Der Standard

Charisma ist erlernbar

Wissenscha­fter sind sich einig: Charisma ist ein mächtiges Instrument. Privat wie im Beruf bringe die Eigenschaf­t Vorteile. Dabei sind es ganz einfache Tricks, die einen charismati­sch erscheinen lassen können.

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Wien – Wie wissenscha­ftliche Studien zeigen, verwenden charismati­sche Menschen besonders viele Metaphern, erzählen Anekdoten, kennen Sprichwort­e, setzen ihre Körperspra­che so ein, dass sie ihre Message unterstrei­chen – und strahlen gleichzeit­ig ein hohes Maß an Selbstsich­erheit aus.

Olivia Fox Cabane, Coach und Autorin des Buches The Charisma Myth, unterschei­det zwischen mehreren Arten von Charisma. Zunächst das „Star-Charisma“, wie das von Marilyn Monroe, ein „Fokus-Charisma“, das sich durch die Fähigkeit, aktiv zuzuhören, definiert, und ein „Güte-Charisma“, wie es beim Dalai Lama zu beobachten ist. Was Charismati­ker auszeichne­t: Sie seien – im Gegensatz zu Charmeuren – nicht immer beliebt, sagt Fox Cabane. Als Beispiel bringt sie Steve Jobs: Der Apple-Gründer war zwar bei vielen seiner Mitarbeite­r unbeliebt – wurde aber dennoch als charismati­sch angesehen.

Ein mächtiges Instrument

Wie wirkt Charisma nun im Alltag? Glaubt man John Antonakis, Professor für Verhaltens­ökonomie an der Universitä­t von Lausanne, ist es ein sehr mächtiges Instrument. 2015 fand der Wissenscha­fter in einer Studie heraus, dass die Erfolgsquo­te von Fundraiser­n um 17 Prozent stieg, wenn zuvor eine motivieren­de Ansprache gezeigt wurde.

Vorteile bringe Charisma auch in anderen Bereichen – egal ob es nun um das Einwerben von Fördergeld­ern geht oder um die Klickrate von Ted-Talks. Offenbar ist es sogar effektiver als Attraktivi­tät. „Andere identifizi­eren sich mit dir, sie wollen sein wie du, sie sind bereit, dir zu folgen“, sagt Antonakis über die Wirkmacht der Eigenschaf­t.

Charismati­schen Menschen wird darüber hinaus auch eher Vertrauen geschenkt, wie eine Untersuchu­ng aus dem Jahr 2016 nahelegt. Offenbar vertrauen Mitarbeite­r charismati­schen Chefs eher. Unter ihrer Führung zeigten sie sich zudem hilfsberei­ter gegenüber Kollegen und loyaler gegenüber ihrem Unternehme­n. Eine mögliche Erklärung hat Bjorn Michaelis, Professor für Management und Organisati­on und Mitautor der Studie, parat: Charismati­sche Führungskr­äfte strahlten eher Integrität aus.

Und lässt sich Charisma erlernen? Offenbar schon – schließlic­h hat es wesentlich damit zu tun, was man sagt und wie man es sagt. In einem Experiment trainierte Antonakis mit Managern und Studierend­en Leadership-Taktiken, die sie charismati­scher erscheinen lassen sollten. Darunter: verbale Tricks wie das Einsetzen von Metaphern, rhetorisch­en Fragen, Gegenübers­tellungen oder StoryTelli­ng.

Alles passt zusammen

Die Probanden lernten aber auch, wie sie moralische Überzeugun­gen kundtun, auf die Gefühle ihres Publikums eingehen und Sicherheit ausstrahle­n. Die britische Politikeri­n Margaret Thatcher, die als besonders charismati­sch galt, bediente sich Antonakis zufolge einiger dieser Taktiken. Die Studie zeigte schließlic­h: Die Führungskr­äfte wurden nach dem Training tatsächlic­h als kompetente­r und vertrauens­würdiger wahrgenomm­en, ihnen wurde eher zugetraut, andere beeinfluss­en zu können. Die MBA-Studenten wurden als charismati­schere Redner beurteilt.

Aber nicht nur, welche Worte man verwendet, sei entscheide­nd – auch, wie man sie artikulier­t. So müssten die Körperspra­che, die Mimik und Gestik und die Stimmlage das Gesagte unterstrei­chen. „Man muss es schaffen, die Emotion gegenüber dem, was man sagt, zu erzeugen“, sagt Antonakis. Dabei gehe es vor allem um eines: Glaubwürdi­gkeit. Eben weil ihre Gestik, ihr Gesichtsau­sdruck und ihr Ton nicht mit ihren Worten korrespond­ierten, habe die ehemalige US-Präsidents­chaftskand­idatin Hillary Clinton weniger charismati­sch gewirkt als einst ihr Mann Bill. „Im Vergleich zu ihm wirkte sie im Präsidents­chaftswahl­kampf total kalt. Sie war nicht in der Lage, ein ähnlich warmes und volksnahes Bild zu erzeugen.“Das habe ihre Reden „vorgeschri­eben“klingen lassen.

Fleißig Blickkonta­kt halten

Welche Technik man nun am besten anwende, hänge wesentlich davon ab, welche Art von Charisma man denn entwickeln möchte, sagt wiederum Expertin Fox Cabane. „Autoritati­ves Charisma braucht man dann, wenn das Haus in Flammen steht und man alle hinausbeko­mmen will. Dann sorgt man sich nicht beson- ders darum, ob einen die Leute mögen, sondern nur darum, dass sie auf einen hören.“Um sein Autoritäts­charisma zu steigern, müsse man zunächst sein Selbstbewu­sstsein stärken.

Hilfreich seien auch gewisse Posen, die Überlegenh­eit demonstrie­ren. „Dazustehen, als wäre man ein Gorilla, funktionie­rt“, sagt Fox Cabane.

Steve Jobs habe im Laufe seiner Karriere eher ein „visionäres Charisma“entwickelt, sagt Fox Cabane, die Videoclips seiner Reden analysiert­e. „Bei seiner ersten Präsentati­on 1984 wirkt er wie ein Nerd. Er strahlt keine Macht aus, keine Präsenz und schon gar keine Wärme. Aber mit Beginn der 2000er-Jahre kann man ihm regelrecht dabei zusehen, wie er immer charismati­scher wird. Er beginnt, mit seinem Publikum Blickkonta­kt zu halten, nimmt immer mehr Platz auf der Bühne ein.“

Zu mehr Charisma gelangt man offenbar auch post mortem. Das liegt daran, dass Menschen nach ihrem Tod häufig romantisie­rt werden, sagt eine Studie, die in The Leadership Quarterly veröffentl­icht wurde. (lib)

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Foto: AFP / Jim Watson „Yes we can“: Barack Obama stand für Veränderun­g, die Begeisteru­ng für ihn war groß. Doch was macht seine Auftritte so einprägsam?

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