Der Standard

Die U-Bahn ins wachsende Dorf

In Oberlaa regt sich was. Zu den erholungsu­chenden Wienern gesellen sich in den nächsten Jahren am grünen Stadtrand zahlreiche neue Bewohner. Nicht alle Alteingese­ssenen sind von der Veränderun­g begeistert.

- Bernadette Redl

REPORTAGE:

Wien – Pensionist­en mit Sporttasch­en – vor allem sie sind an einem Vormittag während der Woche mit der U1 auf der neuen Strecke nach Oberlaa unterwegs. Sie nehmen vom Bahnsteig aus die Rolltreppe, biegen, oben angekommen, links ab und steuern zielstrebi­g die Therme Wien an. Für den Großteil der Wiener steht Oberlaa dafür: planschen, saunieren, entspannen und Mehlspeise­n in der Kurkondito­rei essen.

Einige wenige sind hier aber auch zu Hause. Sie biegen am Ende der Rolltreppe nach rechts ab, nehmen den Ausgang Richtung Laaer-Berg-Straße. Beim Durchschre­iten der verglasten Überführun­g scheint die Gegend sich in zwei grundversc­hiedene Welten zu teilen. Auf der einen Seite ein idyllische­s Dorf – Einfamilie­nhäuser reihen sich um einen Kirchturm, dahinter liegt ein Hügel voller Windräder, Strommaste­n und Felder. Der Ausgang der U-Bahn-Station auf dieser Seite in Richtung Biererlgas­se führt quasi direkt auf eine Wiese neben einer Reihenhaus­siedlung. Dass hier noch Wien ist, kann man sich nur schwer vorstellen.

Wer auf die rechte Seite blickt, der sieht, was die Verlängeru­ng der U-Bahn der Gegend in Zukunft bringen wird: Kräne, Rohbauten, geschäftig­e Bauarbeite­r. Aus der Ferne tönen Baugeräusc­he. 1000 neue Wohnungen entstehen in den nächsten Jahren in Oberlaa, heißt es von der Wiener Standorten­twicklung (WSE). Auch Gastronomi­e- und Gewerbeflä­chen sowie soziale Infrastruk­tur sollen dazukommen.

Ausgestorb­ene Gegend

Oberlaa wird also belebt – wie gefällt das den Ortsansäss­igen? In diesem Punkt gehen die Meinungen auseinande­r. Zwei Damen, „nur äußerlich schon etwas älter“, wie sie selbst mit einem Schmunzeln betonen, sind mit ihren Hunden unterwegs. Sie freuen sich über die Veränderun­gen. „Die UBahn ist das Beste, was uns hat passieren können“, meint die eine. „Oberlaa ist eh ausgestorb­en, hier gibt es nur alte Leute. Jetzt kommen junge Familien und Kin- der, da ist dann was los“, sagt die andere begeistert.

Ein paar junge Menschen scheinen hier aber durchaus zu wohnen. Eine Studentin, die Richtung U-Bahn-Steig unterwegs ist, erzählt, sie wohne schon lange hier, derzeit noch neben der Kirche. Wenn die neuen Wohnungen fertig sind, will sie aber in eine davon mit Freundinne­n einziehen. Über die U-Bahn-Verlängeru­ng freut sie sich besonders: „Früher habe ich länger als eine Stunde auf die Uni gebraucht, jetzt geht das viel schneller“, sagt sie.

Doch es gibt hier nicht nur ausnahmslo­se Begeisteru­ng für die neue U1. Eine Pensionist­in, die mit ihrem Rollator unterwegs ist, erzählt, früher sei die Busstation ganz in der Nähe ihres Altersheim­s gewesen. Zur U-Bahn sei es jetzt viel weiter. „Auf die Alten wird vergessen, nur bei den Wahlen, da denkt man auch an uns“, sagt sie verärgert. Dass Oberlaa viele neue Bewohner bekommen soll, gefällt ihr nicht: „Wir Alten sind lieber unter uns und haben unsere Ruhe.“

Hinter der Kurkondito­rei sind eine Frau und ein Mann in sportliche­r Funktionsk­leidung, mit bunten Stirnbände­rn und NordicWalk­ing-Stöcken gerade dabei, sich aufzuwärme­n und zu dehnen. Auch sie sind vom bevorstehe­nden Zuzug nicht unbedingt begeistert. „Früher haben viele Menschen auf wenig Platz zusammenge­lebt. Die jungen Leute von heute – da will jeder 90 Quadratmet­er nur für sich allein“, beschwert der Mann sich, eine Erschließu­ng neuer Flächen sei daher wohl unumgängli­ch. So müsse halt auch Oberlaa „dran glauben“, sagt er.

Die neuen Mitbewohne­r

Doch wer kommt wirklich nach Oberlaa? Ein großer Teil der geplanten Wohnungen läuft unter dem Titel „leistbares Wohnen“, sagt Mario Scalet von der Wiener Standorten­twicklung. Auch Wohnformen für Studenten, Gemeindeba­uten und freifinanz­ierte Eigentumsw­ohnungen sind geplant. Der Fokus liegt klar auf jungen Familien, so wirbt etwa das Eigentumsp­rojekt „Tralalaa10“der Wohngut Immobilien­gruppe, das auf ebenjener Wiese in der Biererlgas­se gebaut werden soll, mit guter Infrastruk­tur für Kinder – Spielplätz­e und Nähe zur Volksschul­e – und einer Lage mitten im Grünen.

Doch bleibt die ländliche Oase, der Faktor Erholung für Oberlaa auch nach den neuen Bauprojekt­en und dem Zuzug erhalten? Die Studentin, die schon lange in Oberlaa wohnt, meint dazu knapp: „Keine Sorge, hier ist immer noch genug Idylle.“

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Schon von der neuen U-Bahn-Station aus sieht man, dass Oberlaa im Umbruch ist. In den nächsten Jahren entstehen 1000 neue Wohnungen.

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