorwürfen konfrontiert wurde. Eine Teamkollegin Werdeniggs, die anonym bleiben wollte, bestätigte und vertiefte die Angaben der AbfahrtsOlympiavierten von 1976 noch. Und sie zeichnete ein farbiges Bild. Sie wollte nicht alle damals vom Österreichischen Skiverband (ÖSV) beschäftigten Betreuer „über einen Kamm scheren, es waren solche und solche dabei. Es gab aber einen Trainer, der sah die Frauen im Team als seine Mädchen an. Das waren einfach seine Mädchen. Er hat sich alle Rechte herausgenommen. Das hatte sozusagen Tradition.“
Was Damen nicht können
Die Bezeichnung Mädchen wählte auch der Journalist Thaddäus Podgorski in einem Essay über Skisportlerinnen, der im offiziellen Buch des Österreichischen Olympischen Comités ( ÖOC) zu den Winterspielen 1976 in Innsbruck erschien und die Einstellung vieler in der damaligen Zeit recht deutlich veranschaulicht. Die Mädchen stehen für Podgorski ganz im Gegensatz zum Begriff Damen, wie ihn die Olympier, die „eleganten und meist vornehmen älteren Herren“, bei Abfassung des Reglements für die alpinen Bewerbe festgelegt hätten. „Alles, was recht ist – aber Damen sind wirklich nicht in der Lage, ein internationales Skirennen zu bestreiten.“
Der damalige Sportchef des ORF beschäftigt sich in seinem Text mit der Frage, was Frauen und Männer im internationalen Sport im Allgemeinen und im alpinen Skisport im Besondern unterscheide. Seine Antwort: „Der Unterschied liegt, wie so oft, im Charakter.“Halbwüchsige Rennläufer würden zwischen Start und Ziel zu Männern, die Sieger seien auf alle Fälle Männer, niemals Kinder. Bei „Mädchen“sei es umgekehrt: „Sie können nur die volle Leistung bringen, solange sie jung und verspielt sind.“
Podgorski weiter: „Wenn dann aus diesen Mädchen Frauen werden, ist es aus mit allem, was dem Trainer heilig ist. Denn das deckt sich beileibe nicht mit dem, was den Frauen heilig ist.“Das sei im Allgemeinen: Heiraten, Kinder, ein Heim. Podgorskis spektakulärer Schluss daraus: „Eine Schifahrerin, die sich für Einbauküchen interessiert, ist für den Rennlauf abgeschrieben.“Dass in der Deutschen Rosi Mittermaier eine 25Jährige in Innsbruck die Goldmedaillen im Slalom und in der Abfahrt gewann, habe die Experten überrascht – „eine weibliche, vernünftige, ausgeglichene, zufriedene und, wie es scheint, auch glückliche Frau behauptet sich in der Brutalität des alpinen Hochleistungssportes“.
Sehr ausführlich beschäftigte sich Podgorski mit der Rolle des Trainers. „Er ist die zentrale Figur für die Mädchen. Er allein ist der Grund für ihre Leistungen. Wie er das bewerkstelligt, ist ziemlich egal.“Nach allen bisherigen Erfahrungen sei „die Rennläuferin nur dann erfolgreich, wenn es einen Mann gibt, eine starke Persönlichkeit im Mittelpunkt ihres Denkens und Wünschens“. Deshalb, schließt Podgorski, habe es niemals Damentrainerinnen gegeben, „weil es sich für Mädchen überhaupt nicht lohnt, für eine Frau alles das auf sich zu nehmen, was für eine alpine Rennläuferin selbstverständlich ist“. Die würden „leben wie vazierende Flintenweiber. Das alles tun sie für den Mann schlechthin. Ob es den Feministinnen gefällt oder nicht.“Die Emanzipation sei die einzige Gefahr für den alpinen Damenskilauf.
Tröstlicher Schluss: „Aber es wird schwer sein, den Mädchen den Glauben an den Mann zu rauben, wenn es auch ein Aberglaube ist.“Annemarie Moser-Pröll wäre auch dieser Text nicht aufgefallen, schließlich hat Podgorski nicht anderes getan, als den Zeitgeist in einen Essay zu gießen. Aktuell wollte er sich zu seinem damaligen Stück nicht äußern.