Lafarge räumt „inakzeptable Fehler“ein
Lafarge-Holcim, größter Zementhersteller der Welt, hat erstmals schwere Fehler in Syrien eingeräumt. Der Konzern, der 1997 Perlmooser übernommen hat, steht im Verdacht, IS-Terroristen finanziert zu haben.
Wien – Die Anschuldigungen sind gewaltig und haben bereits zu einem Rücktritt an der Konzernspitze geführt: Der weltgrößte Zementhersteller Lafarge-Holcim soll nicht nur den „Islamischen Staat“(IS) in Syrien mitfinanziert haben, um ein Zementwerk weiterhin betreiben zu können; Lafarge, in Österreich mit dem 1997 erfolgten Kauf von Perlmooser uneingeschränkte Nummer eins, soll dem IS auch Erdöl abgekauft und damit gegen ein Embargo verstoßen haben.
Nach dem Rücktritt des langjährigen Lafarge-Chefs Eric Olsen Mitte Juli wurden nun erstmals „inakzeptable Fehler“in der Affäre um Schutzgeldzahlungen im syrischen Bürgerkrieg eingeräumt. LafargeHolcim habe sich „zu spät aus Syrien zurückgezogen“, sagte Verwaltungsratspräsident Beat Hess der französischen Zeitung Le Figaro.
Hess hat nach dem Rückzug von Olsen den Konzern nicht nur als oberster Aufseher, sondern interimistisch auch als Konzernchef geführt. Anfang September rückte Jan Jenisch an die Spitze des Konzerns. Jenisch war zuvor Chef des Bauchemiekonzerns Sika.
Der französisch-schweizerische Zementriese wird beschuldigt, als Gegenleistung für den „sicheren“Weiterbetrieb des rund 150 Kilometer nordöstlich der Stadt Aleppo stehenden Lafarge-Werks Jalabija 2013 und 2014 Geld an Extremisten der Terrormiliz IS weitergeleitet zu haben. Vorvergangene Woche wurden Büros von LafargeHolcim in Paris durchsucht, am Freitag sind drei Ex-Manager nach 48 Stunden in Gewahrsam einem Haftrichter vorgeführt.
Bei den Beschuldigten handelt es sich um den früheren Chef des Zementwerks Jalabija, Bruno Pescheux, desen Nachfolger Frédéric Jolibois und den für Sicherheit bei Lafarge zuständigen Manager Jean-Claude Veillard. Alle drei kamen unter Auflagen wieder frei.
„Wir unterstützen die Untersuchungen in vollem Umfang,“sagte Konzernsprecher Christian Meuter dem STANDARD. „Im Verfahren haben wir keine Parteienstellung, deshalb können wir konkret dazu nichts sagen.“
Die laufenden Untersuchungen zielen auf frühere Kader. Zumindest von den drei Hauptbeschuldigten hat sich Lafarge-Holcim in- zwischen getrennt. Auch in Syrien sei man nicht mehr aktiv, sagte Unternehmenssprecher Meuter. „Das Werk in Jalabija haben wir im Dezember 2014 evakuiert. Alle Mitarbeiter sind weg, da passiert nichts mehr.“
Man habe 700 bis 800 Millionen Euro in das Zementwerk gesteckt, deshalb wollte man es auch so rasch nicht aufgeben, lautete die Argumentation bis vor kurzem.
Olsen, der laut internen Untersuchungen von den illegalen Geldtransaktionen nichts gewusst hat, ist nicht der Erste, der über die Syrien-Affäre stolpert. Zuvor hatte der frühere Lafarge-Chef Bruno Lafont seinen Rückzug aus dem Lafarge-Holcim-Verwaltungsrat angekündigt, ohne einen klaren Grund zu nennen.
In der Österreichniederlassung will man, da nicht zuständig, die Affäre nicht kommentieren. Lafarge betreibt in Mannersdorf (NÖ) und Retznei (Steiermark) jeweils ein Zementwerk und beschäftigt 250 Mitarbeiter. Die Gesamtkapazität beläuft sich auf rund 1,6 Millionen Tonnen im Jahr. 2016 lag die Gesamtkapazität aller Zementerzeuger bei 4,8 Millionen Tonnen. Der Anteil von Lafarge am heimischen Markt beträgt somit ein Drittel.