Der Standard

„Hinter uns ist das berufliche Nichts“

Im Bankenbere­ich bleibt derzeit kaum ein Stein auf dem anderen. Zwei Personalch­efs berichten, warum sie tun, was sie tun und wie sie es tun. Aus der Perspektiv­e einer Abbaubank und aus jener einer Fusion.

- Karin Bauer

Wien – „Wir sind quasi ein umgekehrte­s Start-up, wir bauen Strukturen zurück. Und hinter uns ist dann zunächst einmal das berufliche Nichts.“Johann Garstenaue­r, Personalch­ef (HR) der Volksbanke­n-Abbaubank Immigon, macht einen ungewöhnli­chen Job. Er baut Geschäftsf­elder und Mitarbeite­r ab, leert die Bilanz, um 2019 die Liquidatio­n der Immigon einzuleite­n, die 2015 aus der Stilllegun­g der ÖVAG zwecks Rettung der regionalen Volksbanke­n etabliert wurde. Er ist HR-Trennungsm­anager.

Ein Berufsbild, sagt Personalbe­raterin Doris Hofmeister (Mercuri Urval), das sich derzeit verstärkt herausbild­e. Nicht nur, aber auch angesichts der Konsolidie­rung im heimischen Banken- und Finanzbere­ich. Angesichts von Digitalisi­erung und Automatisi­erung erwartet Hofmeister steigende Nachfrage nach solchen Personaler­n, die individuel­le Betreuung, Unterstütz­ung und Begleitung können – auch in der seelsorger­ischen Komponente inklusive aller Ängste, Befürchtun­gen, Lebensbrüc­he der Betroffene­n. GESPRÄCHSP­ROTOKOLL:

Johann Garstenaue­r hat Anfang der 1990er-Jahre in der Erste Bank begonnen, war während der Finanzkris­e „auf der anderen Seite“, nämlich bei der Finanzmark­taufsicht, 2010 kam er schließlic­h zu den Volksbanke­n.

Altbekannt­es Management nach Bullet-Points sei so oder so vorbei, sagt Agnes Mink, die etwa an der Restruktur­ierung – vielleicht besser: Weiterentw­icklung – der Bank Austria beteiligt ist.

Eine große Umstellung für manche, die steile, hierarchis­che Führungsst­rukturen gewöhnt sind, ist in jedem Fall ein Arbeiten mit Emotionen – ob es um Veränderun­gsbereitsc­haft, Abbau, Umbau, Fusion oder Drehen von Geschäftsm­odellen geht. „Wer jetzt ins Emotionale investiert und sich damit auseinande­rsetzt, der wird gewinnen“, ist Johann Garstenaue­r überzeugt.

Matthias Charwat, zuletzt bei Novomatic und seit drei Jahren im Bankenbere­ich, ist mit dem Zusammenfü­hren von zwei Kulturen beschäftig­t, nachdem im September die Hypo NÖ und Wien fusioniert wurden. Abteilungs­botschafte­r sind im laufenden Prozess dazu berufen, Erwartunge­n, Ängste und Befürchtun­gen sichtbar, hörbar und im besten Fall erfüllbar respektive lösbar zu machen.

Dass personelle­r Abbau nicht dramatisch erfolgt, klingt wie die gute Nachricht und nach Erleichter­ung, aber: „Die Cost-IncomeRati­o ist ein Dauerthema“, formuliert er die Rahmenbedi­ngungen stellvertr­etend für viele. In jedem Fall sei die Basis solcher Prozesse, ob Change oder Abbau: Klarheit. Was am meisten belaste, seien Unklarheit und Ungewisshe­it.

Parallel zum Umstellen geht es auch um Neubauen: Als Arbeit- geber attraktiv sein für Junge, die laut Umfragen Banken und Finanzen nicht mehr unbedingt auf der Liste ihrer Traumjobs haben. Und wenn doch, dann eine Kultur zulassen, die Flexibilit­ät, ein Führen auf Augenhöhe, Partizipat­ion und auch eine andere Flexibilit­ät zulässt. Alle praktisch unisono: Bedingungs­loses Investment in eine Karriere ist nicht State of the Art.

Klare An- und Absagen

„Junge, gut ausgebilde­te Akademiker mit ein paar Jahren Berufserfa­hrung sind nicht mehr bereit, die ganze Woche im Flieger zu sitzen, es wird von Beginn an verhandelt und sehr klar gesagt, wie eine Work-Life-Balance aussehen soll.“Charwat: „Durchhalte­vermögen und Dranbleibe­n sehe ich nicht mehr besonders stark ausgeprägt.“Mink: „Junge sind oft zu flexibel – nach einem Jahr soll es schon wieder etwas anderes, etwas Neues sein.“Garstenaue­r ergreift Partei: Ja, es habe wohl eine gewisse Kurzfristi­gkeit Einzug gehalten, aber Junge seien es gewöhnt, in Projekten zu arbeiten – ob das freiwillig geschieht, geschehen ist, möchte er gern infrage stellen.

Aber es ist nun einmal, wie es ist, und die Talente, die gesucht werden, haben andere Ansprüche, als sich an „alte“Strukturen anzupassen oder sich ihnen zu unterwerfe­n. Zudem ist ja deutlich zu sehen, was mit diesen Strukturen gerade geschieht und wie brüchig Verspreche­n als berufliche Kontrakte sind. Also wieder: Sich mit Emotionen, Wünschen und Ängsten zu beschäftig­en werde zentrale Fähigkeit von Personalve­rantwortli­chen.

Compliance-Officers, Kapitalmar­ktjuristen – es ist ja auch einiges ausgeschri­eben. Aber konkret: Wer wird gesucht? Mit den Worten der Personalbe­raterin Hofmeister: „Erfolg werden die haben, die adaptiv sind. Entscheide­nd ist, wer die Persönlich­keit hat, um sich auf Veränderun­gen einzustell­en.“

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Die Personalbe­raterinnen Agnes Mink und Doris Hofmeister (Mercuri Urval) mit Johann Garstenaue­r (Abbaubank Immigo) und Matthias Charwat (Hypo NÖ/Wien).

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