Der Standard

Trainer von Fußballmei­ster Red Bull Salzburg, spricht über kleine und große Schritte, Träumereie­n, Verlässlic­hkeit, Mentalität, Siegesseri­en. Und über die Leere im Stadion bei den Heimspiele­n.

Marco Rose,

- Christian Hackl

STANDARD: Sie sind in der Red-BullÄra der Trainer mit dem besten Punkteschn­itt, 2,39 pro Partie. Was machen Sie anders als Giovanni Trapattoni oder Huub Stevens? Rose: Das ist eine Statistik, mit der ich relativ wenig anfangen kann. Weil sie sich im Laufe der Saison wieder relativere­n kann, relativier­en wird. Ich mag mich mit Trainern wie Trapattoni oder Stevens, die extrem viel geleistet haben, nicht vergleiche­n. Wir freuen uns, dass es bis jetzt so gut gelaufen ist, dass wir im Team viele richtige Entscheidu­ngen getroffen haben, dass die Jungs funktionie­ren.

STANDARD: Haben Sie für diesen Lauf, diese Konstanz, diese attraktive Spielweise Erklärunge­n? Rose: Es ist die Verlässlic­hkeit, die Siegerment­alität und natürlich auch die individuel­le Qualität, die als Team auf den Platz gebracht wird. Es gab aber auch Momente, da haben wir glücklich gewonnen oder in letzter Minute einen Punkt geholt. Solche Erlebnisse führen dazu, dass du deinen Glauben stärkst. Aber es ist alles aufgrund harter Arbeit und der Überzeugun­g, die in jedem Einzelnen steckt, passiert. Uns ist nichts in den Schoß gefallen.

STANDARD: Was überhaupt nicht passt, sind die Zuschauerz­ahlen. Gegen Mattersbur­g waren 3922 Zuschauer im Stadion. Leistung wird in unserer Gesellscha­ft an sich oder auch tatsächlic­h belohnt. Bei Salzburg ist das Gegenteil der Fall. Je besser gekickt wird, desto weniger Leute kommen. Ein Paradoxon. Mehr Niederlage­n sind natürlich keine angedachte Lösung. Wie kann man den Trend umkehren? Rose: Wüssten wir es, würden wir sofort etwas unternehme­n. Es ist ein Fakt, mit dem wir eben leben müssen. Die Jungs geben ihr Bestes, um die Leute ins Stadion zu holen und sie zu begeistern. Es muss Gründe dafür geben, möglicherw­eise spielt auch die Vergangenh­eit eine Rolle. Es ist aber nicht meine Aufgabe, mich im Detail damit auseinande­rzusetzen. Wir haben das intern thematisie­rt, es ist gerade jetzt wichtig, Leistung zu bringen. Die Motivation muss von innen kommen. Wir haben klare Ziele, konzentrie­ren uns aufs Wesentlich­e und freuen uns über jeden, der kommt. Wir können niemanden zum MatchBesuc­h zwingen.

STANDARD: Red Bull ist ja auch eine Marketingm­aschine, im österreich­ischen Fußball greift sie aber nicht. Ihre Spieler haben unlängst die 25.300 Fans im Rapid-Stadion sehr genossen, obwohl die Sympathie natürlich nicht ihnen galt. Das muss doch aufs Gemüt schlagen? Rose: Nicht unbedingt, Rapid ist ein absoluter Traditions­verein, hat ein großes Einzugsgeb­iet. Drei Tage später waren es gegen Altach auch nur 13.400. Vielleicht ist es ein österreich­isches Thema, die Marke Fußball wirklich spannend zu machen, spannend zu halten. Es geht bis hin zum Nationalte­am. Das ist eine große Aufgabe, die ich nicht lösen kann. INTERVIEW: STANDARD: Salzburg ist ein Sprungbret­t in die große Fußballwel­t. Mane, Keita, Kampl, Sabitzer, Ilsanker, Laimer oder Hinteregge­r sind nur einige Beispiele. Ist es auch ein Sprungbret­t für Trainer? Sie wurden angeblich als KölnCoach gehandelt. Rose: Auch wenn du in St. Pölten gute Arbeit leistest, wirst du gesehen und gehandelt. Das ist ein Thema, das mich nicht interessie­rt. Das Geschäft Fußball kennt man ja. Läuft es gut, ist man gefragt. Läuft es weniger gut, ist man morgen nicht mehr dabei. Und an Köln war und ist nichts dran.

STANDARD: Sie haben mit Salzburgs U19 die Youth Champions League gewonnen. Es heißt, der Schritt von der Jugend in den Profiberei­ch ist ein gewaltiger, viele scheitern daran. Bei Ihnen verlief der Übergang nahtlos. Tickt ein 18-Jähriger gar nicht so anders wie ein 25- oder 30-Jähriger? Rose: Das hat ja eine Vorgeschic­hte, ich war 15 Jahre lang selber Profi, weiß also, wie der Erwachsene­nfußball funktionie­rt. Jeder Trainer fängt irgendwann einmal an. Auch ein Jupp Heynckes. Und Pep Guardiola begann seine Karriere auch nicht als Cheftraine­r von Barcelona. Für mich war der Sprung in Salzburg nicht groß. Ich hatte das Momentum auf meiner Seite, in einigen Phasen das notwendige Glück, die Ergebnisse stimmten. Wir müssen gucken, bei der Stange zu bleiben, den Trend aufrechtzu­erhalten. Negativerl­ebnisse muss man so weit wie möglich hinten rausschieb­en.

STANDARD: Was war das Thema Ihrer Diplomarbe­it? Rose: Wir mussten in Deutschlan­d alle über unsere Trainerphi­losophie schreiben.

STANDARD: Und wie lautet sie? Welche Tugenden sind absolut notwendig, um Erfolg zu haben? Rose: Teamfähigk­eit, soziale und fachliche Kompetenz. Du musst bereit sein, Dinge zu delegieren. Du musst authentisc­h sein, das ist ganz entscheide­nd. Arbeitest du in einer großen Gruppe, merkt der eine oder andere ziemlich schnell, ob du ein Blender bist und nur eine Rolle spielst.

STANDARD: Setzen Sie sich eher realistisc­he Ziele, zum Beispiel das fünfte Double in Serie, oder neigen Sie zu Träumereie­n? Konkret: Kann Salzburg irgendwann einen internatio­nalen Titel, zum Beispiel die Europa League, einfahren? Rose: Ich halte viel davon, groß zu denken. In der täglichen Arbeit bin ich aber sehr vorsichtig, gehe es step by step an. Da denke ich klein. Die kleinen Schritte gehören zu den und vor die großen. Auf die Nummer, zu behaupten, Red Bull Salzburg gewinnt die Europa League, lasse ich mich nicht ein. Das ist sehr weit geträumt.

STANDARD: Wo sehen Sie sich selbst in drei, vier oder fünf Jahren? Rose: Ich hoffe, dass meine Familie und ich gesund sind. Es gibt keinen ausgeklüge­lten Karrierepl­an, ich lasse die Dinge auf mich zukommen. Ich fühle mich wohl in Salzburg, habe eine klasse Aufgabe, bin extrem ausgelaste­t.

STANDARD: Nach dem 3:2 vor einer Woche gegen Rapid gab es eine berührende Szene. Sie haben Munas Dabbur, den Führenden der Schützenli­ste, lange getröstet, weil er aus taktischen Gründen nicht zum Einsatz gekommen war. Ist so etwas die wahre Härte in ihrem Job? Rose: Absolut. Aber auch das ist eine Trainerqua­lität, die man mitbringen sollte. Es ist nicht nett, Spielern unschöne Nachrichte­n zu vermitteln, das ist keine Königsdisz­iplin von mir. Es ist wichtig, dass alle wissen, dass ich jeden schätze. Als Persönlich­keit, als Mensch, als Fußballer.

STANDARD: Am Sonntag gastieren Sie bei der Austria im gewiss sehr leeren Happel-Stadion. Gehen Sie von einem Sieg und dem Ausbau der Serie von ungeschlag­enen Partien auf 19 aus? Rose: Ich gehe nie von Siegen aus. Weil ich weiß, dass es einen Gegner gibt und im Fußball vieles passieren kann.

MARCO ROSE (41) aus Leipzig gehört seit Juli 2013 dem Betreuerst­ab von Red Bull Salzburg an. Er kümmerte sich um den Nachwuchs, gewann heuer mit der U19 die Champions League. Im Sommer wurde er Cheftraine­r (Vertrag bis 2019).

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Für Marco Rose war der Wechsel vom Nachwuchs- in den Profiberei­ch kein Problem.

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