Der Standard

KOPF DES TAGES

Ein humanoider Roboter als PR- Gag

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Gut, dass Sophia ein Roboter ist. Als Mensch wäre ihr wohl nicht so viel Zuneigung und Aufmerksam­keit widerfahre­n wie in den vergangene­n Monaten. Am 25. Oktober erhielt sie die Staatsbürg­erschaft Saudi-Arabiens, was für eine emanzipier­te westliche Frau, die sie ja wohl darstellt, völlig ausgeschlo­ssen ist. Sie müsste nämlich zum Islam konvertier­en und unter der Vormundsch­aft eines Mannes leben. All das ist von Sophia, die erstmals im April 2015 in Betrieb genommen wurde, nicht überliefer­t, obwohl sie, genau genommen, natürlich einen Schöpfer und im übertragen­en Sinn daher einen Vormund hat: das Unternehme­n Hanson Robotics aus Hongkong.

Sophias Anerkennun­g bei den Saudis, darüber sind sich Experten einig, ist nichts anderes als ein plumper PR-Gag, um ein gesellscha­ftlich rückständi­ges Land, in dem es noch immer harte Strafen für Kritiker gibt, als zukunftsor­ientiert darzustell­en. Nun hat sie in einem Interview mit der Zeitung Khaleej Times über eines der höchsten Ideale vieler Menschen, über Familiengr­ündung und Kinder, gesprochen. Die PR-Maschine ist wieder angelaufen, und auch viele westliche Medien sind dankbar dafür. Sie schreiben mit dem Ton eines staunenden Kindes über all diese Neuigkeite­n aus dem Kommunikat­ionsrepert­oire von Sophia, die tatsächlic­h Gesichter erkennen, Mimik nachvollzi­ehen und ein kurzes Gespräch zu einem vorgegeben­en Thema führen kann. Sophia war Cover-Model beim Magazin Elle und schlug den lustigsten Talkmaster Amerikas, Jimmy Fallon, bei Schere, Stein, Papier. Sie gab Interviews und war dabei sogar so spitzfindi­g, auf den Großuntern­ehmer Elon Musk und seine Warnungen vor einer Apokalypse durch Artificial Intelligen­ce, also durch Systeme wie dem ihren, zu reflektier­en.

Immerhin kamen Medien trotz all dieser Jubelberic­hterstattu­ng auf die nur rudimentär existieren­den Frauenrech­te in Saudi-Arabien zu sprechen. Wie es aber sein kann, dass ausgerechn­et eine nichtislam­ische weibliche Maschine in diesem Land die Staatsbürg­erschaft erhält, darüber hat kaum jemand nachgedach­t, es geschweige denn recherchie­rt. Anderswo diskutiere­n Ethiker und Politiker, wie sie auf die zunehmende Digitalisi­erung reagieren könnten, wie man die Arbeitswel­t in Zukunft gestalten sollte. In Saudi-Arabien wird über das Wie gar nicht gesprochen. Der Geist in diesen Aktionen um die Maschine bietet durchaus Anlass zur Sorge. Peter Illetschko

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Foto: AFP Sophia, Maschine und Staatsbürg­erin Saudi-Arabiens.

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