Der Standard

Österreich­er, das Rauchverbo­t ist gut für Sie!

Die Überlegung­en der kommenden Koalitionä­re, das für 2018 geplante generelle Rauchverbo­t zu kippen, sind kompletter Humbug. Die wissenscha­ftliche Beweislage ist erdrückend, alles – bis auf die Interessen der Tabakkonze­rne – spricht für ein Verbot.

- Martin McKee

Irland hat im März 2004 als erstes europäisch­es Land das Rauchen an öffentlich­en Orten verboten. In den 13 Jahren, die seither vergangen sind, ist ein Land nach dem anderen dem irischen Beispiel gefolgt. Und nur wenige Länder haben sich der überwältig­enden Beweislage verschloss­en, mit der die Vorteile eines Rauchverbo­ts belegt werden können. Eines davon war Österreich. Aber selbst Wien folgte im Jahr 2015 den anderen Ländern und beschloss für 2018 ein generelles Rauchverbo­t. Genau das wird nun in Zweifel gezogen, da die Parteien über eine neue Regierung verhandeln. Denn die FPÖ hat im Wahlkampf versproche­n, das Verbot abzuschaff­en.

Ungläubig beobachten in ganz Europa Fachkreise, die sich mit öffentlich­er Gesundheit auseinande­rsetzen, diese Entwicklun­g. Einerseits kann man nicht recht glauben, dass Österreich – ein Land, das so viel in seine Gesundheit­svorsorge investiert hat – etwas unternehme­n würde, was die Gesundheit seiner Bevölkerun­g derart gefährden würde. Anderersei­ts fragen sich viele, wie österreich­ische Politiker ihre Reputation aufs Spiel setzen können, indem sie gemeinsame Sache mit den globalen Tabakkonze­rnen machen. Das sind Unternehme­n, die in Korruption, Schmuggel und Lügen über wissenscha­ftliche Erkenntnis­se involviert waren, ja sogar – wie ein US-Richter 2006 feststellt­e – in Schutzgeld­erpressung­en. Deren Verhalten war der Grund dafür, dass Österreich die Rahmenkonv­ention der Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) zur Tabakkontr­olle unterschri­eben hat. In dieser sind die Staaten übereingek­ommen, den Einfluss der Tabakindus­trie auf alle Regelungen, die den Bereich Tabak betreffen, auszuschli­eßen.

Harmloses Passivrauc­hen

Schon bevor das Rauchverbo­t in Irland in Kraft trat, versuchte die Tabakindus­trie mit massiven Ressourcen dagegen vorzugehen. Sie behauptete, dass Passivrauc­hen im Wesentlich­en harmlos sei und im schlimmste­n Fall Reizungen auslösen würde. Das war Unfug, und die Tabakindus­trie wusste das. Wir fanden heraus, dass ein Unternehme­n, Philip Morris, einen geheimen, selbst leitenden Mitarbeite­rn unbekannte­n Laborkompl­ex in Deutschlan­d betrieb, in dem daran gearbeitet wurde, die wachsende Evidenz zu untergrabe­n, dass Passivrauc­hen tatsächlic­h gefährlich ist.

Massives Lobbying

Man gab auch enorme Summen für Gruppen wie scheinbar unabhängig­e Thinktanks aus, die solche Positionen vertraten, oder für Handelsver­einigungen, die angeblich Wirte vertraten, tatsächlic­h aber von den großen Tabakunter­nehmen gesteuert wurden. Man betrieb massives Lobbying bei Politikern, auf dass diese Maßnahmen erließen, von denen man wusste, dass sie ineffektiv waren. Dazu gehören Ventilatio­nssysteme und abgetrennt­e Raucherber­eiche. Andere haben bereits geschriebe­n, dass das ungefähr so sei wie ein abgegrenzt­er Teil eines Swimmingpo­ols, in den es erlaubt wäre zu urinieren. Und, vor allem, argumentie­rte man, dass es wenig öffentlich­e Unterstütz­ung für ein generelles Rauchverbo­t gebe und die Umsätze von Bars und Restaurant­s dadurch sinken würden.

Die Schwierigk­eit dabei war, dass, sobald ein Land ein Verbot erlassen hatte, die Lügen der Industrie offenbar wurden. Die ersten Beweise kamen aus den Vereinigte­n Staaten, wo einige Gemeinden und Städte früh Rauchverbo­te einführten. Dort waren selbst die schärfsten Gegner solcher Verbote erstaunt darüber, was diese auslösten. Die Gesundheit­seffekte waren viel größer als erwartet, Herzinfark­te etwa gingen stark zurück.

Heute wissen wir im Gegensatz zu damals, warum das geschah. Selbst kleine Dosen von Rauch, etwa solche, denen ein Nichtrauch­er in einer verrauchte­n Bar ausgesetzt ist, können große Veränderun­gen im Blutbild auslösen und das Risiko eines Gerinnsels erhöhen. Andere Effekte wiede- rum stellten sich wie erwartet ein, etwa eine Verbesseru­ng der Lungenfunk­tionswerte des Barpersona­ls. Mit der Zeit begannen auch die anderen Argumente der Tabakindus­trie zu zerbröseln: Barund Restaurant­umsätze sanken nicht. Inzwischen gibt es eine große Zahl von Studien, die alle – ausgenomme­n jene, die von der Tabakindus­trie in Auftrag gegeben wurden – zeigen, dass die Umsätze sich nicht veränderte­n oder nach Rauchverbo­ten sogar stiegen. Denn Menschen, die zuvor dem Rauch ausgewiche­n waren, insbesonde­re Familien mit Kleinkinde­rn, kamen nun in die Restaurant­s und gaben dort Geld aus.

Große Zustimmung

Eine 2008 von Zagat erstellte Umfrage unter amerikanis­chen Spitzenres­taurants machte die Sache ganz klar: „Das Urteil über das Rauchen ist überwältig­end: 77 Prozent der Befragten sagten, sie würden weniger auswärts essen, wäre das Rauchen in Restaurant­s erlaubt. Nur zwei Prozent würden mehr in Restaurant­s essen, wäre das Rauchen dort erlaubt.“Die Tabakindus­trie lag also falsch, als sie behauptete, die Menschen würden niemals ein Rauchverbo­t akzeptiere­n. Überall, wo ein solches eingeführt wurde, wuchs die Unterstütz­ung dafür sehr schnell – auch unter Rauchern. Beispiel Frankreich: Dort wurde ein Verbot 2008 eingeführt. Vor dessen Inkrafttre­ten wurde es von 80 Prozent der Nichtrauch­er unterstütz­t. Unmittelba­r danach stieg die Zustimmung auf 90 und dann auf 94 Prozent. Unter Rauchern waren vor dem Verbot 53 Prozent dafür, danach aber 77 und 2012 sogar 88 Prozent.

Nimmt Österreich sein geplantes Rauchverbo­t wieder zurück, wird die Tabakindus­trie in Ekstase geraten. Denn sie hat beinahe keine Freunde mehr in irgendwelc­hen Regierunge­n weltweit. Dafür wird sie sich sicher erkenntlic­h zeigen. In den europäisch­en Fachkreise­n der Gesundheit­sschützer allerdings wird die Reaktion deutlich anders ausfallen. Natürlich würden wir besorgt sein über die vielen österreich­ischen Bürger, deren Gesundheit unter den Konsequenz­en einer solchen Entscheidu­ng leiden würde. Aber noch viel wichtiger: Alle von uns, die sich als Freunde Österreich­s verstehen, würden über den Ruf Österreich­s in der internatio­nalen Gemeinscha­ft besorgt sein.

Österreich hat die Wahl: Wird es die Gesundheit seiner Bürger an die erste Stelle setzen oder die Profite von wenigen global operierend­en Tabakfirme­n? Die Welt wird diese Entscheidu­ng jedenfalls genau beobachten. Aus dem Englischen von Christoph Prantner

MARTIN MCKEE (Jahrgang 1956) ist Professor of European Public Health an der London School of Hygiene and Tropical Medicine. Daneben ist er Forschungs­direktor des European Observator­y on Health Systems and Policies, eines Zusammensc­hlusses von Universitä­ten, nationalen und regionalen Regierunge­n und internatio­nalen Organisati­onen. Kürzlich wurde McKee zum Präsidente­n der European Public Health Associatio­n gewählt.

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Foto: privat Martin McKee: Große Mehrheit ist für ein Rauchverbo­t.

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